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Frieda Frauenzentrum: Mitarbeiterinnen ziehen Schlussstrich
Frieda e.V. tritt von Leistungsverträgen für Mädchenzentren in Friedrichshain-Kreuzberg zurück
Eine Zeit lang sah es so aus, als könnte das Frieda-Frauen*zentrum (Frieda e. V.), ein feministischer Trägerverein mehrerer sozialer Einrichtungen in Berlin, die Mädchenzentren »Phantalisa« und »Alia« weiter betreiben. In einem Statement, das »nd« vorliegt, erklären nun aber die Mitarbeitenden der Zentren, dass sie sich kollektiv entschieden haben, die Arbeit unter »diesen erniedrigenden Bedingungen« nicht fortzusetzen. Das Statement folgt auf eine Erklärung des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg vom Montag, dass Frieda e. V. von den Leistungsverträgen für die beiden Mädchentreffs zurückgetreten sei.
Damit bleiben die Mädchenzentren geschlossen. Auf nd-Anfrage erklärte der Bezirk, man sei verwundert über den Rücktritt. Der Bezirk kündigt an, zeitnah erste Schritte zu einem neuen Vergabeverfahren für den Betrieb der Zentren zu gehen. »Wir finden das sehr bedenklich«, sagt dazu Janis Ehling, Vize-Linksfraktionschef der Bezirksverordnetenversammlung, zum Ende der Verträge. Die Arbeit für die Mädchen sei gerade sehr wichtig.
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Der Schritt der Mitarbeitenden kommt überraschend. Erst am 14. Mai hatte der Jugendhilfsausschuss (JHA) des Bezirks nach zähem Ringen einen Kompromiss gefunden, mit dem der Weiterbetrieb der Mädchenzentren unter Trägerschaft von Frieda e. V. gesichert werden sollte. Die Beschlussempfehlung sah vor, dass sich der Verein öffentlich von antisemitischen Äußerungen und Haltungen distanzieren sollte, ebenso – als Träger, nicht als Einzelpersonen – davon, Israel das Existenzrecht »grundsätzlich abzusprechen«. Außerdem wurde Frieda aufgefordert, ein Konzept zu erarbeiten, um »weiteren Schaden von der Zielgruppe abzuwenden« und dass »sichergestellt wird, dass alle Mädchen und jungen Frauen sich wohl und sicher fühlen«.
Die Diskussion um Frieda e. V. wurde ausgelöst durch einen Alleingang von Jugendstadtrat Max Kindler (CDU). Er hatte im April die Verträge gekündigt. Begründet wurde dies damit, dass einzelne Mitarbeitende an propalästinensischen Demonstrationen teilgenommen hatten sowie eine Mitarbeiterin, die in Folge der Auseinandersetzung den Verein verlassen hatte, in sozialen Medien »antisemitische und antizionistische Äußerungen gegen Israel« getätigt habe. Dieselbe Mitarbeiterin habe auch auf einem umstrittenen Palästina-Kongress zu »feministischer Außenpolitik« sprechen sollen. Die Ziele der Zusammenarbeit, unter anderem die Demokratiebildung und der »Abbau menschenverachtender Einstellungen junger Menschen«, könnten nicht mehr umgesetzt werden, so der Bezirksstadtrat. Das Vorgehen war vielfach kritisiert worden.
Am 4. Juni hatte Frieda e. V. ein den Forderungen des JHA entsprechendes Statement veröffentlicht. In ihrer aktuellen Erklärung üben die Mitarbeitenden scharfe Kritik am Vorgehen des Bezirks und sagen, dass sie nicht hinter dem Statement von Frieda e. V. stehen. Der Bezirk habe über die Beschlussempfehlung hinaus weitere Forderungen an den Verein und die Mitarbeitenden gestellt. Der Bezirk bestätigt das. Dies sei im Sinne der erwarteten Transparenz und Kooperation von Träger und Jugendamt geschehen.
So sollten sich nun nicht nur der Verein, sondern auch die Mitarbeitenden persönlich und öffentlich zum Existenzrecht Israels bekennen. Diese sehen es aber als ihre Pflicht und Verantwortung als Sozialarbeitende, »sich laut gegen die seit Jahrzehnten andauernde koloniale Unterdrückung, systematische Vertreibung und ethnische Säuberung an der palästinensischen Bevölkerung zu wehren, die gerade im Genozid in Gaza gipfelt«. Etwa die Hälfte der Menschen, die in Gaza umgebracht würden, seien Minderjährige.
»Wir haben uns dazu entschieden, unsere Arbeit unter diesen erniedrigenden Bedingungen nicht wieder aufzunehmen.«
Mitarbeitende der Mädchenzentren »Phantalisa« und »Alia«
Weiterer Kritikpunkt ist, dass in den Einrichtungen nach einem »Neutralitätsgebot« gearbeitet werden sollte. Soziale Arbeit sei aber nie neutral, sondern an sich politisch, erklären die Mitarbeitenden. »Grundlage unserer Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit.«
Die weitestgehende Änderung des Bezirks an den Leistungsverträgen ist wohl die Einführung von unangekündigten Kontrollbesuchen, die laut den Mitarbeitenden dazu dienen, die pädagogische Arbeit zu überprüfen. Diese würden das hart erarbeitete Vertrauen zu den Jugendlichen zerstören, was die Mitarbeitenden als Verstoß gegen die Prinzipien der sozialen Arbeit werten. Der Bezirk sagt dazu, dass man sich aufgrund der bisherigen Erfahrungen mit dem Träger gezwungen gesehen habe, »diese Selbstverständlichkeit im neuen Leistungsvertrag klarzustellen und gesondert aufzunehmen«.
Die Mitarbeitenden wehren sich auch dagegen, ihre Konzeption umzuschreiben. Man arbeite mit intersektionalen, gendersensiblen Ansätzen, die alle Diskriminierungsformen mit einbeziehen, auch Antisemitismus. Der Bezirk tue so, als ob niemand gewusst habe, wie in den Einrichtungen mit den Besucher*innen gearbeitet wurde, was nicht stimme. Man sei immer von den zuständigen Mitarbeitenden des Amtes begleitet worden. Nachdem über Jahre die Arbeit in den Zentren gefeiert worden sei, werde man heute dämonisiert und unter Generalverdacht gestellt. »Diese Art von Kriminalisierung und Generalverdacht kennen wir nur zu gut als nichtweiße beziehungsweise rassifizierte Menschen in Deutschland.« Es sei erschreckend, dass die Mitarbeitenden als Antisemit*innen geframed würden, »nur weil wir die anhaltende Nakba und die Kriegsverbrechen gegen die palästinensische Bevölkerung verurteilen«.
Auch wenn die Mitarbeitenden aus der Arbeit ausscheiden, ist Frieda e. V. nicht aus der Schusslinie. Wie der »Tagesspiegel« berichtet, plant die Senatsverwaltung für Soziales, einen Förderantrag für andere Projekte des Vereins abzulehnen. Frieda e. V. sei seinen Mitteilungs- und Nachweispflichten nicht oder nur mit Verzug nachgekommen. Eine Stellungnahme des Vereins zum Ablehnungsbescheid steht noch aus.
Für die Sozialarbeitenden aus den Mädchentreffs ist die Auseinandersetzung sowieso noch nicht vorbei. Diese sei »ein Kampf um die Zukunft und Ausrichtung der sozialen Arbeit als eine Profession der Menschenrechte und Menschenwürde«. Man weigere sich, einen Präzedenzfall zu schaffen, der es erleichtere, andere Träger, Vereine und Privatpersonen genauso zu behandeln.
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