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Polizei löst Palästina-Kongress in Berlin auf

Verein »Jüdische Stimme« kritisiert Verbot der Veranstaltung

  • Simon Zamora Martin
  • Lesedauer: 4 Min.

»Noch nie in der Geschichte wurde ein Genozid live im Fernsehen übertragen«, erklärte am Freitag der per Videoübertragung zugeschaltete Salman Abu Sitta bei dem in Berlin begonnenen Palästina-Kongress. Von Freitag bis Sonntag wollten sich laut Veranstalter*innen rund 1000 Menschen treffen, um »die deutsche Beteiligung am Völkermord in Gaza« anzuklagen und sich zu vernetzen.

Doch gut 30 Minuten nach dem verspäteten Start der Konferenz stürmte die Polizei die Bühne und verbot die Versammlung. Der Abbruch wurde im Internet live übertragen. Die Leute im Saal wurden aufgefordert, das Gelände zu verlassen. Auch jüdische Teilnehmer wurden von der Polizei abgeführt.

Schon im Vorfeld war der Druck auf die Initiator*innen enorm. Politiker*innen von CDU bis Linke warfen ihnen Antisemitismus vor, weil sie Israel des Völkermords an den Palästinenser*innen beschuldigen und Redner wie Salman Abu Sitta einluden. Der 87-Jährige hatte im Januar einen Artikel veröffentlicht, in dem er anhand der Vertreibungsgeschichte seiner Familie Verständnis für den Überfall der Hamas am 7. Oktober äußerte und leugnete, dass Palästinenser Kriegsverbrechen in Israel begangen haben. Wenn er jünger wäre, hätte er im Oktober unter denen Hamas-Kämpfern sein können, die in Israel nach Israel eindrangen, erklärte Abu Sitta. Damals waren mehr als 1200 Menschen ermordet und viele entführt worden.

Das Boulevardblatt »BZ« titelte: »Antisemiten planen Hass-Gipfel.« Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« zog sogar Parallelen zur Wannseekonferenz, auf der die deutschen Faschisten 1942 die sogenannte Endlösung der Judenfrage abstimmten. Repressionen richteten sich jetzt vor allem gegen den Verein »Jüdische Stimme für Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten«, der den Kongress maßgeblich mitorganisierte. So wurde das Konto des Vereins bei der Berliner Sparkasse beschlagnahmt, auf dem Spenden für den Kongress gesammelt worden waren.

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Nadja Samour, Anwältin des Palästina-Kongresses, berichtete auf einer Pressekonferenz am Sonnabend, dass von der Polizei gegen einzelne Teilnehmer*innen der Konferenz ein »Kontaktverbot mit der ›Jüdischen Stimme‹« ausgesprochen wurde. Der Vereinsvorsitzende Wieland Hoban warf der Polizei »Mafia-Methoden« vor, da sie dem Eigentümer des Veranstaltungsortes gedroht habe, er würde seine Existenz zu verlieren, falls er den Palästina-Kongress nicht absage. Abgesagt wurde der Kongress jedoch nicht, stattdessen mit der Begründung untersagt, dass sich »antisemitische, gewaltverherrlichende und den Holocaust verleugnende Redebeiträge bei der Veranstaltung wiederholen könnten«. So zitierte die Wochenzeitung »Die Zeit« eine Polizeisprecherin.

Zu solchen Aussagen ist es in den lediglich zwei Redebeiträgen bis zum erzwungenen Abbruch des Kongresses nicht gekommen. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) begründet die Polizei das Verbot auch anders: Demnach sei der Grund gewesen, dass es gegen den Redner Salman Abu Sitta ein politisches Betätigungsverbot gebe und zu erwarten sei, dass per Video ein weiterer Redner zugeschaltet werden könnte, der sich in der Vergangenheit antisemitisch geäußert habe.

Anwältin Samour rügte das Vorgehen der Polizei scharf. »Noch am Morgen wurde die Redner*innenliste mit der Polizei besprochen und bestätigt«, sagte sie. Dabei sei nicht mitgeteilt worden, dass für Salman Abu Sitta ein politisches Betätigungsverbot vorliege, wie die Polizei nun behauptet. Samour wies darauf hin, dass die Hürden für ein Verbot von Versammlungen im nichtöffentlichen Raum sehr hoch seien.

Einem weiteren eingeladenen Redner, dem in Großbritannien lebenden Ghassan Abu Sittah, war die Einreise nach Deutschland verweigert worden. Der Mediziner und Rektor der Universität Glasgow war von deutschen Medien interviewt worden, nachdem er mit einer Delegation der Organisation »Ärzte ohne Grenzen« im Gazastreifen gewesen war. Die deutschen Behörden sollen ihn nun außerdem davor gewarnt, online an der Konferenz teilzunehmen, weil er sich damit strafbar mache, berichtete die Tageszeitung »Taz«.

»Während Deutschland den Genozid unterstützt, werden hier demokratische Rechte ausgehebelt, um uns zum Schweigen zu bringen«, kritisierte Wieland Hoban vom Verein »Jüdische Stimme«.

Dagegen meinte Stephan Weh von der Gewerkschaft der Polizei: »Das konsequente Durchgreifen unserer Kolleginnen und Kollegen ist ein starkes Zeichen in Richtung derer, die unsere Demokratie ausnutzen oder an der Durchsetzungskraft der Hauptstadtpolizei zweifeln.«

Am Samstag demonstrierten bis zu 1900 Menschen gegen die Auflösung des Kongresses. Das erfolgte nach Angaben der Polizei weitgehend störungsfrei. Es waren Parolen zu hören wie »Viva, viva Palästina« und »Israel bombardiert – Deutschland finanziert«. In der Nähe postierte sich eine kleine Gruppe mit israelischen Fahnen. Rund 900 Polizisten waren im Einsatz, zum Teil aus Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammengezogen. Mit dpa

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