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- Ezzes von Estis
Pelmeni
Pelmeni und Wareniki sind schwer voneinander zu unterscheiden. Es kommt drauf an, was drin ist.
In den Pelmeni ist etwas drin, was man von außen nicht sieht. Daher sind sie so geheimnisvoll. Und weil sie so geheimnisvoll sind, sind sie auch so menschlich. Denn auch im Menschen ist etwas drin, was man von außen nicht sieht, und zwar die Beinhaltung. Was ist die Beinhaltung des Menschen? Man weiß es nicht von außen.
Und was ist die Beinhaltung der Pelmeni? Man weiß es auch nicht von außen. Sondern man weiß es nur von innen, aber wenn man es von innen weiß, ist es zu spät, weil du es schon geschluckt hast und es nun Teil von dir ist. Aber von außen weißt du es nicht. Du weißt nicht, ist es Rindfleisch, ist es Kalbfleisch, ist es Gammelfleisch? Oder ist es Quark oder ist es Kohl oder ist es Pilz? Auch das kann die Beinhaltung sein, und wenn das die Beinhaltung ist, dann sind das aber gar keine Pelmeni mehr, sondern Wareniki.
Alexander Estis, freischaffender Jude ohne festen Wohnsitz, schreibt in dieser Kolumne so viel Schmonzes, dass Ihnen die Pejes wachsen.
Allerdings manchmal ist in den Wareniki doch wieder Rindfleisch, Kalbfleisch oder Gammelfleisch. Namen sind Schall und Rauch! Also selbst wenn man es schon geschluckt hat, weiß man am Ende noch immer nicht, ob es Pelmeni waren oder Wareniki, denn das weiß man wiederum nur von außen und nicht mehr von innen, und deshalb sind Pelmeni so geheimnisvoll.
Manchmal glaubt man von außen, es sind Wareniki mit Kohl, aber von innen sind es Pelmeni mit Fleisch. Oder trotzdem mit Kohl, nur eben Pelmeni. Fallax species rerum. Das bedeutet: Falsche Spezialität. Denn es gibt Wareniki, die absichtlich so schmecken wie Pelmeni, und Pelmeni, die absichtlich so aussehen, als wären es Wareniki. Wenn du von außen glaubst, es sind Wareniki, aber von innen glaubst du, es sind Pelmeni, dann sind es weder Wareniki noch Pelmeni. Was sind sie bitte dann, wenn sie weder Wareniki sind noch Pelmeni? Bitte, dann sind es Pelmeniki.
Deshalb sind Pelmeni so geheimnisvoll, weil man nie genau weiß, ob sie nicht eigentlich Wareniki sind oder doch Pelmeni, die aber wie Wareniki aussehen sollen, oder Pelmeni, die wie Wareniki schmecken sollen, oder Pelmeni, die wie Pelmeni aussehen und wie Pelmeni schmecken sollen.
Und dann beinhalten Pelmeni manchmal noch Kartoffeln. Vor allem dann, wenn es kein Fleisch gibt. Also fast immer, und sogar noch öfter als fast immer, wenn es noch nicht einmal Gammelfleisch gibt. Wareniki wiederum können manchmal Kirschen beinhalten. Und wenn Pelmeni manchmal sogar Kartoffeln beinhalten und Wareniki sogar Kirschen, dann könnten sie eigentlich alles beinhalten. Und das können sie wirklich. Daher weiß man oft von außen nicht, was die Beinhaltung ist, und auch von innen nicht, und auch nicht, ob man gerade Pelmeni geschluckt hat oder Wareniki oder Pelmeniki oder noch etwas ganz anderes, wie zum Beispiel einen Menschen, weil man dessen Beinhaltung auch nicht kennt, und das oft nicht nur von außen, sondern auch von innen.
Genau das ist der Grund, weshalb man Pelmeni nie mit Mautaschen vergleichen darf. Niemals! Das hört man schon am Namen: Pelme-nie. Namen sind ja nicht Schall und Rauch. Sonst könnten Pelmeni Wareniki heißen und Wareniki Pelmeni oder sogar andersherum. Wobei das vielleicht sogar einfacher wäre, als es ohnehin schon kompliziert ist. Mit den Maultaschen ist es aber ganz einfach. Man weiß immer, was ihre Beinhaltung ist, sowohl von außen als auch von innen. Und warum? Weil es auf der Packung steht.
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