Lahme Enten auf der Suche nach wirtschaftlichen Impulsen

Beim G7-Gipfel wird sich vieles um die schwache Konjunktuer im globalen Norden drehen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei der lahmen Enten, die zum G7-Gipfel erwartet werden
Zwei der lahmen Enten, die zum G7-Gipfel erwartet werden

Als strahlende Siegerin der Europawahlen wird EU-Kommissionspräsentin Ursula von der Leyen (CDU) auf dem Spitzentreffen der Gruppe sieben wichtiger Industriestaaten (G7) in der apulischen Kleinstadt Fasano auftreten. Die Spitzenkandidatin der Europäischen Volkspartei und ihre Konservativen sehen sich nach ihrem Erfolg weiter an den Schalthebeln in Brüssel. Beobachter erwarten nun einen Kurswechsel in Richtung Stärkung des Wirtschaftswachstums. Den Grünen dagegen geht angesichts der Machtverschiebung in Brüssel ihr Druckpotential im Parlament verloren, mit dem sie in der zurückliegenden Legislaturperiode den »Green Deal« oder das Verbrenner-Aus 2035 vorantreiben konnten.

Das wird auch beim G7-Treffen zu spüren sein. Zumal Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron nach ihren Wahlniederlagen geschwächt sind. Angesichts der kraftlosen Konjunktur in ihren Ländern werden beide auf wirtschaftspolitische Impulse vom Gipfel drängen – für die Eurozone wird für 2024 lediglich ein reales Wachstum von 0,8 Prozent erwartet. Als »lahme Enten«, von denen keine großen politischen Initiativen mehr ausgehen, gelten indes auch der unpopuläre japanische Ministerpräsident Fumio Kishida und US-Präsident Joe Biden. Zwar wächst die US-Wirtschaft (2024: 2,7 Prozent) aufgrund von Migration, Zollschranken und gigantischer staatlicher Subventionen deutlich schneller als die europäische. Aber der Wahlkampf und der mögliche Sieg Donald Trumps im November lähmen Biden politisch. Ähnlich sieht es beim Teilnehmer Großbritannien aus.

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Wenigstens bietet das Gipfeltreffen im Luxusresort Borgo Egnazia den Staats- und Regierungschefs der G7 die Gelegenheit zu zeigen, dass »sie fest entschlossen sind, die auf Rechtsstaatlichkeit basierende internationale Ordnung aufrechtzuerhalten«, gibt der Europäische Rat das Minimalziel vor. Außerdem solle die Zusammenarbeit mit Schwellen- und Entwicklungsländern gestärkt werden. Zu diesem Zweck hat der italienische Vorsitz Führungsspitzen aus zwölf Staaten des globalen Südens und von fünf internationalen Organisationen eingeladen. Ein Schwerpunkt wird – neben der pflichtschuldigen Diskussion über den Krieg in der Ukraine und den Konflikt im Nahen Osten – auf der wirtschaftlichen Entwicklung des Mittelmeerraumes und Afrikas liegen.

Ein weiteres zentrales Thema ist die derzeit allgegenwärtige Künstliche Intelligenz (KI). Dazu wird Papst Franziskus in einer Rede mahnende Worte an die Adresse der G7-Vertreter richten, die mit KI vor allem die Hoffnung auf wirtschaftliche Belebung verbinden. Für den Einsatz fordert der Vatikan hingegen seit langem eine »Ethik der Algorithmen«.

Ferner ist ein Treffen der G7-Regierungschefs mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj geplant. Dieses bildet den Auftakt für die am Wochenende in der Schweiz ohne Russland stattfindende »Konferenz zum Frieden in der Ukraine«. Vertreter Moskaus hatten früher auch an den informellen G8-Treffen teilgenommen – dieses Format wurde 2014 beerdigt.

Selenskyj und auch Kanzler Scholz hatten zuvor an der zweitägigen Ukraineaufbaukonferenz in Berlin teilgenommen, bei der weitere Milliarden zugesagt wurden. Um die Geschäftsbeziehungen wirklich zu stärken, müssen die G7-Staaten jetzt noch Risiken von Ausfuhren und Investitionen in der Ukraine umfassend absichern.

Da der Gipfel in Italien in einer angespannten weltwirtschaftlichen Lage stattfindet, soll »wirtschaftliche Sicherheit« ebenfalls wichtiges Thema sein. Dabei geht es um Angriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer oder die Spannungen zwischen China und Taiwan, aber vor allem um Konjunktursorgen. Denn während der IWF für viele Länder des globalen Südens ein kräftiges Plus von bis zu fünf Prozent oder mehr erwartet, prognostiziert er für den globalen G7-Norden für dieses Jahr kaum noch Wachstum.

Den langfristigen Trend, wie ihn auch linke Ökonomen sehen, verdeutlicht der Containerumschlag-Index des deutschen RWI-Forschungsinstituts. Während der Handel vor allem innerhalb Asiens kräftig zulegt, sinken die Umschlagszahlen in den europäischen Häfen. Trotz dieser Entwicklung: Beobachter rechnen aufgrund der Gegebenheiten in vielen Teilnehmerländern mit eher lahmen wirtschaftspolitischen Ergebnissen der G7-Gespräche.

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