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- Ezzes von Estis
Kasche aus kasches
Über den Zusammenhang von Fragen und Antworten
Wenn eine Frage besonders kompliziert ist, dann muss man sich fragen, ob es überhaupt noch eine Frage ist oder vielleicht schon eine kasche. Was der Unterschied zwischen Frage und kasche ist, das ist wiederum eine Frage, wenn nicht sogar eine kasche.
Darauf hätte man vielleicht noch eine Antwort, doch die Sache mit der kasche ist, dass kasche nicht gleich kasche ist, und zwar nicht, weil es unterschiedliche kasches gibt, sondern weil schon die kasche als solche etwas anderes ist als die kasche an sich. Was ist dann der Unterschied zwischen der kasche und der kasche? Die eine ist eine schwere Frage und die andere ist ein Brei, oder genau umgekehrt: Die eine ist der Brei und die andere ist die Frage.
Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.
Der Unterschied scheint daher einfach, aber die Unterscheidung bleibt kompliziert. Es kann also eine kasche sein, was in der kasche drin ist, aber auch eine kasche entstehen im Kopf aus zu viel kasches. Für manche kommt erst die kasche und dann erst die kasche, für andere umgekehrt. Wer genug kasche hat, der hat weniger kasches. Andere haben genug kasches, aber keine kasche. Andererseits: Wer nachdenken muss über kasche, hat weniger Zeit um nachzudenken über kasches.
Wenn du keine kasche hast, hast du höchstwahrscheinlich Hunger. Und wenn du eine kasche hast, hast du höchstwahrscheinlich auch Hunger, aber nach einer Antwort.
»Ich möchte den Rebbe nach einer Antwort fragen.«
»Meschuggener, warum solltest du jemanden fragen nach einer Antwort anstatt vor einer Antwort?«
Der Hunger nach Antworten ist besonders groß, wenn man entweder ahnungslos oder jung ist oder beides zusammen, was öfter der Fall ist, als nur eines von beidem.
»Ich weiß, Sohn, jung zu sein ist kompliziert, weil man die anderen nicht versteht …«
»Und dann, wenn man älter wird …?«
»Dann wird es einfach, weil man weiß, dass man sich selbst nicht versteht.«
Die Jungen stellen Fragen, aber keiner gibt ihnen Antworten. Die Alten geben Antworten, obwohl ihnen keiner die Fragen stellt. Manchmal ist die Antwort ohnehin einfach, aber die Frage bleibt kompliziert.
Freilich: Noch größer als der Hunger nach Antworten ist der Durst nach Fragen. Also steht oft Frage gegen Frage – und es ist besser, wenn Frage gegen Frage steht, als wenn Antwort gegen Antwort stünde.
Unsere häufigsten Fragen sind:
»Ist sie Jüdin?«
»Ist er beschnitten?«
»Wer ist dieser Onkel Eisek?«
»Wo ziehen wir hin, wenn wir wegmüssen?«
»Hast du die Suppe aufgegessen?«
»Und die Knejdlech?«
»Ist dieser Schweinespeck koscher?«
»Bin ich Benjamin Netanjahu, oder warum erzählst du mir das?«
Und natürlich: »Was bedeutet das für die Juden?«
Bei so vielen Fragen ist es natürlich nicht einfach, die besonders unwichtigen von den noch unwichtigeren zu trennen.
»Rebbe, sag mir, was ist die wichtigste Frage unserer Zeit?«
»Ot – genau diese!«
Zu einigen kasches gibt es nicht nur keine vernünftige Antwort, sondern zu dieser vernünftigen kasche gäbe es noch nicht einmal eine vernünftige Frage.
Eine ungefragte Antwort ist schlimmer als eine unbeantwortete Frage. Doch eine unbeantwortete Frage ist wie ein ungelesenes Buch, eine unbeantwortete Frage ist wie eine überreife Frucht, eine unbeantwortete Frage ist wie ein verheißenes Land.
Man versteht nichts auf dieser Welt. Deshalb ist die unbeantwortete Frage die eigentliche Daseinsform des Menschen, wenn er nur Mensch ist. Ist er ein Mensch? Auch das steht in Frage.
Die ganze Schöpfung ist eine Frage. Aber eine Frage gestellt von wem? Von ihm, von dem die Schöpfung ist. Die ganze Schöpfung ist also eine Frage, gestellt von Gott. Aber eine Frage gestellt an wen? Wenn eine Frage von Gott gestellt ist, kann sie nur an ihn selbst gestellt sein. Die ganze Schöpfung ist also eine Frage, gestellt von Gott an sich selbst.
Anders gesagt, aber genauso gemeint: Die ganze Schöpfung ist eine kasche aus kasches.
kasche – Frage; Wort mit gleicher Lautung: kasche – Brei
knejdlach – Knödel
ot – da (hast du es)
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