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Werbeslogans: Qualität ist kein Zufall
Nachdenken über den Treibstoff des Kapitalismus: Der Werbeslogan
Wann immer ich am Berliner Großmarkt vorbeifahre, stoße ich auf dieses riesige Schild eines Zerlegebetriebs, auf dem in riesigen Lettern zu lesen ist: »Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt und nicht die Ware!«
Oha, das ist nicht so platt wie vieles andere, was man täglich zu sehen bekommt. Ich stelle mir vor, dass nicht irgendeine Marketing-Klitsche in Mitte diese Reklame erfunden hat, die sich durch Hafermilch-Konsum bei kreativer Laune hält, sondern Günther von der Abteilung Kasseler-Produktion, der sich die eintönige Arbeit mit Überlegungen zur Werbewirksamkeit abwechslungsreicher gestaltet.
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Aber jetzt ist die Werbung vom Fleischgroßhändler passé. Ich schaue auf die weiße Tüte vom Gemüseladen Öztürk in der Müllerstraße, die seit Jahren vergessen in einem Regal gelegen hat. In einem grünen Rund steht in weißer Schrift: »Qualität ist kein Zufall«. Ich brauche einen Moment, bis ich die Botschaft verstehe. Ein sperriger Augenblick, der alles beiseitewischt, was ich in den letzten Jahrzehnten an Werbesprüchen aufgenommen habe. Welch einen erhabenen Text meine Augen da lesen, eine Schönheit in vier Worten. Pragmatisch, ohne jedes unhaltbare Versprechen. Gemüse kann verdorben sein, weil das so ist mit der Natur oder dem Qualitätsmanagement im Großmarkt, und das hat der Kunde gefälligst zu akzeptieren.
Kein aufgebauschtes »Riesen Qualität«, »Mega Qualität« oder »Nach DIN 5678 zertifizierte Spitzen-Qualität unserer Bio-Bauern aus dem Auenland, handgesät und handgeerntet, direkt in die kompostierbare Rindenschale« – und man ist trotzdem voll des Misstrauens, weil im Kassenbereich ständig Plakate mit Rückrufaktionen hängen. Im Gemüseladen Öztürk dagegen nimmt der Kunde die schimmlige Tomate als natürlich hin und zeigt sie an der Kasse vor. Die Kassiererin sortiert die verdorbene Frucht aus und sagt: »Herr Öztürk persönlich wird sie im Schillerpark einpflanzen und hegen, damit aus dem Samen ein neues Gewächs entsteht, auf dass neue, unverdorbene Tomaten unseren Anblick und Appetit erfreuen.« Und der Kunde lächelt selig, haucht ein »Ja, so soll es sein« und ist beschwerdefrei.
Gab es einen Konflikt im Hause Öztürk? Wollte der Sohn, frisch ausstudiert von der Marketing-Universität, eine Offensive starten, um der beste Gemüseladen der Welt zu werden? U-Bahn, Flyer, Radio und Fernsehen? Wollte er ein Logo entwerfen lassen in Schriftgröße 72, mit Fettdruck, Ausrufezeichen, Doppelpunkt, Krone, Pfeile und so weiter und so fort? Und der Vater rieb sich nachdenklich das Kinn, um schließlich zu verkünden: »›Qualität ist kein Zufall‹ ist doch alles, was nötig ist. Und wir schreiben es auf die Tüte drauf«? Eine weise Entscheidung, denke ich, während ich den Spruch wieder und wieder studiere und seinen Charme auf mich wirken lasse. Ich sollte bei Öztürk mal einkaufen gehen. Vielleicht erwische ich ja was Gammeliges und werde darauf hinweisen. Gut möglich, dass ich dann an der Kasse das zu hören bekomme, was ich mir vorgestellt habe.
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