Berlin nach dem Zensus: Weniger Menschen, weniger Moneten

Nach Zensus: Berlin muss mit geringeren Einnahmen rechnen

Pressekonferenz zur Vorstellung des Zensus 2022
Pressekonferenz zur Vorstellung des Zensus 2022

Noch mehr Finanzsorgen für die Hauptstadt: Berlin hat weniger Einwohner als zuletzt angenommen. Das zeigen die Ergebnisse der bundesweiten Zensus-Erhebung. Zum Stichtag 15. Mai 2022 lebten demnach genau 3 598 006 Menschen in Berlin – etwa 129 000 Menschen weniger als bislang gedacht wurde. Die bisherige Annahme einer Einwohnerzahl von 3,73 Millionen Menschen basierte auf einer Fortschreibung der Wachstumszahlen der vergangenen Jahre. Relativ entspricht die Differenz 3,5 Prozent.

Vor allem die Zahl der Berliner ohne deutsche Staatsbürgerschaft wurde offenbar deutlich überschätzt. Ging die vom statistischen Landesamt ausgegebene Bevölkerungsstatistik noch davon aus, dass die Zahl der Ausländer in Berlin 2022 etwa 811 000 betrug, zeigen die Zensus-Daten nun, dass nur etwa 700 000 Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft in der Hauptstadt leben.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Für den Berliner Senat bedeuten die neuen Zahlen, dass der Spardruck steigen wird. Denn die Zensus-Daten sind Grundlage der Zuweisung von vom Bund erhobenen Steuern an die Länder. Auch der Länderfinanzausgleich wird auf Basis der Zensus-Daten berechnet. Insgesamt werden sich die Mindereinnahmen auf rund 550 Millionen Euro pro Jahr bis 2028 belaufen, wie Finanzsenator Stefan Evers (CDU) am Dienstag mitteilte. Dazu kommen etwaige Rückzahlungen für die Jahre 2022 und 2023.

Das Land Berlin kämpft aktuell ohnehin mit einer schwierigen Haushaltslage. Weil die Ausgaben während der Corona-Pandemie und der Energiekrise massiv angewachsen sind, muss dringend gespart werden. Um die Anforderungen der Schuldenbremse zu erfüllen, muss das Haushaltsvolumen bis 2026 um etwa zehn Milliarden Euro sinken – ungefähr ein Viertel der bisherigen Ausgaben. Die zensusbedingten Mindereinnahmen kommen nun noch oben drauf.

Der Senat habe zwar Vorsorge getroffen, sagte Finanzsenator Evers – für das laufende Jahr sieht er »möglicherweise keinen zusätzlichen Nachsteuerungsbedarf«. Doch schon ab 2025 dürfte die Vorsorge nicht mehr ausreichen.

»Ich habe immer wieder gesagt, dass die Staatsausgaben in Berlin auf das normale Maß zurückgefahren werden müssen«, sagte Evers. Die Ergebnisse des Zensus bekräftigten dies. Man müsse dazu kommen, dass die Stadt auch mit weniger Geld gut funktioniere. Die schwarz-rote Koalition will ohnehin bis Jahresende beraten, wie sie pauschale Minderausgaben im Haushaltsjahr 2025 auflösen kann. Dann müssen zwei Milliarden Euro eingespart werden – die zensusbedingten Mindereinnahmen noch nicht einberechnet.

Sebastian Schlüsselburg, finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, verwies darauf, dass der rot-grün-rote Vorgängersenat eine Rücklage gebildet hatte, um Auswirkungen des Zensus abzufedern. »Leider hat der CDU-SPD-Senat diese Rücklage aufgelöst, um das Haushaltschaos zu verschleiern«, so Schlüsselburg. »Die schwarz-rote Koalition hat das Problem damit ohne Not vergrößert, statt vorausschauende Haushaltspolitik zu betreiben.« Er kritisiert, dass sich der Senat nur auf Kürzungen konzentriere. »Dazu, wie auch die Einnahmeseite gestärkt werden könnte, schweigt sich der Senat aus.«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.