Ampel-Streit um Rente: FDP will sparen

Kanzler lehnt Kürzungsforderungen in Papier für »generationengerechte Haushaltspolitik« ab

Der nächste Paukenschlag im endlosen Ampel-Streit um Bundeshaushalt und Sozialausgaben: Die FDP legt ihr nächstes Positionspapier vor, selbstverständlich mit dem Anspruch, ihre darin enthaltenen Forderungen in der Regierungskoalition durchzusetzen. Eine »generationengerechte Haushaltspolitik« fordert sie in einem Fünf-Punkte-Plan, den das Präsidium der Partei an diesem Montag beschließen will.

Das Wichtigste wieder einmal: Die Schuldengrenze des Grundgesetzes müsse eingehalten werden. Zudem dürften junge Menschen bei der Finanzierung der Renten nicht überfordert werden. »Die Wirtschaftswende muss sich auch in der Haushaltspolitik des Staates widerspiegeln«, heißt es in dem Dokument und weiter: »Wir können den Staatshaushalt nicht mit immer mehr Sozialausgaben überlasten und Handlungsspielräume weiter einschränken.« All das würde das Vertrauen in den »Standort Deutschland« weiter erschüttern und die Perspektiven der jungen Generation eintrüben. Die Kosten der Sozialsysteme dürften nicht zu »bedrohlichen Belastungen« für Unternehmen und Beschäftigte werden.

Der Bundeshaushalt müsse ein »Entlastungshaushalt« sein, der Betriebe und Fachkräfte stärke und es ihnen ermögliche, neuen Wohlstand zu schaffen. »Gelingt uns dies nicht, können wir auch international nicht mehr zu den größten Geldgebern z. B. der Entwicklungshilfe gehören«, heißt es im Papier. Zuvor hatte der FDP-Vizechef Wolfgang Kubicki gefordert, den Entwicklungsetat im kommenden Jahr um weitere 20 Milliarden Euro zu kürzen.

Die Rente mit 63 und das Bürgergeld in seiner jetzigen Ausgestaltung setzten Fehlanreize, die sich Deutschland nicht leisten könne, heißt es im Papier. Korrekturen seien auch am gesetzlichen System der Altersvorsorge nötig. Einmal mehr plädiert die FDP für eine »echte Aktienrente« nach schwedischem Vorbild mit individuellen Konten der Beitragszahler und dem Anspruch auf eine kapitalgedeckte Zusatzrente.

Derweil lehnte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Einschnitte für Rentnerinnen und Rentner erneut strikt ab. Einsparungen im Haushalt sollten nicht auf ihre Kosten gehen, bekräftigte er am Samstag bei einer Talkrunde des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) in Potsdam. Scholz lehnte auch den Vorschlag eines höheren Renteneintrittsalters ab und nannte diesen »absurd«. FDP-Bundestagsfraktionschef Christian Dürr hatte für ein flexibles Rentenalter geworben und war mit Äußerungen zum Arbeiten mit 72 Jahren auf Kritik gestoßen.

Der Generalsekretär der Partei, Bijan Djir-Sarai, sagte der »Bild am Sonntag«, die Rente mit 63 entziehe dem Arbeitsmarkt wertvolle Fachkräfte. Wer länger arbeiten möchte, solle dies »unter attraktiven Bedingungen machen können«. FDP-Finanzexperte Max Mordhorst sagte: »Denkbar ist zum Beispiel, dass die Rente mit 63 künftig nur noch für Geringverdiener möglich ist.« Mittelfristig müsse sie ganz weg.

Das Bundesfinanzministerium hatte vergangenen Montag plötzlich den geplanten Kabinettsbeschluss zum Rentenpaket blockiert. Es sollte dafür sorgen, dass das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent bis 2039 garantiert wird. Das kostet zusätzliches Geld, sodass der Beitragssatz steigen wird. Zu hohe Beitragssätze lehnen die Liberalen aber strikt ab. Wann das Rentenpaket im Kabinett beschlossen werden kann, ist derzeit noch unklar. Aus Regierungskreisen hieß es, dass eine Befassung noch im Mai angestrebt werde. Kanzler Scholz sagte am Samstag, er hoffe auf eine Einigung bis Juli. »Dass Anfang Juli der Haushalt steht, das steht fest – glaube ich.«

Scharfe Kritik an den Plänen der Liberalen kam vom Deutschen Gewerkschaftsbund. »Die FDP hat kein Herz für Leute, die sich lange Jahre krumm gearbeitet haben«, rügte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel. Sie warnte davor, »den Bundeshaushalt zu Lasten der jahrzehntelang hart arbeitenden Menschen sanieren zu wollen«. Menschen, die in Deutschland fast ein halbes Jahrhundert lang gearbeitet und Beiträge gezahlt hätten, hätten »eine Rente ohne Abzüge vor dem 67. Lebensjahr redlich verdient«, so Piel.

Der Rentenexperte der Linken im Bundestag, Matthias W. Birkwald, machte indes darauf aufmerksam, dass die »Rente mit 63« faktisch längst nicht mehr existiert. »Eine abschlagsfreie Rente ab 63 gibt es für Menschen, die nicht behindert sind, in Deutschland schon lange nicht mehr mehr«, erklärte Birkwald am Sonntag. Es gebe die abschlagsfreie Rente nach 45 Versicherungsjahren, die für 1960 geborene Menschen derzeit bei 64 Jahren und vier Monaten liegt und die für alle ab 1964 und später Geborenen wieder bei 65 Jahren liegen wird.

Diese Regelung werde »automatisch im Jahr 2029 auslaufen«. Ab diesem Zeitpunkt werde die bereits seit 2007 eingeführte und seit 2012 geltende Regelung, dass Menschen nach 45 Versicherungsjahren zwei Jahre vor ihrer Regelaltersgrenze abschlagsfrei in den Ruhestand gehen dürfen, wieder wie zuvor ab 65 Jahren gelten. Dass dies weiter garantiert werde, sei »eine Frage des Respekts und der Glaubwürdigkeit von Politik«, mahnte Birkwald. mit dpa

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