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Böse Überraschung für Sunak
Rechte Konkurrenz kann die Tories bei der britischen Parlamentswahl viele Stimmen kosten
Am Dienstagmittag stand Nigel Farage auf dem Pier von Clacton, an der englischen Ostküste, und rief der Menge zu: »Schickt mich nach Westminster, damit ich eine richtige Nervensäge sein kann!« So lancierte Großbritanniens berühmtester rechter Demagoge seine Wahlkampagne. Er will für die Reform Party ins Unterhaus einziehen, um den Politbetrieb in London durchzuschütteln.
Seine Kandidatur kam unerwartet. Nach wochenlangen Dementis machte er am Montag bekannt, dass er es sich anders überlegt habe. Er übernahm den Vorsitz der Reform-Partei und gab seine Kandidatur für den Wahlkreis Clacton bekannt. Er wolle »eine politische Revolte« auslösen, so Farage. Das ist ihm schon einmal gelungen: Als Vorsitzender der EU-kritischen United Kingdom Independence Party (Ukip) zwang er die Tories dazu, 2016 das EU-Referendum abzuhalten. Als der Brexit einige Jahre später in Gefahr war, gründete er kurzerhand die Brexit Party, die erneut genügend Druck aufbaute, um die Tories in Richtung eines harten Austritts zu drängen.
In anderer Hinsicht war er jedoch weit weniger erfolgreich. Bereits siebenmal hat Farage versucht, ins Unterhaus einzuziehen. Und jedes Mal ist er gescheitert. Diesmal jedoch könnte es klappen. Wenn es einen Sitz im Land gibt, den er gewinnen könnte, dann ist es Clacton. Das Küstenstädtchen in Essex hat überwältigend für den Brexit gestimmt, und die Wähler haben Erfahrung mit Rechtsaußen: Der hiesige Abgeordnete Douglas Carswell lief vor rund zehn Jahren von den Tories zu Ukip über. Die riesige Menschenmenge, die sich am Dienstag zwischen dem Riesenrad und der Pommesbude am Pier von Clacton versammelte, verdeutlicht seine Popularität, auch wenn 2017 der Sitz wieder an einen Konservativen ging.
Für Premierminister Rishi Sunak und die Tories ist Farages Kandidatur ein Debakel. Das Letzte, was sie gebrauchen können, ist Konkurrenz von rechts – noch dazu von einem wortgewandten Populisten, den das Magazin »New Statesman« den »vollendetsten Politiker seit Tony Blair« nennt. Die Medien stehen schon jetzt Schlange, um Farage zu interviewen, und so ist ihm jede Menge Publizität garantiert. Auch wird er als Parteichef die Möglichkeit haben, an den Fernsehdebatten teilzunehmen und seine Argumente unter die Leute zu bringen, vor allem zum Thema Einwanderung. Am Dienstag sagte er, sein Ziel sei eine Netto-Einwanderung von null.
Tausende konservative, migrationsfeindliche Wählerinnen und Wähler werden seiner Reform-Partei den Vorzug vor den Tories geben. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass diese Partei im britischen Mehrheitswahlsystem Sitze gewinnt, mit der Ausnahme von Clacton. Aber um den Tories zu schaden, reicht es, Sunaks Partei in bestimmten Wahlkreisen eine ausreichende Zahl von Stimmen wegzuschnappen: Laut Wahlforschern könnte Farages Kandidatur zur Folge haben, dass die Tories 60 Sitze zusätzlich verlieren.
Dabei sah es für Sunak bereits betrüblich aus, bevor Farage seine Bombe platzen ließ. Wenige Stunden vor seiner Ankündigung wurden die Resultate der ersten detaillierten Umfrage seit Beginn des Wahlkampfs publiziert. Das Ergebnis: Nach derzeitigem Stand hätte Labour eine Mehrheit von fast 200 Sitzen – die Tories würden richtig plattgemacht.
Farage blickt bereits auf die Zeit nach der Wahl. Denn nach dem erwarteten Fiasko werden sich die Tories überlegen müssen, wie sie wieder zu einer bedeutenden politischen Kraft werden können. Einflussreiche Politiker wie die ehemalige Innenministerin Suella Braverman wollen einen Schwenk nach rechts – und die Präsenz einer gestärkten Reform-Partei unter Farage wird ihre Position stärken.
Es wird sogar spekuliert, dass Farage selbst zu den Tories überlaufen könnte. Dies bestritt er jedoch am Dienstag – es verhalte sich gerade andersherum: Farages Reform-Partei wolle die Tories als wichtigste Partei rechts der Mitte ersetzen oder übernehmen.
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