Hauptthema »Ausländerkriminalität«

Polizeidaten zu Straftaten 2023: Fachleute kritisieren Methodik

Die Zahl der von der Polizei in Bund und Ländern registrierten Straftaten ist im vergangenen Jahr um 5,5 Prozent auf knapp sechs Millionen gestiegen, den höchsten Wert seit 2016. Das ist zentraler Befund in der am Dienstag veröffentlichten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2023.

Auffällig der Stellenwert, der der Kriminalität von »Nichtdeutschen« beigemessen wird, womit alle Tatverdächtigen ohne deutschen Pass bezeichnet werden. Ihr Anteil an den angezeigten Personen lag im vergangenen Jahr bei 41 Prozent. Rechnet man sogenannte aufenthaltsrechtliche Verstöße heraus, also etwa Missachtung von Wohnsitzauflagen, beträgt die Quote noch 34,4 Prozent – und der Anstieg der angezeigten Delikte 4,4 Prozent.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) präsentierte die Statistik zusammen mit ihrem Brandenburger Amtskollegen Michael Stübgen (CDU), derzeit Chef der Innenministerkonferenz, und Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamts (BKA). Laut dem Jahresbericht wurden insgesamt 2,247 Millionen Tatverdächtige erfasst. Das sind 7,3 Prozent mehr als 2022.

Die Zahl der angezeigten Gewalttaten stieg laut PKS um 8,6 Prozent auf 214 000 Fälle und damit so viele wie zuletzt 2007. Es wurden 17,4 Prozent mehr Fälle von Raub und 10,7 Prozent mehr Diebstähle registriert. Die Zahl schwerer Gewaltdelikte wie Mord, Totschlag oder Vergewaltigung stieg indes nur minimal. Die Zahl der Wohnungseinbrüche stieg um 18 Prozent, lag aber damit noch unter Vor-Corona-Niveau.

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Brandenburgs Innenminister Stübgen sprach sich angesichts der Zahlen für eine »Migrationsobergrenze« aus. Denn: »Deutschland ist am Integrationslimit.« Deshalb dürfe nur eine begrenzte Zahl von Schutzsuchenden aufgenommen werden. Eine solche Obergrenze hatten in den letzten Wochen bereits CDU-Chef Friedrich Merz, Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer und andere gefordert – und sie auf etwa 60 000 Personen jährlich beziffert. Dafür wollen sie erneut die im Grundgesetz verankerten Rechte Schutzsuchender einschränken.

Der Landesminister betonte gleichwohl: »Den Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger schönzureden ist genauso schädlich wie ein Generalverdacht gegen Ausländer.« Es gelte Faktoren wie das Alter der Verdächtigen und ihre sozialen Verhältnisse ebenso wie Gewalterfahrungen im Herkunftsland »individuell zu betrachten«. Zugleich stellte Stübgen klar, dass es »keinen Anspruch auf Schutz und Hilfe« gebe, »wenn man Straftaten begeht«. Die Bundesregierung müsse noch weitaus mehr unternehmen, um Herkunftsländer zur Umsetzung ihrer Pflicht zur Rücknahme ihrer Staatsbürger zu verpflichten und mehr Staaten als sichere Herkunftsländer auszuweisen.

Zuvor hatte Faeser bereits ihre Bemühungen und Erfolge im Bereich der Bekämpfung der »irregulären« Migration hervorgehoben, die sie offenbar auch als Beitrag zur Senkung der Zahl der Straftaten sieht. Sie erinnerte an »das große Abschiebepaket«, das sie auf den Weg gebracht habe. Bei einem Anstieg um 14,5 Prozent bei der Zahl der nichtdeutschen Tatverdächtigen bei Gewaltdelikten gelte das Prinzip der »Nulltoleranz«, betonte die SPD-Politikerin: »Wer sich nicht an die Regeln hält, muss gehen.« Die restriktiveren Abschieberegeln etwa für Straftäter seien in Kraft, und sie sei »sicher, dass die hierfür verantwortlichen Länder die Möglichkeiten umfassend nutzen«. Es gehe aber »natürlich auch um Prävention« durch Integrationskurse und vieles mehr.

Anders als insbesondere Stübgen war BKA-Chef Münch bemüht, die Daten sachlich einzuordnen. Für den Anstieg bei den Straftaten machte er maßgeblich die Aufhebung der letzten mit der Corona-Pandemie zusammenhängenden Einschränkungen mit verantwortlich. Er verwies dabei auch auf die starken psychischen Spätfolgen, die diese insbesondere für Kinder und Jugendliche haben.

Münch sieht drei zentrale Faktoren für den Anstieg der Verdächtigenzahlen: die »wirtschaftliche Belastungssituation« großer Teile der Bevölkerung infolge der Inflation, die auch Gewalt gefördert habe; die starke Zuwanderung innerhalb kurzer Zeit und deren »Dynamik«; drittens die nach Ende der Pandemie wieder weitaus stärkere Bewegung von Menschen »im öffentlichen Raum« und mehr Gelegenheiten für Diebstahl und Konflikte. Er betonte außerdem, dass sich bei Gewaltdelikten auch »auf der Opferseite sehr viele Zugewanderte« befinden. Diese hätten auch viel mit der angespannten Situation in überfüllten Sammelunterkünften zu tun.

Während Faeser am Dienstag hervorhob, dass Deutschland trotz des Anstiegs der gemeldeten Delikte »eines der sichersten Länder der Welt« sei, machten insbesondere Politiker der Unionsparteien und der AfD mit Hilfe der veröffentlichten Daten Stimmung gegen die amtierende Bundesregierung. So erklärte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings, mit der Ampel-Koalition sei »Deutschland unsicherer geworden«. Ihre »Arbeitsverweigerung« sei ein Skandal.

Studien zeigen unterdessen, dass Menschen eine Tat viel eher zur Anzeige bringen, wenn sie vermuten, dass der mutmaßliche Täter nicht deutsch und das Opfer deutsch ist. Kriminologen stellten weiterhin fest, dass die Fall- und Verdächtigenzahlen in ökonomisch schwächeren Regionen höher als in wohlhabenden sind.

Experten halten die PKS generell für ungeeignet zur Einschätzung des Kriminalitätsgeschehens. Der Kieler Kriminologe Martin Thüne meint, die PKS sei bei der Erfassung ausländischer Verdächtiger »systematisch verzerrt«. So werde »die Zahl von ausländischen Tatverdächtigen regelmäßig ins Verhältnis gesetzt zur ausländischen Wohnbevölkerung – also zum Beispiel 40 Prozent an den Tatverdächtigen bei nur 15 Prozent in der Gesamtbevölkerung«, sagte er der »Frankfurter Rundschau« (Mittwochsausgabe). Dabei seien viele Delikte von Verdächtigen erfasst, die gar nicht in Deutschland leben, darunter Touristen, Grenzpendler und Stationierungskräfte.

Der Strafrechtsprofessor Tobias Singelnstein betont, die PKS spiegele nur wieder, »was die Polizei sehen kann und erfassen will«. Sie werde »behandelt wie der Goldstandard der Kriminalitätsmessung«, sagte Singelnstein der »Zeit«. Sie sei aber »nur der Blechstandard«. Seiner Ansicht nach werden etwa Vorfälle in Unterkünften für Geflüchtete wegen der höheren »Kontrolldichte« viel häufiger angezeigt als etwa in einem gewöhnlichen Mietshaus.

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