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Test für Irlands Regierung
Sinn Féin will Platz als Nummer Eins festigen
Knapp sechs Wochen vor den Wahlen zum Europäischen Parlament hat der Wahlkampf noch nicht richtig begonnen. Auf den Websites der im Parlament vertretenen Parteien ist das Suchen nach Informationen zu den EU-Kandidaten oft mühsam. Dabei ist für Regierung und Opposition der 7. Juni ein wichtiger Wahltermin.
Im März war Regierungschef Leo Varadkar von der konservativen Regierungspartei Fine Gael (FG) überraschend zurückgetreten. Der Grund: Die Regierung hatte aufgrund schlechter Kampagnen zwei wichtige Verfassungsreferenden verloren. Damit sollten rückschrittliche Paragrafen, die die Rolle der Frauen in wirtschaftlicher Abhängigkeit ihres Ehemanns festschreiben und Familie als ausschließlich aus Mann, Frau und Kindern bestehend definieren, abgeändert werden.
Varadkars Rücktritt stürzte seine konservativ-grüne Dreierkoalition aus FG, Fianna Fáil (FF) und den Grünen in eine Krise. Im April folgte auf Varadkar der junge, bisherige Wissenschaftsminister Simon Harris als Regierungschef. Für Harris ist die Wahl eine Bewährungsprobe. Erhalten die Regierungsparteien bei den EU-Wahlen und den am selben Tag stattfindenden Lokalwahlen eine Klatsche, dürfte dies vorgezogene Parlamentswahlen nach sich ziehen.
Im Juni wird in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union über ein neues EU-Parlament abgestimmt. Dabei zeichnet sich ab, dass rechte Parteien an Einfluss gewinnen könnten. Was ist eine linke Antwort darauf? Und wie steht es um die Klimapolitik der EU? Welche Entwicklungen gibt es in Hinblick auf Sozialpolitik und was ist im Bereich der europäischen Asyl- und Migrationpolitik zu erwarten? Die anstehende Europawahl wird richtungsweisend. Auf unserer Themenseite fassen wir die Entwicklungen zusammen: dasnd.de/europawahl
Dies will die linksrepublikanische Sinn Féin (SF) ausnutzen und ihre starken Umfragewerte nun auch in klare Wahlsiege ummünzen. Die detaillierteste Wahlumfrage stammt aus dem Februar und untermauert das Bild: Laut »The Journal«/Ireland Thinks beabsichtigen über ein Viertel der Wähler, einem SF-Kandidaten ihre erste Präferenz bei der bevorstehenden Europawahl zu geben – in Irland können mehrere Stimmen mit unterschiedlicher Gewichtung abgegeben werden. Für FF und FG wollen jeweils 19 Prozent stimmen. Stark schneiden wie traditionell bei Wahlen zum Europäischen Parlament in Irland unabhängige Kandidaten ab, denen 16 Prozent ihre Stimme geben wollen.
Laut Erhebungen sehen die Iren die EU positiver als die Befragten in anderen EU-Ländern. Auch glauben sie, dass sich die EU in die richtige Richtung entwickelt. Kritisch sehen sie dagegen die fortgesetzte militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine und dass keine klare Israel-kritische Position im Zusammenhang mit dem aktuellen Krieg in Gaza eingenommen wird. Ihre außenpolitischen Positionen könnten daher SF und linken, unabhängigen Kandidaten Wahlsiege ermöglichen.
Im vergangenen Jahr hatte die Regierung versucht, durch ein »Sicherheitsforum« die Stimmung der Bevölkerung in Richtung Nato-Beitritt zu drehen. Dies gelang nicht: Alle Umfragen der »Irish Times« seit Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 zeigen ein eindeutiges Bild. Demnach wollen rund 80 Prozent der Befragten eine Beibehaltung der Neutralität, lehnen einen Nato-Beitritt ab und befürworten keine weitere militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine.
Die Regierung arbeitet dennoch an einer weiteren Annäherung an die Nato. Erst im Februar wurde bekannt, dass die Regierung ohne Wissen des Parlaments einen Kooperationsvertrag mit dem nordatlantischen Militärbündnis geschlossen hat. »Die Menschen in Irland sind zu Recht stolz auf unsere Geschichte der Neutralität«, betont daher der SF-Kandidat für Dublin, Daithí Doolan: »Auf der internationalen Bühne war die Neutralität Irlands von grundlegender Bedeutung für die einzigartige Rolle, die wir bei Friedenssicherung und Diplomatie spielen. Es ist eine Stärke für Irland und eine, die das irische Volk schätzt.« Den Regierungsparteien sei nicht zu trauen, betonte der SF-Kandidat vor einer Woche auf einer Pressekonferenz.
Laut einer Umfrage des öffentlich-rechtlichen Senders RTÉ könnten auch die kleinen Social Democrats erstmals einen Sitz im EU-Parlament erhalten. Sie fordern den Abbruch der Beziehungen zwischen Irland und Israel. Die beiden unabhängigen linken EU-Parlamentarier Clare Daly und Mick Wallace rechnen sich Chancen aus, wiedergewählt zu werden.
Am rechten Rand könnte erstmals ein irischer Kandidat aus diesem Spektrum ins EU-Parlament einziehen. Die Unterstützung von Flüchtlingen aus der Ukraine bei sich gleichzeitig verschärfender soziale Lage für die Iren machen die Themen Migration und Asyl politisch explosiv. Das kann den Ausgang der beiden anstehenden Wahlen deutlich beeinflussen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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