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E-Auto aus Taiwan: Ein Smartphone auf Rädern
Foxconn ist der weltweit größte iPhone-Fertiger. Aus geopolitischen Gründen expandiert er ins Autogeschäft
»Dieser Wagen spricht junge Leute an«, sagt Tais Chuu, breitbeinig hinter dem Lenkrad sitzend, und tippt auf einem sehr großen Touchscreen herum. In der Mitte der eher kleinen Limousine ragt der Bildschirm vom Getränkehalter bis zur Windschutzscheibe. Darauf poppen Optionen auf: Heizung und Musik sind hier regelbar, auch Livenews werden angezeigt und die Möglichkeit, weitere Apps zu installieren. Die Schaltzentrale werde immer wie ein überdimensioniertes iPhone aussehen, so Chuu.
Die Ähnlichkeit zu den beliebten Smartphones von Apple ist kein Zufall: Chuu arbeitet für Foxtron, ein vor vier Jahren gegründetes Unternehmen, dessen größter Eigner Foxconn heißt. Und kein Unternehmen weltweit baut so viele Apple-Telefone wie dieser Konzern aus Taiwan. »Jetzt bringen wir unser Knowhow in einen neuen Geschäftsbereich ein«, prahlt Ingenieur Chuu und greift ans Lenkrad. In Gestalt von Foxtron baut Foxconn nun Elektroautos.
Ein Handyfertiger stößt ins Autogeschäft vor: Was bis vor Kurzem als Zeichen für unternehmerischen Größenwahn gegolten hätte, ergibt vor dem Hintergrund neuester Entwicklungen durchaus Sinn. Autos sind zusehends zu fahrenden Robotern geworden. Telefone werden schon länger Smartphones genannt, weil sie intelligent sind. Nicht umsonst gibt es heute den Spruch, ein Auto sei ein Smartphone auf Rädern. In New Taipei City, einer Metropole neben der taiwanischen Hauptstadt Taipeh, will Foxconn zeigen, dass das mehr als ein Spruch ist.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Die Pläne sind groß. Bereits für 2025 hat CEO Young Liu das Ziel ausgegeben, im boomenden Geschäft für E-Autos auf einen Marktanteil von fünf Prozent zu kommen. An Ressourcen mangelt es nicht: 2022 beschäftigte Foxconn weltweit eine Dreiviertelmillion Menschen, nahm 216 Milliarden US-Dollar ein, knapp die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts von Österreich. Neben Smartphones wurden im Hause Foxconn auch schon Playstations und andere Elektroprodukte zusammengebaut.
In einem Gewerbegebiet in New Taipei City, zwischen Filialen etablierter Autobauer von Nissan bis Mitsubishi, steigt Chuu aus dem »Model B«, einem der ersten Pkw des Unternehmens, schlägt die Tür mit einer lässigen Bewegung zu und schiebt seine Sakkoärmel hoch. »Wir können etwas bieten, was kaum ein Marktteilnehmer hat«, behauptet der Verantwortliche für Geschäftsentwicklung wie ein Autoverkäufer des alten Schlags. Man könne selbst einen gerade entwickelten E-SUV für rund 30 000 US-Dollar anbieten.
Ist es der große Angriff auf BMW, Audi und andere etablierte Autobauer? In New Taipei wird beschwichtigt. »Unsere Stärke sehen wir nicht so sehr im ganzen Auto«, sagt Jimmy Huang, Sprecher von Foxconn. »Sondern in der elektrischen und digitalen Infrastruktur, die dem Fahrzeug zugrunde liegt.« Autokonzerne wie VW, Toyota oder General Motors sehe man daher nicht als Konkurrenten, sondern als Partner. »Wir führen im Moment Gespräche mit mehreren Unternehmen, um unsere Technologie maßgefertigt an sie zu verkaufen«, so Huang. Der SUV und die Kleinlimousine, in denen Tais Chuu gerade noch saß, werden unter der Marke Luxgen verkauft, die Foxtrons taiwanischem Miteigner Yulon Motor gehört.
