Mahnwachen in Königs Wusterhausen: Bis der Ukraine-Krieg aufhört

100 Mahnwachen für den Frieden gab es seit Sommer 2022 in Königs Wusterhausen

Bei der 100. Friedensmahnwache in der Königs Wusterhausener Bahnhofstraße
Bei der 100. Friedensmahnwache in der Königs Wusterhausener Bahnhofstraße

»Ein Tänzchen machen wir noch«, denkt sich Birgit Uhlworm, Stadtverordnete der Unabhängigen Frauenliste in Königs Wusterhausen seit 1993. Mehrere Frauen fassen sich bei der Friedensmahnwache in der Bahnhofstraße an den Händen und tanzen in einer Reihe, wie man es aus der griechischen Folklore kennt. Es ist auch ein griechisches Lied aus dem Widerstand gegen die Faschisten, das aus dem Lautsprecher tönt, wie Uhlworm anschließend erklärt. Im Text heiße es sinngemäß: Wir sind erst zwei, dann vier und immer mehr und irgendwann sind wir 1000.

Von 1000 Teilnehmern ist die Mahnwache auch am Donnerstag vergangener Woche weit entfernt. Aber immerhin sind mit 32 Männern und Frauen etwas mehr gekommen als üblich. Seit Sommer 2022 gibt es die Mahnwache immer donnerstags von 18 bis 19 Uhr und es erscheinen gewöhnlich 15 bis 20 Personen, um dafür zu demonstrieren, dass in der Ukraine endlich die Waffen schweigen. Es ist nun die 100. Mahnwache der hiesigen Initiative für Frieden und Abrüstung in dem Berliner Vorort. Zum Jubiläum gibt es ab 16 Uhr vorgeschaltet schon ein kleines Friedensfest mit Musik und Tanz.

Das Bündnis für Frieden aus Brandenburg/Havel ist zu Gast. »Der Friedenskampf ist jetzt wichtiger denn je«, sagt dessen Sprecher Dominik Mikhalkevich. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sei umgekippt, indem er nun doch zugestand, die Ukraine dürfe mit vom Westen gelieferten Waffen auch russisches Territorium beschießen. Inzwischen sei zwei Mal das Radarsystem angegriffen worden, das Russland vor anfliegenden Atomraketen warnen soll. Die sich daraus ergebende Befürchtung: Präsident Wladimir Putin könnte solche Zwischenfälle als Vorbereitung eines Atomschlags gegen Russland deuten und mit dem Einsatz von Atomwaffen antworten, was in einem nuklearen Inferno enden könnte.

Doch selbst, wenn dieses Inferno vermieden werden kann: Es habe auf beiden Seiten schon Hunderttausende Tote gegeben. Dominik Mikhalkevich, der am 26. Juni 26 Jahre alt wird, bewegt dabei die Vorstellung, dass es junge Männer in seinem Alter sind, die als Soldaten in den Tod gehen müssen. »Wir haben jetzt viele politische Moralisten, aber wir brauchen moralische Politiker«, sagt Mikhalkevich, der zu den 36 Mitgliedern der Wagenknecht-Partei im Land Brandenburg gehört. Mikhalkevichs Bündnis für Frieden organisiert in der Stadt Brandenburg/Havel ebenfalls Mahnwachen, und zwar auf dem Neustädtischen Markt. Da sich die Friedensfreunde dort nur alle zwei Wochen treffen, gibt es am 4. Juli von 15 bis 17 Uhr die 50. Mahnwache, die zum Jubiläum größer ausfallen soll als üblich.

In Königs Wusterhausen liegt bei der Mahnwache ein Fragebogen aus. Auf den ersten Blick erinnert er an die »Was zählt«-Kampagne der Bundeswehr, auf den zweiten Blick entpuppt er sich als Satire auf die Werbung für den Wehrdienst. »Bei uns geht es ums Weiterkommen. Nicht nur ums Stillstehen«, lockt die Bundeswehr junge Menschen an. In der satirischen Version steht dagegen mit einem Tarnfleck-Muster als Hintergrund auf dem Zettel: »Bei uns geht’s ums Töten.«

Der Fragebogen lehnt sich an eine Forderung von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) an. Dieser hat verlangt: »Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.« Auf dem Fragebogen sollen Jugendliche vorgegebene Antworten ankreuzen und so herausfinden, ob sie kriegstüchtig sind. Gefragt wird, ob sie bereit sind, für Deutschland ihren rechten Arm, ihre linke Hand oder ihr linkes Bein zu opfern. Ob sie für die Rückreise von der Front gern einen Sarg aus Zink oder aus heimischem Kiefernholz hätten oder einen »Leichensack aus CO2-neutralem Kiefernholz«.

»Wir machen weiter, bis der Krieg zu Ende ist.«

Mario Berrios Miranda

Hinter dem Fragebogen steckt die Initiative Eltern gegen Wehrpflicht. Es gebe sie erst seit wenigen Monaten, erklärt Mitstreiter Mario Berríos Miranda, der auch in der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) aktiv ist. Nachahmung sei erwünscht.

Auf der Rückseite des Fragebogens steht, dass die Bundesrepublik bis 2029 kriegstüchtig sein solle, werde mit der Gefahr eines russischen Angriffs begründet. »Doch diese Bedrohungslüge stimmt nicht. Die Hauptkriegsgefahr geht von der Nato aus.« Diese habe sich immer weiter bis an die Grenzen Russlands ausgedehnt. Die Nato wolle Russland ruinieren und habe eine Verhandlungslösung für die Ukraine blockiert.

Derartige Versuche, Russlands Angriff auf die Ukraine zu entschuldigen, sind bei der Linken in Königs Wusterhausen bei aller Kritik auch an der Nato auf Befremden gestoßen. Auslöser für den Bruch mit der Initiative für Frieden und Abrüstung war dann aber die Landratswahl in Dahme-Spreewald im Herbst 2023. Da hatte die Initiative dazu aufgerufen, keinen der drei Kandidaten anzukreuzen, sondern das Wort »Frieden« auf den Stimmzettel zu schreiben. In der Folge waren bei der Landratswahl am 8. Oktober 1307 Wahlzettel ungültig, was 1,8 Prozent der abgegebenen Stimmen entsprach. Seinen Rückstand von 319 Stimmen auf Steffen Kotré (AfD) holte der parteilose Kandidat Sven Herzberger in der Stichwahl dann zwar noch auf. Die Linke, die Herzbergers Kandidatur genauso unterstützte hatte wie auch CDU, FDP und Freie Wähler, hatte jedoch gefürchtet, ungültige Stimmen könnten der AfD zum Sieg verhelfen.

Am 27. Juni soll es in der Bahnhofstraße von Königs Wusterhausen die nächste Mahnwache geben. »Wir machen weiter, bis der Krieg zu Ende ist«, verspricht Berrios Miranda.

eltern-gegen-wehrpflicht.de

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