Transparenz in naher Zukunft

Der neue Bundes-Klinik-Atlas soll Patienten zur besten Behandlung verhelfen

Bundes-Klinik-Atlas heißt die Neuerung im Rahmen der Krankenhausreform, die nun endlich nach mehrfacher Verzögerung vorgestellt wurde. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) präsentierte am Freitag das Suchportal gewohnt optimistisch. Für die bundesweit knapp 1700 Klinikstandorte sollen Daten zu Fallzahlen abrufbar sein, mit anderen Worten zur Behandlungserfahrung, zur Zahl der Fachärzte und Pflegekräfte sowie auch zu Komplikationsraten ausgewählter Eingriffe. Versprochen werden »niedrigschwellige, verständliche Informationen zum Leistungsangebot und Qualität der Krankenhäuser«. Zumindest bei den Komplikationsraten schränkte Lauterbach ein, dass diese Information erst »demnächst« kommen soll, dann auch in Abhängigkeit von Schweregrad der Fälle. Solche Informationen seien bislang nur Experten zugänglich, sollen es aber bald für jeden werden.

Für das vierte Quartal 2024 sollen auch die umstrittenen Kliniklevel einbezogen werden, die eigentlich aus der Reform gestrichen wurden. Sie geben die Versorgungsstufe an, die das Krankenhaus erfüllt. Level 1 sind Basisversorger, Kliniken auf Level 2 bieten mehr an, und auf Level 3 wird ein großes Leistungsspektrum vorgehalten. Die Logik, die Level im Atlas anzuführen, erklärt Lauterbach damit, dass im Falle von Komplikationen weitere Fachabteilungen immer günstig wären. Das würde Patienten schon interessieren. In der Tendenz könnte das aber dazu führen, dass besonders vorsichtige oder ängstliche Menschen immer ein großes Krankenhaus bevorzugen. Die Überversorgung lässt grüßen. Wer wirklich solche Mechanismen in den Vordergrund stellt, hat offensichtlich keine Skrupel bei einer Bereinigung der Krankenhauslandschaft zum Nachteil der kleinen Häuser.

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Neben weiteren ausgewählten Zertifikate für die Behandlung bestimmter Krankheitsgruppen werden auch die Leistungsgruppen hinzukommen. Diese sind aktuell noch nicht endgültig definiert. Die nach jetzigem Stand 65 Gruppen sind ein zentraler Bestandteil der Krankenhausreform. Dazu gehören etwa Pneumologie, Nierenheilkunde, Kardiologie oder allgemeine Chirurgie.

Laut Lauterbach sollen in Zukunft die Bundesländer im Rahmen der Krankenhausplanung die Leistungsgruppen Kliniken zuordnen, und so entscheiden, wer was behandeln darf. Dieses Vorgehen ist für Lauterbach auch einer der Gründe, warum niemand sagen könne, wie viele Krankenhäuser im Zuge der Reform schließen müssten. Dazu passt, dass die im Herbst beginnende Sortierung nach Leistungsgruppen (bis dahin noch nach Fachabteilungen) – völlig innovativ – nur in diesem Verzeichnis enthalten wären, so der Minister stolz.

Die Leistungsgruppen machen Vorgaben für Personal und technische Voraussetzungen, unter denen ein Krankenhaus die entsprechenden Leistungen überhaupt abrechnen können. Zu den Voraussetzungen gehören aber auch Mindestmengen, die an dem jeweiligen Standort zu sichern sind. Hier sehen Klinikvertreter das Aus vieler kleiner Häuser, die aus ihrer Sicht hoch spezialisiert sind und das jeweilige Fachgebiet durchaus sinnvoll vertreten können. Die Befürchtung ist, dass Patienten in Zukunft bei einer mehr konzentrierten Versorgung länger warten müssten. Eine andere Lesart des Vorgangs haben die Befürworter der Reform: Das knappe Personal würde sich umverteilen und eine bessere und auch qualifiziertere Versorgung könnte gesichert werden.

Dafür scheinen aber noch einige Schritte zu fehlen, wie eine kurze Stichprobe im neuen Portal zeigt: Von fünf vorgeschlagenen Krankenhäusern für einen bestimmten Eingriff am Magen ist der prominent platzierte Pflegepersonalquotient des gesamten Krankenhauses dreimal unterdurchschnittlich, einmal weit unterdurchschnittlich und nur einmal mittel. Grafisch angezeigt wird das durch ein fünffarbiges Tachometer. Die Zahl der Behandlungsfälle, aus denen man vielleicht schließen könnte, ob hier eine stabile Expertise vorliegt, scheint inkonsistent: dreimal sind fünf oder vier Fälle pro Jahr als »sehr viele« bewertet. Zweimal sind weniger als vier Fälle als »sehr wenige« bewertet – mit der Begründung, dass aus Datenschutzgründen Fallzahlen kleiner als vier nicht angegeben werden. Was suchende Patienten mit diesen Fragmenten anfangen sollen, bleibt offen.

Angesichts der Vorläufigkeit und Unvollständigkeit der Daten: Der Atlas scheint erst dann sinnvoll, wenn die Reform weiter fortgeschritten ist. Aktueller als zwölf Monate werden die Daten nach Aussagen der Beteiligten aber nicht sein können. Wie damit zum Beispiel Personalveränderungen darstellbar sind, bleibt ebenfalls ein Rätsel.

Ansonsten bildet der Klinikatlas das ab, was jetzt ist: Eine verunsicherte Krankenhausszenerie vor einem großen Umbruch, mit zu wenig Pflegekräften an vielen Orten und teils nicht auffindbaren Behandlungsmöglichkeiten. Vertrauen von Patienten lässt sich so wohl kaum gewinnen. Wer immer ein Krankenhaus sucht, wird verschiedene Datenquellen für seine Entscheidung nutzen, ebenso das Gespräch mit Ärzten des Vertrauens und auch mit anderen Patienten. Oder er versucht lieber gleich, sein Leiden ambulant zu kurieren.

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