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Mietenwahnsinn in Berlin: Lernen vom Kampf in Madrid
Ein Handbuch der Mieter*innengewerkschaft von Madrid lässt Schlüsse für die deutsche Hauptstadt zu
»Ich war alleinerziehende Mutter und ich habe meine Wohnung verloren. Das machte mich wütend und ich traf Menschen, die genau das Gleiche erlebten.« So schildert Hesther Rachel Gallen, wie sie zur London Renters Union stieß, also zur Londoner Mieter*innen-Union, und dort Organisationsaufgaben übernahm. Wut auf die Vermieter, die Profit mit Wohnungen machen, hat sie noch immer. Aber sie ist auch überzeugt, dass die Mieter*innen etwas ändern können, wenn sie sich zusammenschließen.
Gallens Optimismus zeigte sich vergangene Woche, als sie mit ihrer Mitstreiterin Roisin O’Donnel bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung ihre Arbeit vorstellte. Das Motto lautete: »Organisieren heißt, anfangen zu gewinnen.« Das ist auch die Devise von Valerie Racu und Pablo Perez, die in Madrid eine Mieter*innengewerkschaft aufbauen. 2017 haben sie anfangen, mittlerweile ist die Organisation so stark gewachsen, dass sie strukturelle Veränderungen vornehmen mussten, um alle Menschen einbeziehen zu können, die mitmachen wollen. Denn das ist das Grundprinzip der Madrider Mieter*innengewerkschaft. Sie ist eine Selbstorganisation von den Mieter*innen und kein bürokratischer Apparat.
Die Grundlage ihrer Arbeit beschreibt Valerie Racu so: »Es geht uns nicht nur darum, Zwangsräumungen zu verhindern. Das Mietverhältnis ist immer ein Kampffeld. Mal geht es um zu hohe Mieten, mal um nicht eingehaltene Verträge.« Dabei hat die Mieter*innengewerkschaft einerseits das Ziel, diese Missstände zu beenden. Doch andererseits gehe es langfristig um eine Gesellschaft, in der Wohnen keine Ware mehr ist. Dass man dafür einen langen Atem braucht, ist Racu und Perez klar.
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Doch nicht alle Mitglieder wollen so lange kämpfen. Manche sehen ihre Wohnung als Rückzugsort und nicht als Kampffeld. Diese unterschiedlichen Interessen müssen in der Mieter*innengewerkschaft Platz haben. Über die unmittelbaren Abwehrkämpfe hinaus werden auch positive Alternativen entwickelt. Racu nennt als Beispiel ein Kollektiv, das sich für Solarpaneele am Haus starkmacht. Perez und Racu betonen, dass sie keine Aktivist*innen sind und auch von politischen Kampagnen halten sie nichts. Sie wollen eine Gegenmacht von unten aufbauen.
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Ihre Erfahrungen haben die Madrider Mietrebell*innen in einem 80-seitigen Handbuch zusammengefasst, das von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in einer deutschen Übersetzung herausgegeben wurde. Dort wird beschrieben, wie es gelang, in sieben Jahren eine schlagkräftige Organisation aufzubauen. Der erste Grundsatz lautet: »Lerne Deine Nachbarschaft kennen.« In dem Handbuch findet sich auch ein Leitfaden für Haustürgespräche. Die gesellige Arbeit im Treppenhaus wird ebenso geschildert wie die Bedeutung einer gut strukturierten Tagesordnung für die erste Mieter*innenversammlung.
Im Vorwort des Handbuches geht Armin Kuhn, Mietenreferent der Luxemburg-Stiftung, auf die zwischen Deutschland und Spanien in der Wohnungsfrage bestehenden Unterschiede ein: »Spanien galt lange als Land der Wohnungseigentümer*innen, und noch immer wohnen drei von vier Haushalten in den eigenen vier Wänden – in Deutschland ist es weniger als die Hälfte.«
Berlin ist eine Mieter*innenstadt, erinnert Nina Scholz von der Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen«. Sie berichtet durchaus selbstkritisch: »Wir haben die Abstimmung gewonnen, aber viele Mieter*innen verloren.« Die erhoffte Selbstorganisierung habe nicht stattgefunden, viele Mieter*innen zogen sich Scholz zufolge wieder zurück.
Mit der Arbeitsgemeinschaft Starthilfe wird jetzt ein neuer Versuch gemacht, Mieter*innen bei der Vernetzung zu unterstützen. Im Gegensatz zur Madrider Mieter*innengewerkschaft kooperiert man mit bestehenden Mieter*innenverbänden. »Dabei geht es um juristische Beratung und Rechtsschutz bei Gerichtsverfahren, die für viele Mieter*innen wichtig sind«, erläutert Scholz.
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