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Yamoussoukro: Der liebe Gott und die Basilika in der Savanne
Nicht in Rom steht die höchste katholische Kirche der Welt, sondern in Yamoussoukro, der Hauptstadt von Côte d’Ivoire
Als sich am 7. August 1960 offiziell die Kolonialmacht Frankreich von der Elfenbeinküste verabschiedet, weiß man bereits, wer künftig die Macht übernehmen wird: Félix Houphouët-Boigny. Der damals 54-Jährige ist seinen Mitbürgern wohlbekannt: Als früherer Arzt, Gärtner, Gewerkschaftsführer und schlussendlich Abgeordneter beim französischen Assemblée nationale mausert sich »Le Vieux« (der Alte, was in diesem Fall nicht abwertend gemeint ist) in nur wenigen Jahren zum »Vater der Nation«.
Geboren im Dorf N’Gokro, 250 Kilometer nördlich von Abidjan, stammt Houphouët-Boigny aus einer mächtigen Familie. Seine Großtante Yamousso war Königin, nach ihr wurde im Jahr 1983 die Hauptstadt »Yamoussoukro« benannt. Das Suffix »kro« bedeutet »Stadt« in der Sprache der Baoulé, der ethnischen Gruppe des damaligen Staatschefs. Dessen Ziel ist es, sich vom französischen Verwaltungsmodell zu emanzipieren und somit nicht alle Machtzentren in der Metropole Abidjan zu konzentrieren. Yamoussoukro soll sich von einem Bauernstädtchen zum großen politischen Zentrum des Landes entwickeln. Soweit der Plan.
Er ist gescheitert: Heute hat Yamoussoukro 400 000 Einwohner – fünf Millionen weniger als Abidjan, wo längst auch das Parlament und die Ministerien angesiedelt sind. In Yamoussoukro dagegen findet man kaum mehr als den Senat und die Versammlung der traditionellen Häuptlinge.
Im Gegensatz zur Wirtschaftsmetropole Abidjan gibt es hier kaum Staus, stattdessen leere mehrspurige Straßen. Die Stadt ist dauerhaft unterbelegt. Einer der Gründe, warum die Abidjaner gerne am Wochenende mit dem Auto hierherkommen: Hier können sie ein bisschen Ruhe genießen.
Der Yamoussoukro-Besuch beginnt oft mit einer Runde über den lokalen Markt, auf dem man unter anderem lebende Hühner kaufen kann. Danach geht es weiter zum berühmten »Kaimansee«, gegenüber dem ehemaligen Präsidentenpalast. In dem Baggersee leben Krokodile, die als heilig angesehen werden. Die Touristen lieben es, ihnen Geflügelteile zum Fraß vorzuwerfen. Und die Echsen lieben diese Leckerli, die das Futter ergänzen, das ihnen von Tierpflegern gebracht wird. Für deren Job muss man Mut haben, Unfälle sind nicht ausgeschlossen. Wer sich ruhigere Arbeitsbedingungen wünscht, arbeitet besser bei der anderen Attraktion der Stadt: der Basilika Notre-Dame-de-la-Paix (Unserer Lieben Frau des Friedens).
Die Basilika ist nicht zu übersehen. Ihre 158 Meter hohe Kuppel überragt die Stadt. Das höchste katholische Bauwerk, der zweithöchste Kirchturm der Welt; nur der Westturm des Ulmer Münsters ist mit 162 Metern noch höher, doch das ist ein evangelisches Gotteshaus. Mit einer Kapazität von insgesamt 18 000 Gläubigen zählt die Notre-Dame-de-la-Paix zu den größten Sakralbauten weltweit. Ein gigantisches Monument, mitten in der Savanne.
- Anreise: Zum Beispiel mit Air France via Paris nach Abidjan, weiter mit Bus (www.mtick.ci) oder Mietauto. Tageshöchsttemperatur ganzjährig um 30 Grad, nachts selten kühler als 20 Grad.
- Einreise: Ein Visum kann vor der Einreise bei der Botschaft der Republik Côte d’Ivoire oder – bei vorheriger Online-Beantragung – bei Einreise ausgestellt werden.
- Übernachten: Nur wenige online buchbar, meist per Mail oder Telefon.
Hotel President: hotelpresident.ci/fr
Hotel Florence: hotelflorencefirenze.com - Weitere Infos:
yamoussoukro.district.ci (nur auf Französisch, Übersetzerfunktion des Browsers nutzen!)
Sie wird für immer an den gottesfürchtigen Präsidenten Houphouët-Boigny erinnern. Ihr Bau kostete 40 Milliarden CFA-Francs, nach heutigem Umrechnungskurs 61 Millionen Euro. Eine Wahnsinnssumme schon damals, doch der Präsident fand das in Ordnung: »Gott braucht kein Haushaltsbuch«, empörte er sich kurz vor der Einweihung im Jahr 1989 gegenüber der französischen Tageszeitung »Le Monde«.
Während des Baus demonstrierten Jugendliche unter dem Motto »Weniger Kirchen und mehr Fabriken!« Selbst der Vatikan, für den die Basilika eigentlich bestimmt war, zögerte, bevor er das Geschenk annahm. Papst Johannes Paul II. verlangte, dass parallel dazu soziale Projekte entwickelt werden sollten. Daraus resultierte ein Krankenhaus, das jedoch erst im Jahr 2015 eröffnet wurde.
