Berliner Polizeipräsidentin: Hauptsache, Feindbild festigen

Polizeipräsidentin bekräftigt das Bild des vermeintlich gewaltbereiten Ausländers

Barbara Slowik, Polizeipräsidentin von Berlin, sollte noch mal einen Blick in die Kriminalstatistik werfen.
Barbara Slowik, Polizeipräsidentin von Berlin, sollte noch mal einen Blick in die Kriminalstatistik werfen.

Der männliche, nichtweiße Ausländer als kollektives Feindbild. Für dieses Image sorgten auch Aussagen der Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik aus einem Interview, das am vergangenen Freitag auf der Webseite des n-tv erschien. Darin spricht die Polizeipräsidentin von einer Zunahme der Gewaltkriminalität in der Hauptstadt und einer Überrepräsentation nichtdeutscher Straftäter*innen. »Nach unseren Zahlen ist die Gewalt in Berlin jung, männlich und hat einen nichtdeutschen Hintergrund. Das gilt auch für Messergewalt«, so Slowik.

Ein Blick in die polizeiliche Kriminalstatistik wirft allerdings Fragen zur Korrektheit ihrer Aussage auf. So wurden 2023 in der Hauptstadt insgesamt 48 254 Fälle von Körperverletzungen registriert. Die meisten davon, 33 319 Fälle, sind vorsätzliche einfache Körperverletzungen. Darunter fallen Schläge oder leichte Tritte ohne Schuhe. Wird eine Waffe wie ein Messer gebraucht, gilt die Körperverletzung als gefährlich und schwer. Davon wurden 2023 12 610 Fälle registriert, also 2,3 Prozent der insgesamt erfassten Kriminalfälle. Anders als Slowiks Aussage suggeriert, handelt es sich bei der Mehrheit derjenigen, die einfache oder schwere Körperverletzungen ausübten – 57,1 Prozent – um Deutsche. »Jung« sind die Kriminellen in der Gesamtheit auch nicht unbedingt: Von den ermittelten Tatverdächtigen sind lediglich 19,8 Prozent unter 21 Jahre alt. Die Frage des »nd«, was denn konkret Slowiks Definition von »jung« sei, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. In einem Punkt hat Slowik allerdings recht: Die meisten Körperverletzungen gehen mit 77,8 Prozent von Männern aus.

Weitere Informationen bleiben in der Statistik ebenfalls ungeklärt, beispielsweise wie viele der nichtdeutschen Kriminellen französische Touristen oder englische Hooligans sind.

Darüber hinaus lässt Slowik in ihrer Aussage offen, welche Vergleiche sie setzt. Ein Blick in vergangene Kriminalstatistiken verrät, dass die Zahl erfasster Körperverletzungen 20 Jahre zuvor bei 45 168 lag, in der Tat rund 3000 Fälle weniger als 2023. Allerdings ist die Bevölkerungszahl Berlins seitdem um einiges gewachsen. Setzt man die Summe aller Körperverletzungen in Relation zur Zahl der Einwohner*innen, so ergibt sich ein Minus von 0,058 Prozentpunkten, von 1,333 Prozent im Jahr 2003 zu 1,275 Prozent 2023.

Aussagen und Statistiken der Polizei sollten ohnehin mit Vorsicht genossen werden. So schreibt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, dass Menschen mit Migrationshintergrund immer wieder Opfer des sogenannten Racial Profiling werden. Der englische Begriff bezeichnet das Agieren von Polizei- oder Sicherheitsbeamt*innen, das auf Stereotype und äußerliche Merkmale basiert. »Oft führen derartige Stigmatisierungserfahrungen auch dazu, dass Betroffene das Vertrauen in die Polizei verlieren«, so die Stelle.

Auch das Max-Planck-Institut schreibt in einem Projekt über das Diskriminierungspotenzial behördlicher Ermächtigungsgrundlagen, dass Antidiskriminierungsstatistiken notwendig seien und dass »der Rechtsweg gegen Diskriminierung mit erheblichen Beweisschwierigkeiten verbunden« seien. Doch »Informationen über mögliche rassistische Kontrollpraktiken« seien nicht zu erwarten, so die Forschungseinrichtung.

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