Berliner Tuntenhaus wackelt

Die Zeit, um das Vorkaufsrecht auszuüben, läuft ab. Hausbewohnende machen in Bayern Druck

  • Jule Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
Tuntenhausbewohner*innen kämpfen in der bayerischen Provinz für den Erhalt des queeren Hausprojekts in Berlin.
Tuntenhausbewohner*innen kämpfen in der bayerischen Provinz für den Erhalt des queeren Hausprojekts in Berlin.

Für das Tuntenhaus in der Kastanienallee in Prenzlauer Berg sind die nächsten Tage entscheidend: Bis zum 15. Mai können die Käufer*innen des ältesten queeren Hausprojekts Berlins eine sogenannte Abwendungsvereinbarung unterzeichnen und damit 34 Jahren gemeinschaftlichen Zusammenlebens ein Ende setzen. Um sie am Unterschreiben der Vereinbarung zu hindern, reisten die Tuntenhausbewohner*innen am Wochenende nach Bayern.

»Es war eine wirklich bezaubernde Demonstration«, erzählt Bewohnerin Jil Brest im Gespräch mit »nd«. Aus Berlin reisten am Samstag 32 Menschen nach Wörth an die Isar. Laut Brest kamen noch mal so viele Unterstützer*innen aus der Umgebung. Eine Wörtherin habe den Tuntenhaus-Demonstrierenden Blümchen geschenkt, eine andere habe gerufen »Super, dass ihr das Maul aufmacht«, erzählt Brest, die sich über die große Unterstützung in der bayerischen Provinz freut.

Als sich die Wörther Käufer*innen vor knapp zwei Wochen dem Tuntenhaus gegenüber zu erkennen gaben, habe es nahegelegen, dass diese den Kauf nun tatsächlich erwägen, heißt es in einer Mitteilung des Hauses. Warum sich die Käufer*innen genau jetzt meldeten, sei den Bewohner*innen unklar, rasches Handeln aber geboten. 1000 Kilometer Weg nahm die queere Szene daher auf sich.

Laut der Mitteilung seien die Käufer*innen seit Jahrzehnten in Berlin aktiv, würden den Immobiliensektor kennen und erwägen, die Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen. Diese ist entscheidend für die Zukunft der Gemeinschaft. Denn nach dem Verkauf an die damals unbekannten Bayern im Februar steht und fällt das Tuntenhaus mit der Nutzung des Vorkaufsrechts.

Wir erinnern uns: Seit einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2021 kann der Bezirk nur innerhalb von drei Monaten das Vorkaufsrecht anwenden, wenn eine besondere Baufälligkeit vorliegt.

Dass diese baulichen Missstände vorliegen, bestätigte das Bezirksamt Pankow »nd« bereits im März. Mit der Unterzeichnung der Abwendungsvereinbarung müsste der Eigentümer sich verpflichten, diese Mängel zu beheben. Die Pressestelle der Bausenatsverwaltung sagte »nd«, zu Staffelmietverträgen stehe in den dem Senat bekannten Abwendungen nichts. Ansonsten habe der Eigentümer die Mietpreisbremse einzuhalten und die Wohnungen nur für die zulässige Miete öffentlich anzubieten.

Erhaltenswert finden Stimmen aus Politik und Zivilgesellschaft den Schutzraum für Queers allemal: Landespolitiker*innen von Linke bis CDU sprachen sich für den Erhalt in städtischer Hand aus. Bausenator Christian Gaebler (SPD) sprach davon, dass sowohl der Verkauf an eine landeseigene Wohnungsgesellschaft als auch die Überführung in eine Genossenschaft denkbar seien. Streit gibt es zwischen Senat und Bezirk um die Frage der Finanzierung. Während Grüne und Linke den Senat auffordern, Mittel für einen Vorkauf bereitzustellen, sieht Gaebler den Bezirk in der Pflicht.

Nach fast drei Monaten intensiven Kampfes blicken die Tuntenhausbewohner*innen auf acht Wochenenden der offenen Tür mit kulturell buntem Programm bei sich zu Hause zurück. Sie organisierten fünf Kundgebungen vor dem Abgeordnetenhaus und eine »Rave-Kundgebung« vor der Haustür mit über 3000 Teilnehmer*innen, darunter die Abgeordneten Mathias Schulz (SPD) und Klaus Lederer (Linke). Nicht immer leicht sei es gewesen, so viel Trubel, Öffentlichkeitsarbeit, Beziehungspflege und das Haarewaschen unter einen Hut zu bekommen, sagt Jil Brest. Der Kampf um das Vorkaufsrecht habe sich angefühlt »wie unfreiwillige vorgezogene Neuwahlen, bei denen wir als Opposition antreten«.

Dankbar für die Solidarität sind die Tuntenhausbewohner*innen allemal. Deutschlandweit standen ihnen queere Projekte und mietenpolitisch Bewegte nicht nur mit Energie, sondern auch mit Expertise zur Seite, wie beispielsweise die Weichselstraße 52 aus Neukölln. Dieser Fall bleibt ein Unikat in der bezirklichen Ausübung des Vorkaufsrechts seit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 2021.

Wie die Geschichte für das Tuntenhaus ausgeht, zeigt sich bis zum 15. Mai. Politische Aktionen haben die Tuntenhausbewohner*innen nicht geplant, man sei aber bereit, »flexibel zu reagieren«.

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