Werbung

Niederlande: Geert Wilders im Zentrum der Macht

Niederlande einigt sich auf rechte Regierung um den Anti-Muslim-Politiker

  • Sarah Tekath, Amsterdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Vier rechte Parteien stellen fortan die Regierung in den Niederlanden. Die rechtsextreme PVV von Geert Wilders, die konservativ-liberale VVD des ehemaligen Ministerpräsidenten Mark Rutte, die Bäuer*innen-Bürger*innen-Partei BBB unter Caroline van der Plas sowie die Christdemokrat*innen des Neuen Sozialvertrages NSC mit Parteichef Peter Omtzigt.

»Wir schreiben heute Geschichte«, sagte der rechte Anti-Muslim-Politiker Geert Wilders am Donnerstag in Den Haag bei der Präsentation der Koalitionsvereinbarung »Hoffnung, Mut und Stolz«. Darin steht einleitend: »Trotz guter Absichten hat die Regierung in den vergangenen Jahren darin versagt, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. Wir schlagen einen neuen Weg ein.«

Asylkrisengesetz, Recht und Ordnung

Was damit konkret gemeint ist, macht bereits der nächste Absatz deutlich. Zumindest hinsichtlich Migration und Klimaschutz. »Ob es um die Sicherung des Lebensunterhalts geht, um Pflege oder Geld im Portemonnaie oder um die Verfügbarkeit von ausreichendem Wohnraum, unser Ehrgeiz ist groß. Wir wollen auch den viel zu hohen Zustrom von Asylbewerbern und Einwanderern umkehren. Wir wollen, dass Bauern, Gärtner und Fischer wieder eine Zukunft haben.«

Einer der großen Faktoren der Koalition ist die Existenzsicherung von Niederländer*innen durch eine Senkung der Einkommenssteuer, die Bereitstellung kostenloser Kinderbetreuung und die Halbierung des Selbstbehalts bei Krankenversicherungen ab 2027.

Bei Zuwanderung ist die Rede von »der strengsten Zulassungsregelung für Asyl und das umfassendste Migrationskontrollpaket aller Zeiten.« Dies umfasst unter anderem ein sogenanntes Asylkrisengesetz mit einer Dauer von zwei Jahren, mit Aussetzung der Bearbeitung von Asylanträgen, Abschaffung von unbefristetem Asyl und Ausweisungen von Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel, notfalls unter Zwang. Polizei und Justiz sollen künftig 300 Millionen Euro zusätzlich erhalten und es kommt eine Erhöhung der Höchststrafen im Jugendstrafrecht. Außerdem soll es strengere Regeln für Gebetsrufe von Moscheen geben.

nd.DieWoche – unser wöchentlicher Newsletter

Mit unserem wöchentlichen Newsletter nd.DieWoche schauen Sie auf die wichtigsten Themen der Woche und lesen die Highlights unserer Samstagsausgabe bereits am Freitag. Hier das kostenlose Abo holen.

Hatten die bisherige Stickstoffpolitik, potenzielle Begrenzungen von Viehbeständen und möglicher Aufkauf landwirtschaftlicher Betriebe durch den Staat heftige Debatten ausgelöst, sorgt die neue rechtspopulistische Regierungskoalition laut der niederländischen Tageszeitung »Trouw« nun für ein »Ende des grünen Tatendrangs«.

Gemäß des Koalitionsabkommens soll es weder eine Zwangsenteignung von Landwirt*innen noch eine Reduzierung von Nutztieren geben. Weiter soll die Verbrauchssteuer auf Kraftstoffe für Bäuerinnen und Bauern gesenkt werden.

Das Tempolimit auf Autobahnen wird, wo möglich, wieder auf 130 Stundenkilometer angehoben und dem Wohnungsbau wird Priorität gegeben vor der Errichtung von Windrädern. Weiter soll es vier neue Kernkraftwerke geben. Die Verpflichtung zum Einbau einer Hybrid-Wärmepumpe beim Austausch von Zentralheizungskesseln in Häusern wird ab 2026 auslaufen. Subventionen für den Kauf von Elektroautos enden 2025.

Kritik aus vielen Ecken

Kritik äußert beispielsweise der landesweite Mieter*innenverein Woonbond und wirft der Koalition fehlende Absichten vor, die Wohnkrise wirklich anzugehen. »PVV, VVD, NSC und BBB entscheiden sich für höhere Mieten und weniger Neubau von Sozialwohnungen, während Hausbesitzer weiterhin hervorragend geschützt sind«, so die Reaktion laut der niederländischen Tageszeitung »AD«.

»Dieses Maßnahmenpaket untergräbt nicht nur die Grundwerte eines Großteils unseres Landes, sondern macht Flüchtlinge zum Sündenbock. Es soll dafür sorgen, dass sich Flüchtlinge in den Niederlanden so unwohl wie möglich fühlen«, so Frank Candel, Vorsitzender der Geflüchteten-Organisation VluchtelingenWerk Nederland gegenüber »Algemeen Dagblad«.

Rob Jetten von der linken Partei D66 spricht von »Luftschlössern auf finanziellem Treibsand«. Frans Timmermans, Chef des Bündnisses Grünlinks und Partei der Arbeit, erklärt: »Dies ist ein historischer Tag. Die anderen haben die radikale Rechte in die Mitte der Macht gebracht.«

Der nächste Schritt ist der Aufbau des Kabinetts, wofür fünf Wochen vorgesehen sind. Die Entscheidung, wer Ministerpräsidentin oder Ministerpräsident wird, soll innerhalb einer Woche bekannt gegeben werden. Geert Wilders hatte vorab verzichtet. Im Gespräch ist aktuell der ehemalige sozialdemokratische Minister Ronald Plasterk.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.