Das Ende einer kurzen Ära

Donald Trump führt Joe Biden in der TV-Debatte zur US-amerikanischen Präsidentschaftswahl brutal vor.

  • Julian Alexander Hitschler
  • Lesedauer: 5 Min.
67 Prozent der Zuschauer*innen sahen hinterher Trump als Sieger des Duells.
67 Prozent der Zuschauer*innen sahen hinterher Trump als Sieger des Duells.

Offen gestanden hatte ich nicht vor, mir die Debatte zwischen Joe Biden und Donald Trump anzusehen, bevor mich das »nd« darum bat. Doch wer sich am frühen Freitagmorgen mitteleuropäischer Zeit dazu durchrang, CNN einzuschalten, konnte zumindest ein Ereignis mitverfolgen, das wohl in die Politik- und Mediengeschichte der USA eingehen wird. Denn nach dem über zweistündigen Duell stand fest, dass Joe Biden kaum mehr Chancen auf eine Wiederwahl hat – eigentlich war das schon nach wenigen Minuten klar. Der Grund dafür ist sehr einfach und hat nichts mit Donald Trump zu tun: Biden ist offensichtlich in keiner Verfassung mehr, einen Wahlkampf durchzustehen, geschweige denn ein hohes Staatsamt zu bekleiden.

Der Auftritt des sichtlich gebrechlichen Präsidenten ist eine einzige Katastrophe, von dem Moment an, als Biden leicht benommen und stotternd auf die Bühne trapst. Er schafft es im Laufe des Abends nicht, Sätze zu Ende zu bringen und gleitet bisweilen ins inhaltlich Unverständliche ab, wobei er sich verzweifelt an den immer gleichen Phrasen und Redewendungen festhält. »Die Idee, dass …!«, zischt Biden immer wieder, in wohl durchaus echter Frustration ob der Versuche Trumps, seine Amtszeit in ein schlechtes Licht zu rücken.

Während Trumps Ausführungen, die teils mit selektivem Selbstlob, teils mit Unwahrheiten gespickt sind, starrt Biden ungläubig in die Ferne, auf einen imaginären Schiedsrichter irgendwo in der Weite des größtenteils leeren CNN-Studios. Doch die Moderation – Jake Tapper und Dana Bash – verweigert sich dieser Rolle ganz bewusst. Journalistisch ist dies auch sauber; ein US-Präsident sollte in der Lage sein, sich argumentativ selbst zu verteidigen. Einzig die Frage Bashs, ob die Wähler*innen von Trump im November nach Ansicht Bidens eine Stimme »gegen die amerikanische Demokratie« abgeben würden, muss als tendenziös bezeichnet werden. Eine Frage nach dem Demokratieverständnis des Ex-Präsidenten und ob Trump die Unabhängigkeit der Justiz zu wahren gedenkt, wäre passender gewesen.

Der Auftritt des sichtlich gebrechlichen Präsidenten war eine einzige Katastrophe.

Bidens Außenwirkung auf der Bühne war so miserabel, dass es eigentlich egal war, war er sagte – die Art und Weise, in der er es tat, übertünchte jegliche inhaltliche Botschaft. Das bedeutet, dass Trump seine Erzählung in aller Ruhe und unwidersprochen ausbreiten konnte: »Wir haben die großartigste Wirtschaft der Welt geschaffen«, ist eine seiner Kernbotschaften, »dann hat uns das Coronavirus erwischt.« Die Strafverfahren gegen ihn seien allesamt politisch motiviert. Viele Wählerinnen und Wähler wird dies überzeugen: Vollbeschäftigung herrschte unter beiden Präsidenten, nennenswerte Inflation gab es nur unter dem demokratischen Amtsinhaber. Dass die Gründe hierfür vielschichtig sind und die Alternative wohl Massenarbeitslosigkeit nach der Pandemie gewesen wäre, versucht Biden zwar darzulegen, doch seine rhetorischen Fähigkeiten reichen dafür bei Weitem nicht mehr aus.

Die chaotische Weltlage erklärt Trump mit der Tatsache, dass Biden »schwach« sei und Amerika in der Welt nicht mehr respektiert werde – was angesichts des sichtlich nicht nur körperlich gealterten Präsidenten durchaus einleuchtend gewirkt haben dürfte. Dabei ist Trump nicht unbedingt ein Freund des Friedens und verteidigt ausdrücklich die Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani während seiner Amtszeit. Statt eines Waffenstillstands in Gaza will er die israelische Regierung lieber »den Job fertig machen lassen«.

Trump verneinte auf Nachfrage zwar, ob die Bedingungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin für einen Waffenstillstand in der Ukraine (Abtretung der aktuell russisch kontrollierten Gebiete und ein Verzicht auf einen Nato-Eintritt der Ukraine) akzeptabel seien, ließ aber offen, wie eine Lösung des Konflikts aus seiner Sicht aussehen könnte. »Dieser Krieg hätte nie passieren dürfen«, so seine Aussage. Einem hilflosen Amtsinhaber bleibt nichts anderes übrig, als sich geschlagen an der Hand seiner Frau mit sichtlicher Mühe die wenigen Treppenstufen von der Bühne führen zu lassen, was den Gesamteindruck des Abends abrundet.

USA-Wahl

Die Wahlen am 5. November 2024 sind für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen dieser Zeit. »nd« berichtet über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen. Alle Texte zur US-Wahl finden Sie hier.

Ob Gewaltenteilung und Mehrparteiensystem in den USA bei einer absehbaren Rückkehr Trumps ernsthaft in Gefahr sind, wird davon abhängen, ob die Republikaner im November auch beide Kammern des Kongresses gewinnen. Wenn ja, ist zumindest der Versuch einer Verfestigung der eigenen Macht mit autoritären Mitteln nicht ausgeschlossen. Im Staatsapparat würde dies sicher einen beispiellosen Machtkampf zwischen Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen und Richtern mit unterschiedlichem Parteibuch auslösen – unbekanntes Terrain für die US-Verfassungsordnung, die an vielen Stellen bereits demokratische Defizite aufweist.

Nach dieser Debatte ist jedenfalls klar, dass sich die US-Linke mit Biden als Person und politischem Phänomen nur noch in der Rückschau auseinandersetzen muss. Bidens verheerende Haltung im Gaza-Krieg war der Auslöser für den endgültigen Bruch zwischen vielen Kräften der radikalen Linken und dem linksliberalen Flügel der Demokratischen Partei. Sie wird Bidens Präsidentschaft immer überschatten.

Dabei hatte diese auch ihre positiven Seiten. Bidens Industrie- und Klimapolitik darf als wegweisend betrachtet werden; sein Inflation Reduction Act ist der Grund, warum erneuerbare Energien wie auch das verarbeitende Gewerbe in den USA boomen.

Auch Bidens Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan, wofür er medial verprügelt wurde, war mutig und richtig – wenn auch in der Ausführung schlecht geplant und daher mit vielen unnötigen Opfern verbunden. Joe Biden hätte als respektierter, vielleicht sogar beliebter Präsident die Amtsgeschäfte an Vizepräsidentin Kamala Harris abgeben können. Die Tatsache, dass dieser Schritt unterblieb, hat Trump wohl den Weg zurück ins Weiße Haus geebnet.

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