Verfassungsschutz in Sachsen: Ein Dutzend Seiten für die AfD

Landesamt legt Jahresbericht vor und warnt vor »Freien Sachsen«

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist eine Premiere: Der AfD ist ein eigenes Kapitel im Jahresbericht des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz gewidmet. Im Dezember 2023 hatte die Behörde den Landesverband der Partei als »gesichert rechtsextremistische Bestrebung« eingestuft. Jetzt äußert sie sich in ihrem Report für das abgelaufene Jahr auf zwölf der 242 Seiten dazu, warum sie das für erforderlich hält. Unter anderem heißt es, die AfD strebe einen »Systemwechsel« an. Sie unternehme auch »kaum noch Anstrengungen«, sich von ihren rechtsextremen Positionen zu distanzieren. Vielmehr habe sie derartigen Strömungen »Tür und Tor geöffnet«. AfD-Landeschef Jörg Urban nannte die Behörde im Gegenzug eine »Gesinnungspolizei«.

Die Einstufung als rechtsextrem für die AfD mit ihren 1300 Mitgliedern sowie für deren 100 Mitglieder zählende Nachwuchsorganisation Junge Alternative führt dazu, dass die Zahl der Rechtsextremen deutlich auf 5750 steigt. Im Vorjahr wurde sie auf 4350 beziffert, 2015 lag sie mit 2700 weniger als halb so hoch wie heute. 1400 Rechtsextreme gelten als gewaltorientiert. Die Zahl rechtsextremer Straftaten sei mit 2566 »sprunghaft auf einen neuen Höchstwert gestiegen«, heißt es. Es gab 712 fremdenfeindliche Straftaten, so viele wie seit 2015 nicht mehr. Die Zahl der rechten Gewalttaten wird auf 69 beziffert. 2015 waren es 201 gewesen.

Zu den rechtsextremen Kräften, die der Verfassungsbericht beobachtet, gehören altbekannte Parteien und Gruppen. Etliche sind auf dem absteigenden Ast. Die in »Die Heimat« umbenannte NPD etwa, die von 2004 bis 2014 im Landtag saß, sei »in desolatem Zustand«, so der Bericht. Der vor allem in Westsachsen aktive Dritte Weg löst derzeit dem Vernehmen nach seine wichtigste Niederlassung im Vogtland auf, was im LfV-Bericht noch keinen Niederschlag findet. Dargestellt werden auch die Aktivitäten der islamfeindlichen Pegida-Bewegung, die aber ihren Zenit ebenfalls längst überschritten hat.

Allerdings trat an deren Stelle mit den erst 2021 gegründeten Freien Sachsen eine neue und extrem mobilisierungsfähige Gruppe. Der Verfassungsschutz spricht von einer »Mobilisierungsmaschine« für Proteste, die von Corona über den Ukraine-Krieg bis zur Zuwanderung eine Vielzahl beliebig austauschbarer Themen instrumentalisiere, deren rechtsextreme Ausrichtung aber eindeutig sei. Die Aktivitäten der Freien Sachsen, die sich als Sammlungsbewegung sehen und beispielsweise namhaften Funktionären der NPD eine zweite Heimat bieten, richteten sich »gegen den Bestand des Bundes«, heißt es.

Gewarnt wird nicht zuletzt vor den Absichten, die die Freien Sachsen mit ihrer Teilnahme an den Kommunalwahlen am 9. Juni verbinden. Bei diesen blasen sie zum »Sturm« auf die Rathäuser. Der Verfassungsschutz warnt, den Aktivisten gehe es nicht um konstruktives Engagement in den Kommunen, sondern darum, die dortigen Entscheidungsgremien »zu ›erobern‹, mindestens jedoch zu unterwandern«. Führende Funktionäre geben als Parole aus, man wolle vom »Gegner« für die Zeit nach dem ersehnten Systemumsturz und den Aufbau einer eigenen Verwaltung lernen und den kommunalen Verwaltungen bis dahin »das Leben schwerer machen«. Der grüne Innenexperte Valentin Lippmann fordert angesichts dieser Enschätzungen, es sei »eine staatliche Aufgabe, diesen Aktionen konsequent entgegenzutreten«. Die Sicherheitsbehörden müssten »endlich mehr Zähne zeigen«.

Das Verhältnis von AfD und Freien Sachsen ist nach Einschätzung des Landesamtes »ambivalent«. Einerseits konkurrierten beide Parteien um Stimmen und Mandate. Andererseits gebe es auf lokaler Ebene eine zunehmende Zahl von Kooperationen. Ein Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD sei nicht mehr als ein »Feigenblatt«, sagt die Linke-Abgeordnete Kerstin Köditz. Was die Verankerung in der Bevölkerung anbelangt, ist die AfD nach Einschätzung des Verfassungsschutzes deutlich weiter als die Freien Sachsen. Obwohl sie ihre verfassungsfeindlichen Positionen »mit Nachdruck« propagiere, stoße ihr Kurs »in der gesellschaftlichen Mitte auf breite Resonanz«, konstatiert die Behörde fast schon resigniert.

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