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Volksentscheid-Pläne in Berlin: Initiative will Bäume-Plus-Gesetz
Die Initiative Volksentscheid Baum will spätestens 2026 einen neuen Gesetzesentwurf zur Abstimmung stellen
Hitze kommt, Bäume verschwinden: Die Initiative Volksentscheid Baum zeigt die katastrophalen Folgen der Klimakrise in Verbindung mit fehlenden Klimaanpassungsmaßnahmen in Berlin auf. »Im Jahr 2022 sind in Berlin zwölfmal mehr Menschen an Hitze gestorben, als es Verkehrstote gab. Insgesamt waren es 416 Hitzetote«, so Génica Schäfgen von der Initiative auf einer Pressekonferenz am Montag. Um die Stadt besser vor Hitze zu schützen, will die Interessengemeinschaft ein Klimaanpassungsgesetz auf den Weg bringen. Bäume spielen dabei eine entscheidende Rolle, da sie zur Abkühlung der Stadt beitragen.
Die Gesundheitsgefährdung durch die Klimakrise trifft nicht alle Berliner*innen gleich: Zum einen sind ältere und bewegungseingeschränkte Menschen besonders gefährdet, da sie schlimmstenfalls in zu warmen Wohnungen feststecken. Zum anderen »können sich nicht alle eine Klimaanlage leisten, oder ein Sommerhäuschen in Brandenburg«, sagt Schäfgen. »Es ist auch eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.«
Der Entwurf des Bäume-Plus-Gesetzes mit 26 Paragrafen, den die Initiative an die Senatsinnenverwaltung für eine Kostenabschätzung übergeben hat, spricht von sogenannten Hitzevierteln. Alle Planungsbereiche, welche eine hohe Temperatur, starke Luftbelastung oder wenig Grünflächen haben, sollen gemäß des Berliner Umweltgerechtigkeitsatlasses als Hitzeviertel markiert werden. Aktuell treffe dies auf etwa 150 Bereiche zu, welche entsprechend umgebaut werden müssten. Gesetzlich will die Initiative eine Kühlung um zwei Prozent in allen Hitzevierteln bis 2040 festschreiben, bei besonders heißen Straßen um drei Prozent.
Neben einer umfassenden Planung zur Abkühlung der Hitzeviertel sollen auch Maßnahmen zum Mindestschutz vor Hitze für die Berliner Bevölkerung festgelegt werden. Zum Beispiel soll auf jeder Straßenseite alle 15 Meter ein Baum stehen, damit Hauptstädter*innen an heißen Tagen nicht der prallen Sonne ausgesetzt sind. Das bedeute einen Zuwachs von 300 000 Bäumen. Aktuell gebe es einen maximalen Bestand von 430 000 Bäumen in Berlin.
Es gehe aber nicht nur um Anzahl und Dichte, sondern auch um den Zustand der Bäume: »Die Baumscheiben müssen größer werden, damit die Bäume erhalten bleiben«, sagt Felix Mühlmann vom Volksentscheid Baum. Als Baumscheiben werden im Gesetz »die unversiegelte Fläche um den Stamm von Straßenbäumen sowie der unverbaute unterirdische Wurzelraum« definiert, deren Größe in Zukunft an der Oberfläche einem Standard von sechs bis zwölf Quadratmetern entsprechen soll. Dadurch könne mehr Wasser um den Baum herum in den Boden versickern, um diesen zu versorgen.
Überhaupt muss in den Augen von Volksentscheid Baum deutlich mehr für Pflege und Erhalt der Berliner Bäume getan werden. »Wir haben dieses Jahr einen Kahlschlag erlebt«, sagt Schäfgen. Es seien viele Bäume gefällt worden, von denen aber nur die Hälfte nachgepflanzt wurden. Dazu kommt, dass etwa die Hälfte aller Stadtbäume in einem schlechten Zustand seien. Schäfgen prognostiziert, dass der Baumbestand in Berlin in den kommenden Jahren ohne Gegenmaßnahmen deutlich zurückgehen wird.
Weitere Kernmaßnahmen sind wohnortnahe »Kühlinseln« in einer Entfernung von 150 Metern sowie der Zugang zu »klimawirksamen öffentlichen Grünflächen« von einem Gesamtumfang von mindestens einem Hektar in einer Entfernung von 500 Metern vom eigenen Wohnort. Außerdem sollen Maßnahmen zur Regenwassernutzung und Vorgaben zur Gebäudebegrünung gesetzlich vorgegeben werden.
Nach Einreichung bei der Innenverwaltung hat diese jetzt zwei Monate Zeit, um eine Kosteneinschätzung zu erstellen. Danach können weitere Schritte für ein Volksbegehren eingeleitet werden. Zur Abgeordnetenhauswahl 2026 soll es einen entsprechenden Volksentscheid geben – Wenn nicht vorher der Senat oder Abgeordnete das Gesetz eigenständig einführen wollen: »Bislang hatten wir nur ein einziges Gespräch mit der Umweltverwaltung dazu, obwohl wir mehrmals angefragt haben«, sagt Umweltaktivist Heinrich Strößenreuther vom Volksentscheid Baum.
An der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs hätten sich lediglich Linke und Grüne aktiv beteiligt, SPD und CDU hingegen nicht. Die Initiative ist aber zuversichtlich, dass sie ihr Gesetz bekommt, selbst wenn der politische Wille im Senat ausbleiben sollte. »Die Bürger sind sehr empört über den Umgang mit den Bäumen in Berlin«, sagt Strößenreuther. Das sei ein ausschlaggebender Grund, damit Berliner*innen bei einem etwaigen Volksentscheid für das Bäume-Plus-Gesetz stimmen werden.
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