Hilfspaket kippelt, aber kippt nicht

Brandenburger Verfassungsgericht kassiert Neuverschuldung – bereits ausgezahlte Gelder müssen aber nicht rückabgewickelt werden

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.

Wie verteilen sich hier Sieg und Niederlage? Das brandenburgische Verfassungsgericht hat am Freitag auf eine Klage der AfD hin das Neuverschuldungs-Programm der Landesregierung für nichtig erklärt. Von nun an darf sich also niemand mehr aus diesem Brandenburg-Paket bedienen. Allerdings hatte die Landesregierung das Programm zuvor schon selbst kassiert und auf eine abgespeckte Variante reduziert. Gilt das Urteil auch für diese Variante? Jedenfalls kamen die Richter der Regierung und der Parlamentsmehrheit entgegen: Was bisher im Rahmen verausgabt worden ist, soll Bestand haben und muss nicht rückabgewickelt werden.

Die Landesregierung hat das ursprünglich zwei Milliarden Euro Neuverschuldung umfassene und später auf 1,6 Milliarden zurechtgestutzte Brandenburg-Paket mit einer Notlage begründet, die durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine ausgelöst worden sei. Dagegen argumentierte die AfD, die Landesregierung reklamiere ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent für das Bundesland, sodass von einer Notlage keine Rede sein könne.

Nein, nein, von einer Notlage könne man durchaus sprechen, heißt es sinngemäß in der Urteilsbegründung. »Hinsichtlich der Feststellung der außergewöhnlichen Notsituation hat das Verfassungsgericht den (AfD)-Antrag als unzulässig verworfen.« Nur ungenügend erfolgt sei aber die Begründung für die Neuverschuldung in exorbitanter Höhe. Der Zusammenhang zwischen Neuverschuldung und den von der rot-schwarz-grünen Regierung eingeleiteten teuren Krisenbewältigungsmaßnahmen sei nicht »im verfassungsrechtlich gebotenen Umfang dagelegt worden«.

Hintergrund des Rechtsstreits: In Deutschland gilt für Bund und Länder eine »Schuldenbremse«. Nur unter bestimmten Voraussetzungen ist ausnahmsweise eine Nichtbeachtung des Neuverschuldungsverbots zulässig, zum Beispiel bei außergewöhnlichen, von der Regierung nicht zu beeinflussenden Notlagen.

Laut Urteilsbegründung erschöpft sich die Begründung, die das Finanzministerium vorgelegt hatte, für einzelne Maßnahmen »zumeist in pauschal formulierten Schlagworten«. Nicht deutlich werde, welche konkreten Umsetzungsmaßnahmen sich dahinter verbergen. Das gelte für eine »Vielzahl der Bereiche«.

Das Gericht habe »klar und deutlich deutlich gemacht, dass man mit Steuergeld so nicht umgehen kann«, erklärte AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt nach der Urteilsverkündung.

Befürchtungen, wonach die Nichtigkeitserklärung ein Verbot aller Kreditausgaben zur Folge haben könnte, erfüllten sich hingegen nicht. »Eine allgemeine Rückabwicklungspflicht folgt daraus nicht«, beruhigt das Gericht. Das fuße auf dem »allgemeinen Rechtsgedanken«, wonach unanfechtbar gewordene Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen Wirkungen nicht beseitigt werden müssten.

»Das Urteil kam nicht völlig überraschend und insofern fällt keiner vom Stuhl«, kommentierte Finanzministerin Katrin Lange (SPD) in einer ersten Stellungnahme. »Wir haben einen politischen Fehler begangen.« Doch nachdem das Bundesverfassungsgericht geurteilt hatten, dass nicht verbrauchte Bundesmitteln zur Bewältigung der Coronakrise nicht einfach für den Klimaschutz ausgegeben werden dürfen, habe man damit rechnen müssen, dass Gerichte auf Länderebene »das Anti-Krisenpaket kritisch betrachten«. Lange kündigte Konsequenzen für den inzwischen gültigen Nachtragshaushalt an. »Da wird es kein Wackeln geben.« Sie wies darauf hin, dass der jetzt gültige Nachtragshaushalt mit abgespecktem Brandenburg-Paket nicht Gegenstand des Urteils sei. Ob dennoch geplante Maßnahmen in den Kommunen gefährdet seien, müsse diskutiert werden.

Für den Brandenburger Landkreistag sagte Oberspreewald-Lausitz-Landrat Siegurd Heinze (parteilos), Verfahren und Inhalt des Haushalts müsse man nun als »teilweise nicht verfassungsgemäß« bewerten. Heinze warb für Verständnis für mögliche Fehlentscheidungen: »Wir kamen aus einer Krise und gingen in eine Krise hinein.« Er meinte die Coronakrise und den sich anschließenden Ukraine-Krieg mit Auswirkungen auf Deutschland.

Das Urteil stelle eine wichtige rechtlichen Klärung dar, »und wir begrüßen das«, erklärte Wittenberges Bürgermeister Oliver Hermann (parteilos) als Vorsitzender des Städte- und Gemeindebundes. Auch er verwies auf die schwierige Lage, in der sich die kommunale Ebene vor zwei Jahren befunden habe. Beispielsweise habe man mit einer Verdopplung der Stromkosten rechnen müssen. Ein »kommunaler Rettungsschirm« sei geboten gewesen und vor diesem Hintergrund sei das Brandenburg-Paket geschnürt worden. »Dafür sind wir heute noch dankbar.«

SPD-Fraktionschef Daniel Keller erklärte für die Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und CDU, man solle sich die Zeit nehmen, die Konsequenzen des Urteils ausführlich zu beraten. Für den Donnerstag der kommender Woche kündigte Keller eine Sondersitzung des Landtags an, um die notwendigen Schlussfolgerungen zu beraten. Keller meinte noch, es müsse das Recht der Regierenden geben, auf Krisen angemessen zu reagieren.

»Das Urteil kam nicht völlig überraschend und insofern fällt keiner vom Stuhl.«

Katrin Lange Finanzministerin
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