Slowakei unter Schock

Der Mordanschlag auf Premier Robert Fico ist auch Ausdruck des politischen Klimas im Land

  • Jindra Kolar, Prag
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Bilder vom Attentat auf den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico verbreiteten sich am Mittwochnachmittag in Windeseile: Fernsehsender und soziale Kanäle zeigten Videos von der Tat und dem darauffolgenden Abtransport Ficos in die Universitätsklinik nach Banská Bystrica. Dort wurde Fico fünf Stunden operiert. Der Premier, so hieß es am Donnerstagmorgen in einer Pressekonferenz im Krankenhaus, habe die Operation gut überstanden und sei außer Lebensgefahr. Sein Zustand sei jedoch noch sehr ernst, so Miriam Lapuniková, die Leiterin des Krankenhauses. Zwei Teams hätten sich bei der schwierigen Operation abgewechselt.

Während die Öffentlichkeit einerseits auf die Genesung des Regierungschefs schaut, sind die Menschen besorgt über den politischen Zustand im Lande. Das politische Klima in der Slowakei hat sich deutlich verschärft und dies nicht nur seit dem erneuten Antritt des Linkspopulisten Fico. Bereits in dessen letzter Amtszeit, die 2018 abrupt endete, zeigte sich die Bevölkerung unzufrieden über den Politikstil, der in Bratislava vorgelebt wurde. Nepotismus und Korruption waren bis in die höchsten Regierungskreise an der Tagesordnung.

Fico polarisiert

Die Situation kulminierte im Februar 2018, als der Enthüllungsjournalist Ján Kuciak und seine Lebensgefährtin Martina Kušnírová ermordet wurden. Der erst 22-jährige Journalist hatte zu Korruption und mafiosen Verstrickungen von Wirtschaftsbossen und Politikern recherchiert, die damals bis in die engsten Kreise um Premier Fico reichten.

Dass dessen sozialdemokratische Smer-SD überhaupt erneut in die Regierung gewählt wurde, ist einer tiefgreifenden politischen Resignation im Lande zu verdanken.

Zwar konnte Fico im vergangenen Herbst die Parlamentswahlen für sich entscheiden, doch benötigte er für eine Regierung die ebenfalls sozialdemokratische Hlas sowie die nationalkonservative SNS. Schon die Zusammensetzung deutet auf einen euroskeptischen Kurs hin. Um seine Position zu festigen, versuchte Fico eine umstrittene Justizreform durchzubringen und die öffentlich-rechtlichen Medien einzuschränken oder gar aufzulösen.

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Angespannte politische Lage in der Slowakei

Politische Entscheidungen, die Widerspruch hervorrufen mussten und die nach Angaben in sozialen Medien auch das Motiv des 71-jährigen Schützen am Mittwoch gewesen sein sollen.

»Was gestern geschah, war eine Einzeltat, doch was die angespannte politische Atmosphäre in unserem Land betrifft, ist es eine Sache, die alle betrifft«, erklärte die amtierende Staatspräsidentin Zuzana Čaputová. Gemeinsam mit ihrem designierten Nachfolger Peter Pellegrini (Hlas) rief sie die politischen Parteien auf, die Wahlkampfauseinandersetzungen zur Europawahl derzeit auszusetzen oder zumindest doch zu mäßigen. Der politische Ton des Hasses müsse endlich aufhören, so Čaputová. Dem stimmten Politiker mehrerer Parteien deutlich zu.

Regierung versucht Ruhe in die Politik zu bringen

Aus Regierungskreisen heißt es, dass Verteidigungsminister Robert Kaliňák (Smer-Sd) den Regierungschef vertreten soll. Alle offiziellen Stellen bemühen sich derzeit, Ruhe in das politische Klima zu bringen. Ob sich jedoch die tiefe Spaltung in der Gesellschaft beilegen lässt, ist eher fraglich. Oppositionelle Kreise befürchten, dass die Regierung jetzt noch mit härteren Mitteln zur Umsetzung ihrer politischen Ziele greifen könnte.

Innenminister Matúš Šutaj Eštok (Hlas) hatte bereits angekündigt, mit aller Strenge gegen Personen vorgehen zu wollen, die in den sozialen Medien die Tat loben und verbreiten. Bereits jetzt habe die Polizei 32 Ermittlungsverfahren eingeleitet. »Jeder, der das Attentat gutheißt, muss damit rechnen, mit den Mitteln des Rechtsstaats bestraft zu werden«, so Šutaj Eštok.

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