»Hier befinden Sie sich aber nicht in Côte d’Ivoire, sondern direkt im Vatikan, denn die Basilika gehört offiziell zu Rom«, lächelt ein Arbeiter, der den marmornen Vorplatz fegt. Dann beginnt der Rundgang: »Der Bau begann 1986 und wurde drei Jahre später fertiggestellt. Der Präsident war damals schon krank. Hätte er später angefangen, wäre es schwierig für ihn gewesen, von der Basilika zu profitieren«, erzählt Fulgence Kouassi, der als Guide bei der Basilika arbeitet. Mehrmals am Tag leitet der junge Ivorer Touristengruppen durch das Gebäude. Er hat viel zu tun: »Unsere Besucher stammen aus dem ganzen Land, der westafrikanischen Region und der ganzen Welt. Es kommen viele Ivorer, die nach Frankreich oder Amerika ausgewandert sind.«
Eine davon ist die 47-jährige Claudine. Sie stammt ursprünglich aus Abidjan, lebt aber seit 20 Jahren bei Paris. Anfang 2024 genießt sie ihren Urlaub bei ihrer Familie in der Heimat. »Das ist mein zweiter Besuch hier«, erzählt sie. »Das erste Mal war ich noch ein Kind, da waren wir auf Klassenfahrt.« Claudine ist keine strenge Katholikin, jedoch gefällt ihr die Ruhe, die sie in dem Gotteshaus findet. »Ich sehe diese Basilika als ein Symbol für unser Land. Wenn ich dort bin, habe ich wirklich das Gefühl, zu Hause zu sein.« Der Führer Kouassi ergänzt: »Fast die Hälfte der Bevölkerung ist muslimischen Glaubens. Das hindert die Menschen jedoch nicht daran, die christliche Basilika zu besuchen. Für sie ist es wie ein Museumsbesuch. Und wir freuen uns, sie willkommen zu heißen.«
Unserer Lieben Frau des Friedens: Diesen Namen trägt die Basilika zu Recht, insbesondere nach jenem schlimmen Jahrzehnt Bürgerkrieg, der 2011 endete. Ein Zeichen der nationalen Versöhnung findet man in der Statue Notre-Dame-de-Tout-le-monde (Unserer Lieben Frau von jedem), auch die »Statue des Häftlings« genannt. Fulgence Kouassi erzählt gern dessen Entstehungsgeschichte: »1992: Im Gefängnis von Bouaké, 100 Kilometer von hier entfernt, erschien einem muslimischen Häftling in einem Traum die Jungfrau Maria. Daraufhin beschloss er, sie zu ehren und schnitzte ihr Abbild in eine Teakholzstatue, bevor er sie der Basilika schenkte.«
Präsident Houphouët Boigny soll von der Geschichte so gerührt gewesen sein, dass er den Gefangenen begnadigte. »Wissen Sie, was die Statue so besonders macht?«, fragt Kouassi. »Nun, wenn Sie sie aus der Nähe betrachten, sieht die Jungfrau traurig aus. Aber wenn Sie zurücktreten, lächelt sie wie von Zauberhand!«
Im Gegensatz zu traditionellen Kirchen sind die 7000 Sitzplätze der Basilika kreisförmig um den Hauptaltar angeordnet. Alle tragen eine Nummer und nur einer bleibt dauerhaft unbesetzt. Und das aus gutem Grund: Es war der Platz von Präsident Houphouët. Ein Tourist setzt sich dennoch darauf, um die kleine Messingtafel zu lesen, die Le Vieux ehrt. »Herzlichen Glückwunsch Monsieur, jetzt werden Sie der nächste Präsident der Republik Elfenbeinküste«, scherzt der Führer, der ihn begleitet.
Dies ist nicht das einzige Zeichen des Ex-Präsidenten, das man in der Basilika findet. Auch auf einem Kirchenfenster, das den Einzug von Jesus in Jerusalem zeigt, ist er abgebildet. Größenwahn? Ganz im Gegenteil, behauptet Fulgence Kouassi: »Dies ist eine Anspielung auf das Mittelalter. Damals war es üblich, dass die Erbauer von Kathedralen sowie diejenigen, die sie finanzierten, auf den Glasfenstern abgebildet waren. Aus diesem Grund ist neben dem Präsidenten auch der Architekt Pierre Fakhoury zu sehen.«
Für die letzte Etappe des Besuchs geht es in den Aufzug, der in einer der zwölf Säulen des Kirchenschiffs versteckt ist. Oben angekommen, geht es auf eine Dachterrasse. Man kann von dort aus das 130 Hektar große Areal überblicken, auf dem die Basilika errichtet wurde. In Richtung Westen sieht man, was von der Kokosnussplantage des Präsidenten übriggeblieben ist. Die Sonne geht unter. Am Horizont erheben sich das Gebäude der Félix-Houphouët-Boigny-Stiftung und die großen Hotels. Die Luxusherbergen bleiben an diesem Abend allerdings weitgehend leer. Denn die meisten Yamoussoukro-Besucher kehren auf der modernen Mautautobahn lieber nach Abidjan zurück. Das Nachtleben dort ist viel lebhafter als im ehemaligen Dorf des Präsidenten. Samt seiner imposanten Basilika wartet Yamoussoukro immer noch auf ein göttliches Wunder: Eine Stadt zu werden, die mehr als nur ein Wochenendziel ist.
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