Für Foxconn, das auf der Liste des US-Magazins »Fortune« über die weltweit umsatzstärksten Unternehmen Platz 27 belegt, gehört der Vorstoß zu einer größeren Diversifizierungsstrategie. Sie hat nicht zuletzt geopolitische Hintergründe. Denn im Geschäft für Smartphonefertigung ist der Konzern bisher vor allem in China aktiv, wo der Wind über die vergangenen Jahre ziemlich rau geworden ist. Das kommunistische Festlandchina betrachtet die demokratisch und unabhängig regierte Insel Taiwan als Teil seines eigenen Territoriums, droht immer wieder mit einer Invasion.
Foxconn bietet auf dem chinesischen Festland Hunderttausende Arbeitsplätze und musste lange keine Repression fürchten. Im Sommer verkündete aber Terry Gou, Gründer von Foxconn und eine schillernde Figur der taiwanischen Öffentlichkeit, bei der letzten taiwanischen Präsidentschaftswahl im Januar anzutreten. Gou, dem es an Selbstvertrauen nicht mangelt, sah sich als idealer Kandidat: Einerseits vertrete er als Taiwaner die Interessen Taiwans, andererseits habe er als Investor einen guten Draht nach Peking. Gou würde Frieden schaffen.
Nachdem Gou im Wahlkampf verkündet hatte, er würde sich auch vom chinesischen Staat nichts sagen lassen, begannen chinesische Steuerbehörden, sich die Bücher von Foxconn genauer anzusehen. Beobachter interpretierten das Vorgehen als Revanche gegenüber Gous forschen Äußerungen. Gou zog seine Kandidatur schließlich zurück. Foxconn muss sich nun trotzdem dringend umorientieren. Auch, weil Apple, der wichtigste Auftraggeber von Foxconn, einen Abzug aus China erwägt. Dem existenziell bedrohten Taiwan könnte eine breitere Aufstellung des Konzerns sowohl ökonomisch als auch sicherheitspolitisch helfen. »Wir haben über die letzten Jahre versucht, weniger abhängig von China zu werden«, sagt etwa Chiu Wen-Li, die bei der Regierungspartei DPP das Referat für internationale Beziehungen leitet. Taiwans größter Handelspartner ist dennoch bis heute China.
Peter Lim, Ökonom und ehemaliger Entwicklungsminister für die heute oppositionelle Partei KMT, beklagt zudem: »Wir sind ökonomisch viel zu abhängig von unserer Halbleiterindustrie.« Denn einerseits produziert Taiwan – und hier allen voran der Konzern TSMC – mehr als die Hälfte aller Mikrochips weltweit. Auch China ist insofern auf funktionierende Fabriken in Taiwan angewiesen, da die chinesische Industrie ohne die Chips schnell straucheln würde. Solange Taiwans Betriebe hier von systemischer Bedeutung sind, ist eine Invasion durch die chinesische Volksarmee unwahrscheinlich.
Andererseits: Gerade, weil die globalen ökonomischen Verwerfungen enorm wären, falls China wider Erwarten doch angreifen sollte, haben mehrere Staaten Druck auf TSMC ausgeübt, auch in den USA, Japan und der EU Fabriken zu errichten. Mehrere neue Fertigungsstätten befinden sich nun in Bau. Und was die Weltwirtschaft freut, hat Taiwan eher geschwächt. Denn künftig wird man anspruchsvolle Halbleiterprodukte auch von anderswo beziehen können. Könnte die 24-Millionen-Insel eine neue Industrie aufbauen, die ähnlich bedeutend wird?
Erste Partnerschaften hat Foxtron bereits unterzeichnet, etwa mit dem saudi-arabischen Staatsfonds PIF. Die gemeinsame Marke Ceer soll dazu beitragen, Saudi-Arabien vom Öl unabhängig zu machen und E-Autos zum Standard im Mittleren Osten zu machen. Komponenten für das Projekt kommen von BMW. Auf taiwanischen Straßen fahren bereits E-Busse von Foxconn. Bis 2030 sollen alle Busse, so gibt es Taiwans Regierung vor, elektrisch sein. »Da haben wir jetzt schon so viele Bestellungen, dass wir kaum hinterherkommen«, sagt Chuu.
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