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Ukraine: KI-Avatar als Pressesprecherin
In einem Pilotprojekt stellt das ukrainische Außenministerium eine Kunstfigur als Pressesprecherin ein
Viktoria Schi sei eine Pressesprecherin, von der Unternehmen, Ministerien und Organisationen nur träumen können: Sie verhaspelt sich nie, sie wahrt auch bei heiklen Themen die Contenance, findet immer den richtigen Ton. Das Besondere an der Frau, die seit dem 1. Mai im ukrainischen Außenministerium für Konsularfragen zuständig ist: Sie ist eine künstliche Intelligenz. Das verrät schon ihr Name: Viktoria steht für »Sieg« und Schi steht für »Schtutschni Intelekt«, also künstliche Intelligenz.
Vorbild für ihr Aussehen ist die ukrainische Sängerin und Influencerin Rosalie Nombre. Ganz in Schwarz gekleidet, die Haare hochgesteckt und mit Ohrringen geschmückt, stellte sich Viktoria Schi in einem vom ukrainischen Außenministerium veröffentlichten Video vor und erklärte, dass sie »die Rechte und Interessen ukrainischer Bürger im Ausland« schützen solle.
Außenministerium will Ressourcen sparen
Dass das Außenministerium eine künstlerische Pressesprecherin anheuert, zeige, wie groß der Personalmangel in der Regierung sei, sagte Ihor Roskladai, leitender Experte für Medienrecht in sozialen Netzen des Zentrums für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit dem ukrainischen Portal »Rubryka«. Die Verantwortung für eine Arbeit bei der Regierung sei zu hoch und gleichzeitig sei das Gehalt verglichen mit ähnlichen Tätigkeiten in der freien Wirtschaft sehr niedrig, erklärt er.
Mit einer von KI generierten digitalen Person ließen sich im Außenministerium Zeit und Ressourcen sparen, argumentiert der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Dadurch könnten die Diplomaten effektiver arbeiten und sich auf andere Aufgaben konzentrieren. Außerdem, so der Minister, sei der aktive Einsatz von Technologien der künstlichen Intelligenz in der Arbeit des Außenministeriums keine Laune, sondern in Kriegszeiten eine Notwendigkeit. Dadurch ließen sich alle Prozesse beschleunigen, zitiert »Rubryka« den Minister.
Unpopuläre Entscheidungen werden nicht mehr persönlich übermittelt
Ein Streitpunkt ist die Fälschungssicherheit. Man könne ja nicht ausschließen, so Ihor Roskladai, dass technisch die Möglichkeit besteht, eine Kopie von Viktoria Schi zu schaffen, mit der sich gezielt Falschmeldungen in die Welt setzen ließen oder mit der man manipulieren und betrügen könne. Zwar finde sich auf einem Video mit der echten Viktoria Schi ein QR-Code, der die Echtheit dokumentieren soll. Doch auch QR-Codes könne man fälschen.
Der in Odessa lebende linke Blogger Wjatscheslaw Asarow fürchtet auf seinem Telegram-Kanal, dass nun problematische, unpopuläre und repressive Entscheidungen, wie etwa die Schließung von Konsulaten im Ausland, den Ukrainern mittels künstlicher Intelligenz vermittelt werden.
Schi-Vorlage für ihre Herkunft angefeindet
Kritik an Frau Schi kommt auch aus einer ganz anderen Ecke. Das Vorbild für die Kunstfigur, Rosali Nombre, 1997 in Donezk als geboren, hat einen Vater aus der Elfenbeinküste. Auf ihrem Instagram-Account klagt sie nun über rassistische Belästigungen nach Bekanntwerden von Viktoria Schi.
»Ich kenne diese Höhlenmenschen, die aus ihren Verstecken heraus anonyme Beiträge im Internet schreiben, schon lange. Was mich überrascht hat, ist eine andere Sache«, zitiert der Fernsehsender TSN Nombre. »Ja, haben die denn keinen Ukrainer finden können?«, lese sie im Netz. Derartige Sätze zeigten, dass viele Ukrainer immer noch nicht verstanden hätten, dass Ukrainisch sein nichts mit einer Rasse zu tun habe, so Nombre. »Jeder, der die ukrainische Staatsbürgerschaft erwirbt oder mit ihr geboren wird, egal wie er aussieht, ist ein Ukrainer.«
Ukraine führend in Sachen künstliche Intelligenz
Auch ein Besuch in ihrer Heimatstadt Donezk Anfang 2022, wenige Tage vor dem russischen Angriffskrieg, wird der Influencerin angekreidet. So warf der Journalist Wadym Hladtschuk dem ukrainischen Außenministerium vor, dass man einerseits Millionen von Ukrainern Konsulardienste verweigere, andererseits »Separatisten und Verräter, wie beispielsweise Rosali Nombre, glorifiziert«. Sie sei nach ihrer Reise nach Donezk so intensiv vom Inlandsgeheimdienst SBU befragt worden, rechtfertigt sich Nombre, dass es nun eigentlich keinen Zweifel an ihrer Loyalität als ukrainische Staatsbürgerin geben dürfe.
Eines zeigt der Fall Viktoria Schi: KI wird in der Ukraine eine hohe Priorität eingeräumt. Die Investitionen in ukrainische Unternehmen, die KI einsetzen, seien in den letzten zehn Jahren erheblich gestiegen, und dieser Trend halte trotz des Krieges an, berichtete die erste Vizepremierministerin und Wirtschaftsministerin der Ukraine, Yulia Svyrydenko, bei einer Podiumsdiskussion im März in Italien. So sei die Ukraine führend in Osteuropa bei der Einführung von künstlicher Intelligenz im Unternehmenssektor. Lagen die Investitionen 2014 bei 42,4 Millionen Dollar, seien es 2021 bereits 440,9 Millionen Dollar gewesen.
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