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Springers Palästina-Pranger

»Bild« und »BZ« denunzieren Hochschulangehörige für deren Aufruf zu Besonnenheit

Die Artikelserie in Springer-Medien über Uni-Dozenten, die einen Offenen Brief gegen Polizeieinsätze an Hochschulen unterzeichnet haben, sorgt in Sozialen Medien für Kontroversen. Viele Nutzer heißen die Berichterstattung in »Bild« und »BZ« gut, zahlreiche andere stoßen sich an der Überschrift »Universitäter« und der ganzseitigen Aufmachung. Geteilt werden auch Postings, die sich vom Inhalt des Offenen Briefes distanzieren, das Vorgehen der Boulevardzeitungen aber als »Pranger« bezeichnen.

Rund 120 Forschende und Lehrende an Berliner Hochschulen hatten nach der brutalen Räumung eines Protestcamps gegen den Gaza-Krieg an der Freien Universität (FU) ein Statement veröffentlicht. Darin wird die Leitung dafür kritisiert, die Studierenden der »Polizeigewalt auszuliefern«. Als Unterzeichner zählten am Montag 370 Personen, 900 werden als Unterstützer genannt.

Am Mittwoch warfen die Zeitungen den Unterzeichnern in einem Artikel vor, sich hinter einen »Judenhasser-Mob« an der FU zu stellen, dessen Slogans an die »Endlösung der Judenfrage« der Nationalsozialisten erinnerten. Diesen Artikel zitierte Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) auf X und schrieb, Uni-Besetzer würden »zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost«.

Auch die zu den Erstunterzeichnern gehörende Leiterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung, Naika Foroutan, kommentierte den Artikel auf X, allerdings kritisch: Die »Bild« werde bald auch den Ausruf »Viva Viva Palästina« dem Nationalsozialismus zuordnen, schrieb Foroutan. Darauf antwortete der Politikchef des Boulevardblatts mit einem weiteren Artikel und der verfälschenden Schlagzeile »Professorin verstört mit Hitler-Spruch«.

Am 10. Mai, dem Gedenktag an die Bücherverbrennung der Nazis 1933, folgte schließlich der dritte Artikel zur Causa in »Bild« und »BZ«, der einige Unterzeichner porträtiert und sämtliche auflistet – jedoch ohne Wiedergabe des Statements, das letztlich zur Besonnenheit aufruft.

Zu den bekannteren Unterzeichnern des Offenen Briefes gehört Michael Barenboim, der Sohn des Professors und Konzertmeisters Daniel Barenboim. »Die freie Meinungsäußerung gilt für alle, außer wenn sie sich für Palästina äußern wollen«, erklärte er diesen Schritt in einem Interview mit dem Sender RBB. Ähnlich äußert sich der Antisemitismusforscher Peter Ullrich: »Die Dozenten haben sich für das Grundrecht der Meinungs- und Versammlungsfreiheit und für Universitäten als Räume des Diskurses ohne Polizei stark gemacht, für das Recht anlässlich des Gaza-Krieges, Protest zu artikulieren – ohne sich die Ziele dieses Protestes zu eigen zu machen«, sagt Ullrich zum »nd«.

Inzwischen hat auch die Leitung der FU auf die Medienberichterstattung reagiert. »Wir verurteilen entschieden die Diffamierung von einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unserer Universität durch die Bild-Zeitung. Wir prüfen medienrechtliche Schritte«, heißt es knapp in einer am Sonntag veröffentlichten Pressemitteilung.

Dokumentiert: Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten

Als Lehrende der Berliner Hochschulen verpflichtet uns unser Selbstverständnis dazu, unsere Studierenden auf Augenhöhe zu begleiten, aber auch zu schützen und sie in keinem Fall Polizeigewalt auszuliefern.

Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit sind grundlegende demokratische Rechte, die auch und gerade an Universitäten zu schützen sind. Angesichts der angekündigten Bombardierung Rafahs und der Verschärfung der humanitären Krise in Gaza sollte die Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden auch für jene nachvollziehbar sein, die nicht alle konkreten Forderungen teilen oder die gewählte Aktionsform für nicht geeignet halten.

Es ist keine Voraussetzung für grundrechtlich geschützten Protest, dass er auf Dialog ausgerichtet ist. Umgekehrt gehört es unseres Erachtens zu den Pflichten der Universitätsleitung, solange wie nur möglich eine dialogische und gewaltfreie Lösung anzustreben. Diese Pflicht hat das Präsidium der FU Berlin verletzt, indem es das Protestcamp ohne ein vorangehendes Gesprächsangebot polizeilich räumen ließ. Das verfassungsmäßig geschützte Recht, sich friedlich zu versammeln, gilt unabhängig von der geäußerten Meinung. Die Versammlungsfreiheit beschränkt zudem nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (»Fraport«) das Hausrecht auch für Orte, die, wie wohl auch der Universitätscampus der FU Berlin, öffentlich zugänglich sind und vielfältigen, darunter öffentlichen Zwecken dienen.

Wir fordern die Berliner Universitätsleitungen auf, von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen. Der Dialog mit den Studierenden und der Schutz der Hochschulen als Räume der kritischen Öffentlichkeit sollte oberste Priorität haben – beides ist mit Polizeieinsätzen auf dem Campus unvereinbar. Nur durch Auseinandersetzung und Debatte werden wir als Lehrende und Universitäten unserem Auftrag gerecht.

Der Offene Brief wurde als Google-Dokument veröffentlicht, die Liste von Unterzeichnern und Unterstützern wird dort aktualisiert.

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