Der Berliner Senat will das Beschäftigtenwohnen ausbauen

Wohnen ist Standortfaktor: Um potenzielle neue Beschäftigte nach Berlin zu ziehen, weill der Senat bauen

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.
Baut sonst Studentenwohnungen: Die landeseigene Berlinovo soll für das Land Berlin Beschäftigtenwohnungen bauen.
Baut sonst Studentenwohnungen: Die landeseigene Berlinovo soll für das Land Berlin Beschäftigtenwohnungen bauen.

Blickt man allein auf die Lohnentwicklung in Berlin, dann waren die vergangenen zehn Jahre eine Erfolgsgeschichte. Doch die Entwicklung der Mietpreise in der Bundeshauptstadt schmälert jede Lohnerhöhung. Gerade wer eine neue Wohnung sucht, muss tief in die Tasche greifen – wenn man denn überhaupt eine findet.

Um 18,3 Prozent ist allein im vergangenen Jahr die Angebotsmiete bei Wohnungsinseraten in Berlin gestiegen. Das ergab der zuletzt vorgestellte Wohnmarktreport der Bank Berlin Hyp und des Immobiliendienstleisters CBRE. Wohnen ist dabei längst ein Standortfaktor geworden. Bekannt sind die Berichte aus München, wo Erzieher, Krankenschwestern oder Pflegekräfte keine Wohnung mehr finden. Ein existenzielles Problem für das Funktionieren von Städten. Doch in München wird seit einigen Jahren gegengesteuert.

Die Stadtwerke München haben schon vor Jahren angefangen, Wohnungen für ihre Beschäftigten zu bauen. 1400 solcher Werkswohnungen gibt es bereits, bis zum Ende des Jahrzehnts sollen es 3000 werden. Auch die Gesellschaft des Flughafens München baut Mitarbeiterwohnungen. Und für Polizisten und andere Bedienstete des Freistaates Bayern stellt die Stadibau, ein Unternehmen des Freistaats Bayern, Wohnungen bereit.

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Auch Berlin will künftig auf das Beschäftigtenwohnen setzen. »Für das Land Berlin als Arbeitgeber sind deutlich mehr Wohnungen für Beschäftigte ein wichtiges Ziel. Im Wettbewerb um die besten Köpfe ist das Beschäftigtenwohnen für viele Bewerber ein nicht zu unterschätzender Entscheidungsfaktor«, sagte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) kürzlich.

Im öffentliche Dienst sind derzeit mehrere Tausend Stellen unbesetzt. Mit der Pensionswelle der nächsten Jahre steht der öffentliche Dienst vor einer großen Herausforderung. Allein bei der Feuerwehr kommt die Hälfte der Berufsanfänger aus anderen Bundesländern, bei der Polizei ist es ein Drittel des Nachwuchses. Ohne ein entsprechendes Wohnungsangebot würden sich potenzielle Fachkräfte womöglich gegen eine Anstellung in Berlin entscheiden, so die Befürchtung des Senats.

Bei der Vorstellung des Personalentwicklungsprogramms im August 2023 hatte Finanzsenator Evers angekündigt, dass bis Ende des Jahres ein Konzept zum Beschäftigtenwohnen vorgelegt werde. Statt eines fertigen Konzepts folgte nun Mitte April erst einmal die Verständigung, eine Koordinierungsstelle für den Bau von Beschäftigtenwohnungen einzurichten. Gebaut werden sollen die Wohnungen von der landeseigenen Berlinovo. »Schon heute vermietet die landeseigene Berlinovo rund 5500 Wohneinheiten an unsere Beschäftigten. Bis 2028 soll diese Zahl noch um weitere 1000 Wohneinheiten ansteigen«, so Evers.

Die Berlinovo hat mit dem Wohnungsbau für Beschäftigte bereits Erfahrung. Vergangenes Jahr stellte sie beispielsweise in Pankow 76 Apartments für die Charité fertig, in der vor allem ausländische Fachkräfte untergekommen sind. Um die Qualität in der Krankenversorgung aufrechtzuerhalten, bräuchte es ausländische Pflegekräfte. »Als ein kritischer Faktor hat sich dabei die schwierige Wohnraumsituation in Berlin erwiesen. Inzwischen hat sich dies in Ballungsräumen als Wettbewerbsfaktor in der Rekrutierung von Fachpersonal, insbesondere von Pflegekräften aus dem Ausland, entwickelt«, sagte Astrid Lurati, Vorständin der Charité bei der Eröffnung.

Erst im Januar feierte die Berlinovo in Spandau Richtfest für ein Quartier, in dem künftig Senioren- und Beschäftigtenwohnen kombiniert werden sollen. Solche Ansätze sind nicht neu. Im bayerischen Landshut hatte die Stadt einen Wohnkomplex gebaut für einerseits Alleinerziehende, die in Pflegeberufen tätig sind, sowie für Tagesmütter. Die Tagesmutter hat von ihrer Wohnung aus einen Zugang zu der anderen Wohnung, sodass bei frühem Schichtbeginn in der Pflege eine Betreuung des Kindes gewährleistet ist.

Bereits der rot-grün-rote Vorgängersenat hatte sich vorgenommen, »auf un- oder untergenutzten Flächen landeseigener Betriebe oder anderer öffentlicher Institutionen« Beschäftigtenwohnungen zu bauen. Dazu sollte auch ein Modellprojekt am Standort einer Feuerwehr in Hellersdorf gestartet werden. Unter dem aktuellen Senat aus CDU und SPD wird dieses Projekt nicht weitergeführt. Grund sind Konflikte mit dem Immissionsschutz. Auch müssten Flächen übertragen werden, um die Wohnbebauung auch verkehrlich erschließen zu können, so Innen-Staatssekretär Christian Hochgrebe (SPD) in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Kristian Ronneburg (Linke) aus dem Februar.

Aber nicht nur die Kommunen und Länder setzen auf Beschäftigtenwohnungen. Auch die private Wirtschaft will damit Fachkräfte gewinnen. So hat die Fachgemeinschaft Bau, die Vertretung der mittelständischen Baubetriebe, in Wilmersdorf ein Mehrfamilienhaus gebaut, in dem die Mitgliedsunternehmen Wohnungen an ihre Beschäftigten vermieten können.

Die Formen, die Unternehmen für die Werkswohnungen wählen, sind dabei sehr unterschiedlich. Einerseits gibt es Firmen, die dafür ein Tochterunternehmen gründen. Ein anderes Modell ist, von einem externen Wohnungsunternehmen als Generalmieter Wohnungen anzumieten. Ein interessantes Konstrukt wird auch in Spandau an der Havelschanze genutzt. Hier haben sich Unternehmen zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen und bauen ein Mitarbeiterwohnungsquartier. Beteiligte Unternehmen erhalten Belegungsrechte für ihre Mitarbeiter. »Wir haben uns auch für die Rechtsform Genossenschaft entschieden, um die Wohnungen zu schützen. Eine Werkswohnung im Unternehmensbesitz kann verkauft werden. Wenn bei uns ein Unternehmen als Mitglied die Genossenschaft verlässt, entfällt auch das Belegungsrecht für die Wohnungen«, erklärte Peter Diedrich das Modell gegenüber »nd«.

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