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Assange ist frei
Die Antworten auf die wichtigsten Fragen
Am Ende ging alles ganz schnell: »Julian ist frei«, schrieb Stella Assange, die Frau von Julian Assange, am frühen Dienstagmorgen auf »X«. Die schwedisch-spanische Anwältin war 2011 von dem Anwaltsteam des Wikileaks-Gründers angeheuert worden. 2015 gingen die beiden eine Beziehung ein, aus der zwei Söhne hervorgegangen sind. Teil des Posts war ein Video, das einen schwarzen Mercedes-Transporter auf einer britischen Autobahn zeigt. Anschließend sieht man Assange im Inneren eines Gebäudes und wie er anschließend ein Flugzeug besteigt.
Die Internationale Journalisten-Föderation (IFJ) bezeichnete die Freilassung Assanges als einen »Sieg für Journalisten auf der ganzen Welt.« Wikileaks, die Organisation, die Assange 2006 gegründet hat, machte weitere Hintergründe öffentlich. »Der High Court in London hat ihm Kaution gewährt, und er wurde am Nachmittag am Flughafen Stansted freigelassen, wo er ein Flugzeug bestieg und das Vereinigte Königreich verließ.« Die jahrelange Kampagne für die Freilassung des heute 52-Jährigen habe »den Raum geschaffen« für Verhandlungen mit dem US-Justizministerium.
Assange wurde zu den Nördlichen Marianen im Pazifik geflogen. Die Inselgruppe ist ein sogenanntes nichtinkorporiertes Außengebiet der USA. Eingaben vor dem Bezirksgericht auf der Insel Saipan zufolge hat sich Assange dazu bereit erklärt, sich in einem einzelnen Anklagepunkt schuldig zu bekennen: der Verschwörung zur Erlangung und Offenlegung von geheimen US-Verteidigungsdokumenten.
Britische Medien berichteten, dass Assange am Mittwochmorgen (Ortszeit) einer Anhörung beiwohnen werde. Dort soll er verurteilt werden. Es wird erwartet, dass seine Haftzeit in Großbritannien angerechnet wird und dass er die Inselgruppe unmittelbar nach der Verurteilung in Richtung Australien verlassen darf.
Es wird erwartet, dass Assange unmittelbar nach dem Urteil die Nördlichen Marianen in Richtung Australien verlassen darf.
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Assange wurde bei seinem Flug von Stephen Smith begleitet, dem australischen Hochkommissar in Großbritannien. Auf Smiths Anwesenheit dürfte Assanges Team gedrängt haben. Und das nicht ohne Grund: Ein Bericht aus dem Jahr 2021 legte nahe, dass der damalige CIA-Chef Mike Pompeo über eine Entführung oder sogar Tötung Assanges nachgedacht hat.
Australiens Premierminister Anthony Albanese erklärte am Dienstag, Assanges Fall habe sich zu lange hingezogen, und das »unabhängig davon, welche Ansichten die Menschen über Julian Assange und seine Aktivitäten« hätten. »Es gibt nichts zu gewinnen durch seine fortgesetzte Inhaftierung, und wir wollen, dass er nach Australien zurückgebracht wird.« Erst vor wenigen Wochen hatte Albanese erklärt, er habe die Angelegenheit im vergangenen Herbst bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden besprochen. Das australische Parlament stimmte dafür, Assange freizulassen und ihn nach Australien reisen zu lassen.
Wikileaks veröffentlichte 2010 hunderttausende interne Papiere des US-Militärs und diplomatische Depeschen. Die Dokumente enthielten Hinweise darauf, dass es sowohl in Afghanistan als auch im Irak mehr zivile Todesopfer durch die USA und Koalitionstruppen gab, als Washington öffentlich zugab. Die brisanten Papiere deuteten zudem darauf hin, dass die USA wussten, dass irakische Sicherheitskräfte Kriegsgefangene folterten.
Nachdem Assange im April 2019 nach sieben Jahren seinen Zufluchtsort in der Botschaft von Ecuador verloren hatte, verurteilte ihn ein Gericht in London wegen Verstoßes gegen seine Kautionsauflagen. Der Wikileaks-Gründer landete im Belmarsh-Hochsicherheitsgefängnis. Im selben Jahr enthüllten die USA eine zuvor versiegelte Anklage aus dem Jahr 2018. Der Vorwurf: Verschwörung zum Eindringen in Computersysteme. Im Mai 2019 fügte eine US-Geschworenenjury 17 Spionageanklagen hinzu. Seitdem drohten Assange im Fall einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft.
Im Sommer 2022 genehmigte Großbritanniens damalige Innenministerin Priti Patel Assanges Auslieferung an die USA. Seine Anwälte versuchten seitdem, diese vor britischen Gerichten zu stoppen. Im Mai gestatteten die Richter in London Assange, seine Auslieferung ein weiteres Mal anzufechten. Sie akzeptierten, dass Assange in den USA vor Gericht diskriminiert werden könnte, weil er kein US-Bürger ist.
Von Australien aus, wohin Stella Assange geflogen ist, um das zukünftige Leben der Familie vorzubereiten, sagte sie am Dienstag der britischen BBC, es seien »harte Jahre« gewesen. Sie habe immer noch Angst, dass etwas schiefgehen könnte, und erklärte, dass Julian Assange um eine Begnadigung durch US-Präsident Joe Biden ersuchen werde. Assange und sein Team planten zudem, eine Spendenkampagne zu starten, um die Kosten des Charterfluges wieder hereinzubekommen. Weitere mögliche Schritte vonseiten von Wikileaks waren am Dienstmittag nicht bekannt, vermutlich, um das Abkommen mit den US-Behörden nicht zu gefährden.
James Clapper, früherer US-Geheimdienstdirektor, sagte dem Nachrichtensender CNN, entscheidend sei Assanges Schuldbekenntnis in einem Punkt der Spionage gewesen. »Ich glaube, die Strafverfolgungsbehörden und die Geheimdienstgemeinschaft hätten dem nicht zugestimmt, ohne dieses Schuldbekenntnis.« Clapper erklärte, dass Assanges Aktionen »Menschen hätten gefährden oder Quellen oder Methoden kompromittieren können«. Jedoch gebe es derzeit keine Hinweise darauf, dass das geschehen sei.
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