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Angeklagter Prinz Reuß: Ein nicht ganz so seriöser Geschäftsmann

Im »Reichsbürger«-Prozess zeichnen Ermittler ein wenig schmeichelhaftes Bild von Prinz Reuß

  • Joachim F. Tornau
  • Lesedauer: 3 Min.

Ungefähr so sieht wohl jemand aus, dem man ohne große Bedenken einen Gebrauchtwagen abkaufen würde: Heinrich XIII. Prinz Reuß trägt ein zartrosafarbenes Hemd unter dunklem Sakko, nicht zu weit aufgeknöpft, dazu eine elegante Brille und sorgsam zurückgekämmtes weißes Haar. Ein Geschäftsmann, distinguiert und seriös. Das ist das Bild, das der 72-Jährige von sich selbst wohl gern vermitteln möchte. Doch es lässt sich nur schwer in Einklang bringen, mit den Fakten, die beim Prozess gegen ihn und seine mutmaßlichen Mitverschwörer*innen der »Patriotischen Union« nach und nach zum Vorschein kommen.

Und da geht es noch gar nicht um den Anklagevorwurf: dass der Frankfurter Unternehmer der Rädelsführer einer Terrororganisation aus dem Milieu rechter »Reichsbürger« und Corona-Leugner*innen gewesen sein soll, die einen bewaffneten Überfall auf den Bundestag geplant habe – einen Staatsstreich. Seit zwei Wochen wird gegen Prinz Reuß und acht mutmaßliche Mitstreiter*innen, darunter die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann, vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt verhandelt. Weitere neun Männer stehen in Stuttgart vor Gericht, in München folgt vom 18. Juni an ein dritter Prozess, mit acht Angeklagten.

Es ist ein Mammutverfahren. In Frankfurt hat es damit begonnen, dass sich das Gericht darüber informieren will, wen es eigentlich vor sich hat. In dieser Woche wurden Polizeibeamt*innen vernommen, die sich mit Prinz Reuß beschäftigt haben; die zum Beispiel sein Firmengeflecht unter die Lupe genommen haben.

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Rund zehn Unternehmen zählte am Mittwoch ein Ermittler des Bundeskriminalamts auf. Nur selten trat Prinz Reuß dabei selbst in Erscheinung, oft schob er einen Geschäftspartner nach vorn. »Ich würde hier den Begriff eines Strohmannes verwenden«, sagte der Beamte. Etliche Firmen existierten zudem nur vorübergehend, manche wurden aus dem Register gelöscht, weil Prinz Reuß (oder sein Kompagnon) geforderte Dokumente nicht vorlegten. Handelt so ein seriöser Geschäftsmann?

Bereits am Vortag hatte ein anderer BKA-Mann über die Festnahme von Prinz Reuß am 7. Dezember 2022 berichtet – und über die Durchsuchung seiner Wohnung. »Teilweise chaotisch« habe es darin ausgesehen, erinnerte sich der Kriminalhauptkommissar. »Wir mussten uns Platz freiräumen, um durchsuchen zu können.«

In einer Liste hielt der Beamte fest, was mitgenommen wurde. Dem Eintrag »Zettel mit esoterischen Sprüchen« folgte dabei unmittelbar der Vermerk »Dokumente zur Umgestaltung des Staates«; neben Bargeld stieß die Polizei auch auf Kleinkalibermunition. In den Geschäftsräumen des Unternehmers fand sich eine Truhe mit Nazi-Devotionalien.

»Empört« reagiert habe Prinz Reuß nur auf die Patronen, sagte der Polizist. Die seien nicht von ihm. Ansonsten sei keine nennenswerte Reaktion erkennbar gewesen. Zumindest in Sachen Contenance scheint der adlige Angeklagte seinem Selbstbild gerecht geworden zu sein.

Von vornehmer Zurückhaltung kann auf Seiten der Verteidigung indes keine Rede sein. Dem Anwalt Jürgen Lober wurde am Mittwoch sogar einmal der Ton abgedreht, anders hatte er sich vom Richter nicht unterbrechen lassen. Die Verteidiger*innen wollten unter anderem wissen, wer die Presse über die Razzia informiert hatte. Das von ihnen vermutete Komplott von Bundesanwaltschaft und Medien konnte der befragte Polizist nicht bestätigen. Es passiere immer wieder, dass etwas durchsickere, sagte er.

Auch von den neuerlichen Razzien in dieser Woche erfuhr die Presse noch vor der Verteidigung: In drei Bundesländern wurden mehrere Grundstücke und Objekte durchsucht, unter anderem, um mögliche Waffendepots zu finden. »Der ›Spiegel‹ ist immer der Erste, der mich informiert«, beschwerte sich Rechtsanwalt Lober. Richter Bonk konterte: Dann möge der Verteidiger doch am besten dort nachfragen.

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