Die Wahrheit hinter der Legende

Das Verschwinden der Salomonen-Insel Teonimenu

  • Barbara Barkhausen
  • Lesedauer: 4 Min.
Im Gebiet der Salomonen kann es immer wieder zu Seebeben kommen.
Im Gebiet der Salomonen kann es immer wieder zu Seebeben kommen.

Teonimenu lag im Gebiet der heutigen Salomonen – ein Land im südwestlichen Pazifik, das auch heutzutage noch aus Tausenden kleiner Inseln besteht. Lange Zeit gehörte auch Teonimenu zu diesem Archipel, doch irgendwann zwischen dem Besuch des spanischen Seefahrers und Forschers Álvaro de Mendaña im Jahr 1568 und dem des britischen Kapitäns James Cook zwischen 1768 und 1771 muss sie im Meer versunken sein. Tippt man heute 9°59'36»S 161°59'10«E in Google Earth ein, so sieht man nur noch das tiefblaue Wasser des Pazifiks – eine Stelle, die als Lark Shoal bekannt ist. Umrisse lassen erkennen, dass hier eine Insel gewesen sein könnte – zumindest ist die Wassertiefe relativ gering, um die acht oder neun Meter.

Laut Patrick Nunn, einem Forscher der australischen University of the Sunshine Coast und Autor eines Buches über verschwundene Inseln und Kontinente im Pazifik, gibt es keinen Zweifel, dass die Insel oder Inseln existierte(n) und dass sie von mindestens 500 bis 600 Leuten bewohnt war(en). »Die Geschichte ist auch heute noch von größter Relevanz, weil sie zeigt: Inseln können plötzlich verschwinden«, sagte Nunn. Vor allem Inseln in einer tektonisch aktiven Region wie die des Westpazifiks seien gefährdet.

Vom Ehemann verflucht

Die überlieferten Geschichten der Einheimischen berichten, dass die Katastrophe ihren Lauf nahm, als eine lokale Schönheit namens Sauwete’au einen jungen Mann namens Roraimenu von der nahegelegenen Insel Ali’te heiratete. Nach einer gewissen Zeit hatte Sauwete'au genug von ihrem Mann und flüchtete gemeinsam mit einem Liebhaber auf ihre Heimatinsel Teonimenu. Ihr Ex-Mann jedoch erstand einen sogenannten Wellenfluch, den er auf Teonimenu legte. Die Erzählungen schildern, wie am nächsten Morgen Rauch aus dem dunstvernebelten Wasser aufgestiegen sein und ein Grollen den Untergang der Insel markiert haben soll. Acht große Wellen hätten die Insel überschwemmt, bis nichts mehr von ihr zu sehen gewesen sei.

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Die Wahrheit ist laut Nunn vermutlich nicht so weit von der Legende entfernt und lässt sich aus der überlieferten Geschichte »herauslesen«. So vermutet der Forscher, dass Teonimenu von einem großen Erdbeben am Meeresboden getroffen wurde, das dazu führte, dass der Teil des Unterwasserrückens, aus dem die Insel emporgestiegen war, instabil wurde. Dies könnte bewirkt haben, dass die Insel durch einen massiven Erdrutsch relativ plötzlich in tieferes Wasser abrutschte. »Diese abrupte Bewegung des Meeresbodens verursachte eine Reihe von Tsunamiwellen, die über die sinkende Insel hinwegfegten«, so der Forscher.

Laut Nunn decken sich die mündlichen Überlieferungen über die Insel von mindestens zwölf bis 15 Gemeinden auf den Salomonen. Über die Erzählungen fanden die Forschenden auch heraus, dass Teonimenu vermutlich schnell gesunken ist und es nur wenige Überlebende schafften, sich in Kanus zu retten, an Hölzern festzuklammen oder zu anderen Inseln zu schwimmen. Nunn sagte, er halte es für realistisch, dass 90 Prozent der Bewohner die Katastrophe nicht überlebten.

Überlieferte Geschichten ernst nehmen

Tony Heorake, Direktor des Nationalmuseums der Salomonen, der gemeinsam mit Nunn an dem Projekt arbeitete, bestätigte dem australischen Sender ABC vor Kurzem, dass die Geschichte von Teonimenu auch von seiner eigenen Familie weitergegeben worden sei. »Ich bin einer der direkten Nachkommen von Teonimenu mütterlicherseits«, sagte er. »Nachdem die Insel gesunken war, überlebten einige meiner Vorfahren und trieben auf Bananenbaumstämmen und anderen Trümmern.« Laut Heorake haben sich seine Vorfahren an der Südspitze der Insel Ulawa niedergelassen, die nördlich von Teonimenu liegt. Dort lebe seine Familie immer noch, berichtete er. Bis heute würden die Ältesten der Familie Geschichten über Teonimenu erzählen und dabei auch über die verschiedenen Tiere und Pflanzen, die verschiedenen Arten des Fischens und die Jagd auf der Insel. Die Insel soll grün und fruchtbar gewesen sein, während die Insulaner für ihre aufwändig geschmückten Kanus bekannt waren.

Nunn plädiert dafür, dass Forschende mündliche Überlieferungen wie die über Teonimenu häufiger in ihre wissenschaftliche Arbeit einbeziehen sollten. Auch im benachbarten Vanuatu, auf Fidschi oder in Papua-Neuguinea gebe es ähnliche Erzählungen über versunkene Inseln. Die Geschichten sollten vielmehr als Warnung dienen, denn derartige Vorfälle könnten sich in erdbebengefährdeten Regionen jederzeit wieder ereignen. Eine besonders gefährdete und in Teilen instabile Insel sei beispielsweise das zu Vanuatu gehörende Eiland Tanna, berichtete Nunn.

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