Russland und Nordkorea: Ziemlich befreundete Nachbarn

Moskau und Pjöngjang beschließen strategische Partnerschaft und könnten auch Tourismus ausbauen

Eine Stadt in Weiß-Blau-Rot: Russlands Präsident Wladimir Putin wurde in Pjöngjang mit einem Riesenspektakel empfangen.
Eine Stadt in Weiß-Blau-Rot: Russlands Präsident Wladimir Putin wurde in Pjöngjang mit einem Riesenspektakel empfangen.

Kim Jong-un empfing seinen Gast mitten in der Nacht persönlich am Flughafen. Am Mittwochmorgen traf Russlands Präsident Wladimir Putin zum zweiten Mal nach 2000 in Nordkorea ein.

Erst im vergangenen Herbst hatten sich Putin und Kim in Russlands Fernem Osten getroffen und den Weltraumbahnhof Wostotschnyj besichtigt. Damals, so die Meinung von Beobachtern, wurde das Fundament für die Beziehungen zwischen den beiden Staaten gelegt. Der jetzige Besuch soll demonstrieren, dass sich diese Beziehungen bedeutend weiterentwickelt und die militärischen Verbindungen gefestigt haben.

Partnerschaftsvertrag mit Beistandsklausel

Tatsächlich werden die Beziehungen zwischen Moskau und Pjöngjang enger. Der neue Partnerschaftsvertrag, den Kim und Putin unterzeichneten, sei ein »Durchbruch«, der das Verhältnis zwischen Moskau und Pjöngjang auf eine »neue Ebene« hebe, sagte Putin. Was genau im Vertrag, der drei ältere Vereinbarungen ersetzt, steht, ist noch nicht bekannt. Putin verriet nur so viel: »Der heute unterzeichnete umfassende Partnerschaftsvertrag sieht unter anderem gegenseitigen Beistand im Falle einer Aggression gegen eine der Vertragsparteien vor.«

Zudem schließe Russland »für sich eine militärisch-technische Zusammenarbeit mit Nordkorea« nicht aus. Moskau wie Pjöngjang würden sich »weiterhin gegen die Praxis des Strangulierens durch Sanktionen« seitens des Westens wehren, so Putin weiter.

Kim spricht von multipolarer Welt

Lobende Worte für den »gewaltigen« Vertrag gab es auch vom Gastgeber. »Ich habe keine Zweifel daran, dass er die Antriebskraft für die beschleunigte Errichtung einer multipolaren Welt ist. Die Zeiten haben sich geändert. Genau wie sich der Status Nordkoreas und Russlands in der geopolitischen Strukur geändert hat«, sagte Kim Jong-un.

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Im Westen wird das Treffen von Kim und Putin naturgemäß negativ betrachtet. Befürchtet wird eine neue »Achse des Bösen«, die bereit ist, zuzuschlagen. Anlass genug für Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, den Ausbau seines Kriegsbündnisses mit Partnern im Indopazifik-Raum zu fordern. Russische Medien weisen indes darauf hin, dass es solche Beistandsbekundungen bereits mit mehreren Ländern gibt, unter anderem mit der Mongolei. Es bleibt also unklar, wie scharf das Papier wirklich ist.

Moskau braucht Waffen, Pjöngjang Technologie

Im Gegensatz zur Mongolei hat Nordkorea aber etwas, was Russland gerade dringend braucht: Waffen. Die Volksrepublik hat Moskau bereits Waffen für dessen Kampf in der Ukraine geliefert, die verschiedenen ukrainischen Aussagen zufolge entweder viel verheerender als die russischen sind oder aber völlig nutzlos. Vor einem Jahr sprach der südkoreanische Geheimdienst von einer Million Geschossen. Genauso viel, wie die EU der Ukraine versprochen hat und bis heute nicht liefern konnte. Vergangenes Wochenende hieß es aus Seoul, Pjöngjang habe Moskau bereits Container mit fünf Millionen Artilleriegeschossen geliefert, dazu Dutzende ballistische Raketen.

Pjöngjang hofft für seine Waffenhilfe im Gegenzug auf wirtschaftliche Unterstützung, die Lieferung von Lebensmitteln und Treibstoff sowie diplomatische Unterstützung von Moskau. Zur Freude Kims kündigte Putin dann auch an, sich in den UN für ein Ende der Isolation Nordkoreas einzusetzen. Am wichtigstens dürfte der Regierung von Kim aber der Transfer von Militärtechnologie sein, um Atomwaffen, Kampfflugzeuge, Raketen und U-Boote bauen zu können.

Russland braucht Arbeiter, Nordkorea Devisen

Bei den Gesprächen in Pjöngjang wird es nicht ausschließlich um geopolitische Abschreckung gehen. Zwei weitere wichtige Punkte, so wurde im Vorfeld erwartet, dürften auf der Tagesordnung stehen. Zum einen geht es um die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Russland fehlen durch den Ukraine-Krieg, aber auch teilweise durch das härtere Vorgehen gegen Arbeitsmigranten aus Zentralasien, Arbeitskräfte. Nordkorea braucht seinerseits dringend Devisen, die bereits in der Vergangenheit zum Teil von ins Ausland geschickten Arbeitern erwirtschaftet wurden.

Auch in Russland schufteten bis zur Corona-Pandemie Menschen aus dem Nachbarland. Gut möglich, dass nun weitere Arbeitskräfte geschickt werden, auch wenn das den Sanktionen gegen Pjöngjang widerspricht. Putin wird sich für eine Lockerungen der Sanktionen aussprechen.

Neues Ziel für russische Touristen

Zum anderen dürfte die Öffnung Nordkoreas für Touristen Thema sein. Bereits nach dem Septemberbesuch Kims in Russland kündigte der Gouverneur der Region Primorje Kinderferienlager in Nordkorea an. Seit Februar verkehren zwischen den beiden Ländern wieder Passagierzüge.

Über 400 Russen sollen nach Angaben von Behörden der Primorje-Region seitdem Urlaub beim Nachbarn gemacht haben. Für Nordkorea ist der Tourismus nicht nur eine weitere Möglichkeit, an Devisen zu kommen (ein Fünftagestrip kostet ungefähr 750 US-Dollar). Kim kann auf diese Weise auch sein Image verbessern. Dafür muss zunächst aber die nötige Infrastruktur geschaffen werden.

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