Umsturzpläne Rechter: Der Oberst und die verfolgte Unschuld

Im Prozess gegen »Reichsbürger« um Prinz Reuß hat die Beweisaufnahme begonnen – mit einer aggressiven Verteidigung

  • Joachim F. Tornau, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.

Maximilian Eder schwieg – und, ja, das ist tatsächlich eine Nachricht. In der illustren Gruppe der mutmaßlichen »Reichsbürger«-Verschwörer*innen um Heinrich XIII. Prinz Reuß, die sich seit einer Woche vor dem Frankfurter Oberlandesgericht verantworten müssen, ist der Ex-Oberst einer der besonders Illustren. 38 Jahre lang war er bei der Bundeswehr, diente im Kosovo, in Afghanistan, im Nato-Hauptquartier in Brüssel, bei der Eliteeinheit Kommando Spezialkräfte (KSK). Und der 65-Jährige glaubt fest an die antisemitische QAnon-Verschwörungserzählung. Danach foltern Machteliten in unterirdischen Tunneln Kinder und zapfen ihnen ein Verjüngungselixier ab.

Im Prozess gegen die Führungsriege der von der Bundesanwaltschaft als terroristische Vereinigung eingestuften »Patriotischen Union« stand Eder am Mittwoch im Mittelpunkt. Und der Mann, der sonst so mitteilsam ist, faltete die Hände und hörte zu. Kürzlich hatte er noch dem »Stern« ein Interview aus dem Gefängnis gegeben, und, als er kürzlich in München wegen Alkohol am Steuer vor Gericht stand, mehrere Stunden lang über sich und seine Weltsicht geredet.

Eine Ermittlerin schilderte die Eckdaten seines Lebens, von seiner Karriere beim Millitär über seine vier hochpreisigen Autos bis zu den Schulden, die er trotz eines Ruhegehalts von 4356 Euro netto hat. Nichts Brisantes eigentlich.

Dennoch griff die Verteidigung fast sämtlicher Angeklagter die BKA-Beamtin immer wieder frontal an. Sogar eine mögliche Manipulation ihrer Aussagegenehmigung wurde suggeriert. Ein kleiner Vorgeschmack, wie es in diesem Verfahren zugehen wird, wenn es ans Eingemachte geht und Zeug*innen zum konkreten Anklagevorwurf gehört werden: dass die »Patriotische Union« den bewaffneten Umsturz in Deutschland geplant haben soll.

Eders Anwalt Ralf Dalla Fini verwahrte sich dagegen, dass sein Mandant medial als »Verschwörungstheoretiker« und »Reichsbürger« dargestellt werde. »Er steht immer noch auf dem Boden des Grundgesetzes«, sagte der Anwalt. Bereits am Vortag hatte er beantragt, das Verfahren gegen Eder einzustellen, unter anderem, weil der wegen seiner Trunkenheitsfahrten zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt worden war. Es würde zu weit führen, hier die Argumentation des Anwalts nachzuzeichnen. Bloß so viel: Die Erfolgschancen des Antrags dürften begrenzt sein.

Ebenfalls am vorangegangenen Verhandlungstag hatte erstmals eine Angeklagte selbst das Wort ergriffen: Vitalia B., die Lebensgefährtin des als Rädelsführer angeklagten Prinz Reuß, stellte sich als promovierte Kunsthistorikerin vor. Sie male und zeichne gern, sagte die 40-Jährige, sie sticke und stricke, auch im Gefängnis. Außer der Kunst möge sie klassische Literatur und Musik sowie klassische Philosophie. Und »den Prinzen«, wie sie ihren fast doppelt so alten Lebensgefährten nannte. »Das ist Liebe.«

Die Bundesanwaltschaft wirft Vitalia B. als einziger Angeklagter lediglich die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor, nicht die Mitgliedschaft. Die aus Russland stammende Frau soll ein Gespräch angebahnt haben, bei dem Prinz Reuß dem russischen Generalkonsul in Leipzig von den Putschplänen der »Patriotischen Union« berichtet habe. Außerdem soll sie bei der Beschaffung und Einrichtung von Satellitentelefonen geholfen haben.

Zu den Vorwürfen wird sie sich erst später äußern. Zunächst ging es nur um ihre Person. Doch dass man nicht unschuldiger sein könne als sie – diese Botschaft sandte sie jetzt schon aus. Als Tochter aus gutem Hause präsentierte sie sich, gepflegt, wohlhabend und doch bescheiden. Einzige Schwäche: ihr Perfektionismus. Weniger Ecken und Kanten kann man kaum zeigen.

Nur die erstaunlich hohen Geldsummen, die sie schon als Studentin auf dem Konto hatte und die sie nicht recht erklären wollte, irritierten. Vitalia B. trat so höflich auf, dass der Senatsvorsitzende Jürgen Bonk ihre Befragung schließlich mit Worten beendete, wie sie Angeklagte vor Gericht eher selten zu hören bekommen: »Ich darf mich für das Gespräch bedanken.«

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