Springer-Kampagne gegen kritische Wissenschaftler

Die Mittel zur Durchsetzung der Staatsräson werden immer rabiater, meint Raul Zelik

  • Raul Zelik
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Mittel zur Durchsetzung der Staatsräson werden immer rabiater. An diesem Wochenende entblödete sich die Bild-Zeitung nicht, 200 Berliner Lehrkräfte als Unterstützer eines »Studenten-Mobs« zu brandmarken und 12 der Wissenschaftler mit Porträtfotos öffentlich zum Abschuss freizugeben. Sofort zogen andere Springer-Blätter, aber auch FDP-Bildungsministerin Stark-Watzinger nach. Das Vergehen der Wissenschaftler: Sie hatten in einer öffentlichen Erklärung dazu aufgerufen, die wegen des Gaza-Kriegs protestierenden Studierenden nicht mit Gewalt räumen zu lassen.

Die Kampagne des Springer-Konzerns hat das Ziel, den Unterzeichnern des offenen Briefs das Leben zur Hölle zu machen. Denn so viel ist klar: Nach einem Antisemitismus-Vorwurf sind Forschungsgelder und akademische Karrieren in Gefahr. Die öffentlich an den Prager gestellten Wissenschaftler, die nicht mehr verteidigt haben als das studentische Recht auf Meinungsäußerung, werden von nun an als verdächtig erscheinen.

Dabei sind unter den angegriffenen Akademikern viele, die seit Jahren zu Antisemitismus und Rechtsextremismus forschen. Der Historiker Michael Wildt gilt als einer der wichtigsten Experten der deutschen NS-Forschung, der Soziologe Peter Ullrich ist Fellow am Zentrum für Antisemitismusforschung. Jedem, der seine fünf Sinne beisammen hat, sollte klar sein, dass es Springer überhaupt nicht um den israelisch-palästinensischen Konflikt geht. Der Angriff richtet sich gegen Wissenschaftler, die sich kritisch zu Herrschaftsverhältnissen positionieren. Die bürgerliche »Mitte« will ein Klima wie während McCarthys Kommunistenjagd in den USA der 1950er Jahre. Wer sich jetzt nicht mit den Attackierten solidarisiert, könnte schon bald der nächste sein, den die Staatsräson überrollt.

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