Garnisonkirche: »Versöhnung«, aber ohne Aufarbeitung

Die neu eingeweihte Postdamer Garnisonkirche bleibt ein Symbol unaufgearbeiteter Vergangenheit

  • Karsten Krampitz
  • Lesedauer: 3 Min.

Seit dem Ende der DDR war es die evangelische Kirche, die zur Bewältigung der »kommunistischen Gewaltherrschaft« das Spitzenpersonal stellte: Pfarrer Gauck in der Stasi-Unterlagen-Behörde, Pfarrer Eppelmann und Pfarrer Meckel in der »Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur«, deren Expertise zur Geschichte von Partei und Staat hier nicht bewertet werden soll. Nur sei an die evangelische Kirche die Frage gestattet: Wie steht es denn um die Aufarbeitung der eigenen Geschichte, etwa zum Leben und Wirken des Pfarrers Karl Themel, Leiter der Kirchenbuchstelle Alt-Berlin?

Als solcher arbeitete er eng mit der Reichsstelle für Sippenforschung und anderen Institutionen des NS-Staates zusammen. Im Jahr 1941 bilanzierte Themel stolz, dass es ihm und seinen Kollegen in den vergangenen fünf Jahren gelungen sei, in 2612 Fällen die jüdische Abstammung zu ermitteln – »je Tag fast zwei Feststellungen«. Erkenntnisse, die umgehend an die entsprechenden Behörden weitergeleitet worden waren.

Einen Eindruck vom derzeitigen Geschichtsverständnis der Kirche gab es am Ostermontag in Potsdam bei der Eröffnung der »Nagelkreuzkapelle« in dem Gebäude, das einmal als Wiederaufbau der gesamten Garnisonkirche angedacht war. Landesbischof Christian Stäblein hielt vor 100 geladenen Gästen die Predigt über Frieden und Versöhnung. Hinter ihm der Altartisch, von dem aus 1935 4000 Rekruten gesegnet wurden, bei der Vereidigung auf Adolf Hitler. Der Wissenschaftliche Beirat des Lernorts Garnisonkirche, dem unter anderem die Denkmalpflegerin Gabriele Dolff-Bonekämper und der Historiker Manfred Gailus angehören, fordert jetzt: »Der Feldaltar gehört ins Museum!«

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Mit 25 Millionen Euro staatlicher Förderung wurde ein Turm wiederaufgebaut, der samt Kapelle einmal zur einzigen Kirche gehörte, in der Hitler eine Rede gehalten hatte. Der 21. März 1933, der »Tag von Potsdam«, war der bis dahin schwärzeste Tag in der (an dunklen Kapiteln nicht gerade armen) Geschichte des deutschen Protestantismus. Für den damals geplanten ungeheuerlichen Rechtsbruch – die Übertragung der Gesetzeskompetenzen vom Parlament auf die Regierung – brauchte der »Führer« eine öffentliche Rechtfertigung, die auch den Terror der vorangegangenen Wochen guthieß und seiner Diktatur die höheren Weihen gab: eine Legitimation durch Gott und die Geschichte. Mit dieser Siegesfeier der Nazis in einem Gotteshaus machte sich die evangelische Kirche zum Komplizen des faschistischen Terrors.

Und Karl Themel? Wie viele Menschen seiner »Feststellungen« wegen in die Vernichtungslager deportiert wurden, lässt sich heutzutage nicht mehr ermitteln. Wie auch? Die Akten sind verschwunden. Fest steht, dass der Pfarrer nach seiner Pensionierung 1954 die ehrenamtliche Stellung eines landeskirchlichen Archivleiters innehatte. Manfred Gailus hat zu Themel geforscht: »Anlässlich seines 75. Geburtstags im Jahr 1965 erhielt er vom Berliner Konsistorium ein wertvolles Buchpräsent und zehn Flaschen Sekt.« – Bestimmt auch als Dank für die fleißige »Aufarbeitung« der Geschichte.

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