Massenunterkünfte für Geflüchtete: Gekommen, um zu bleiben

Berlins Senat verspricht modulare Flüchtlingsunterkünfte – setzt vorerst aber weiter auf Container und Co.

»Die Aufgabe wird nicht leichter«, stellte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) im Anschluss an die Senatssitzung am Dienstag fest. Und er nannte Zahlen: Zwischen 15 000 und 20 000 Geflüchtete erwartet das Land Berlin für das laufende Jahr – Menschen, die untergebracht werden wollen. Erst vor Kurzem hatte der Senat beschlossen, 16 neue Unterkünfte mit bis zu 6130 Plätzen bis spätestens 2026 zu errichten.

Sie reichen aber nicht aus. »Es gibt da einen Gap. Wir brauchen weitere Standorte«, sagte Wegner. Als Lösungsansatz stellt der Senat zusätzliche, qualitativ hochwertige Bauten in Aussicht, die auch für eine längerfristige Nutzung geeignet sein sollen. Der Haken: Bis Jahresende wird es voraussichtlich nicht möglich sein, genügend dieser modularen Unterkünfte (kurz MUFs) zu errichten. Dem Regierenden zufolge bleiben Großunterkünfte und Container-Lösungen also vorerst unverzichtbar.

»Der Senat hat immer noch keinen nachhaltigen Plan, geschweige denn ein Unterbringungskonzept«, kritisiert Jian Omar, migrationspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus. Angesichts der Berliner Mietenkrise sei die Nutzung von Containerunterkünften kurzfristig zwar unverzichtbar. Doch der Senat lasse zugleich das 2018 gestartete Programm zum Ausbau der MUFs schleifen. »Wir wären jetzt fertig mit dem Programm und hätten Tegel und Tempelhof gar nicht erst gebraucht.« Mit Blick nach vorn müsse man jetzt mit den landeseigenen Wohnungsunternehmen über den Umgang mit Geflüchteten sprechen. Viele Geflüchtete hätten zwar die Berechtigung für eine Sozialwohnung, fänden aber trotzdem keine.

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Neben Omar vermisst auch Elif Eralp, die Migrationsexpertin der Linksfraktion, einen weitsichtigen Plan des Senats. »Wir erwarten vom Senat, dass er ein langfristiges Konzept vorlegt, wie er den Menschen Zugang zu Wohnungen verschaffen will«, sagt Eralp »nd«. In den Großunterkünften wie Tegel, sagt sie, sei man nach wie vor weit von den Qualitätsstandards der Einzelunterkünfte entfernt. »Der Senat setzt auf Massenunterkünfte in der Hoffnung, man werde die Leute bald wieder los.«

Der Berliner Flüchtlingsrat zeigt sich gegenüber »nd« besorgt. »Seit Jahren bewegt sich Berlin ausschließlich im angeblichen Notfallmodus«, kritisiert Sprecherin Emily Barnickel. Es sei an der Zeit, den sozialen Wohnungsbau an die erste Stelle der Agenda zu setzen. »Flucht und Migration wird es immer geben. Sich da auf Legislaturperioden auszuruhen, ist fatal.« Stattdessen würden Menschen in immer wieder neu geschaffenen temporären Unterkünften untergebracht, die dann doch zehn Jahre stehen blieben.

Zudem werden laut Flüchtlingsrat die Zuständigkeiten durcheinandergebracht. Diejenigen, die in den Großunterkünften am längsten leben, seien häufig schon aufenthaltsberechtigt. Meist handele es sich um Ukrainer*innen. »Originär fallen die gar nicht in die Zuständigkeit des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten, sondern in die Zuständigkeit der Sozialämter der Bezirke«, erklärt Barnickel. Trotzdem müsse das Landesamt Menschen weiter in Containern unterbringen, weil es keinen Wegzug aus den Unterkünften gebe.

Auch die Beschäftigungsverhältnisse, vor allem in den Massenunterkünften, sorgen für Kritik. In einem Schreiben, das »nd« am Mittwoch vorliegt, fordern Sozialarbeiter*innen vom Solidaritätstreff Soziale Arbeit Neukölln höhere Beschäftigungsstandards. »Haushaltskürzungen, Fachkräftemangel, hohe Fallbelastung und Projektbefristungen belasten die Qualität unserer Arbeit stark«, heißt es dort. Zudem würden Kosteneinsparungen und Wettbewerb zwischen den Trägern aktiv herbeigeführt, was eine Entprofessionalisierung der Sozialen Arbeit zufolge habe.

Im Zentrum des Schreibens steht auch hier die Situation im Ankunftszentrum Tegel, in dem zwischen 5000 und 6000 Menschen untergebracht sind. Sie kostet Medienberichten zufolge rund 1,17 Millionen Euro am Tag.

Sozialsekretär Aziz Bozkurt (SPD) hatte jüngst angegeben, dass mit derartigen Summen jeden Monat 500 Menschen nach sozialen Wohnungsbaustandards untergebracht werden könnten. Zugleich, kritisieren die Sozialarbeiter*innen, würden in ihrem Bereich die Mittel gekürzt: »Soziale Arbeit verkommt zur reinen Notfallversorgung.«

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