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- Mietenwahnsinn
Möbliertes Wohnen: Fünf Quadratmeter für 650 Euro
Möblierte WG-Zimmer sind teuer und klein. Teilweise werden dafür illegale Grundrissänderungen vorgenommen
Der Berliner Wohnungsmarkt treibt seltsame Blüten. Ein Beispiel: ein möbliertes WG-Zimmer, nur fünf Quadratmeter groß. Preis für diesen Mini-Privatraum: 650 Euro pro Monat. Für diese Summe teilt man sich dann eine Wohnung mit zwei anderen Personen, die man sich aber nicht selbst ausgesucht hat. Da kann es fast schon von Vorteil sein, dass man sich nur vorübergehend in dieses Zimmer einmieten kann. Sogenanntes möbliertes Wohnen auf Zeit ist auf dem Berliner Wohnungsmarkt auf dem Vormarsch. Laut Senatsangaben fielen 2023 ganze 54 Prozent der Wohnungsangebote in diese Kategorie.
Einträgliches Geschäftsmodell
Und diese Wohnungsangebote sind teuer. Während für regulär vermietete Wohnungen im Jahr 2022, dem letzten Jahr mit vorliegenden Daten, im Schnitt 11,54 Euro nettokalt pro Quadratmeter verlangt wurden, lag dieser Betrag in möblierten Wohnungen auf Zeit bei 19,44 Euro. Das geht aus der Antwort des Senats auf eine Anfrage des Abgeordneten Niklas Schenker (Linke) hervor. Im eingangs erwähnte Angebot ist die Miete schwierig zu bestimmen, weil auch Gemeinschaftsflächen einbezogen werden müssten und der Preis nicht die Nettokaltmiete umfasst, sondern die Warmmiete plus Internet und Rundfunkgebühr. Über jeder ortsüblichen Vergleichsmiete liegt sie aber allemal.
Werden möblierte Wohnung oft als »Business-Apartments« vermietet, richten sich möblierte WGs vor allem an Studierende. Die Flat-Mate GmbH etwa hat sich auf dieses Geschäftsmodell spezialisiert. Primäre Zielgruppe seien »internationale Young Professionals und Studenten«, heißt es in einer Jobanzeige des Unternehmens. Ein einträgliches Geschäft: 2022 hat die Firma laut Jahresabschluss 159 134 Euro Überschuss erwirtschaftet. Dokumenten aus dem Handelsregister zufolge gehört denselben Gesellschaftern ein weiteres Unternehmen mit dem gleichen Geschäftsmodell, die Spoony GmbH, die 2022 einen Jahresüberschuss von 275 117 Euro erwirtschaftete.
»Das sind Modelle, die gerade aus dem Boden schießen«, sagt Wibke Werner, Geschäftführerin des Berliner Mietervereins zu »nd«. Problem sei, dass mit allen Formen möblierten Wohnens ein höherer Mietpreis einhergehe. Ein grundsätzlicher legaler Möblierungszuschlag werde aber oft nicht separat ausgewiesen. Das mache es schwierig zu überprüfen, ob unter Umständen die Mietpreisbremse greifen könnte. Aber: »Wenn eine Wohnung oder ein Zimmer zum vorübergehenden Gebrauch bestimmt ist, dann greift die Mietpreisbremse nicht und dann können diese Mondmieten verlangt werden«, erläutert Werner. Lediglich wenn es sich um Ferienwohnungen handle, könne unter Umständen das Zweckentfremdungsverbot greifen.
Die Mieter*innen solcher Angebote haben teilweise erhebliche Probleme mit ihrem Vermieter. Neben vielen positive Bewertungen auf Google, die etwa die unkomplizierte Buchung loben, hat beispielsweise Flat-Mate auch einige negative Bewertungen. Es sind vor allem in Berlin übliche Beschwerden von Mieter*innen: Die bezogene Wohnung habe Schäden, die Kaution sei nicht vollständig zurückgezahlt worden, der Vermieter reagiere nicht auf Anfragen. Einige Mieter*innen monieren aber Konditionen aus dem Mietvertrag. So sei die Anzahl der Tage im Monat, an denen man Besuch bekommen könne, vertraglich beschränkt. »So eine Klausel ist unwirksam«, erklärt Wibke Werner. Besuch zu empfangen, gehöre zum vertragsgemäßen Gebrauch einer Wohnung. »Das kann ein Vermieter nicht einfach so beschränken«, sagt Werner. Auf Nachfrage dazu reagierte die Flat-Mate GmbH nicht.
Illegale Grundrissänderungen
Was wiederum nicht zwangsläufig verboten, aber genehmigungspflichtig ist, sind Grundrissänderungen – zumindest dann, wenn sich eine Wohnung in einem Milieuschutzgebiet befindet. Erforderliche Änderungen, die einen zeitgemäßen Zustand einer Wohnung erreichen sollen, seien zu genehmigen, antwortet die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf eine Anfrage der Linke-Politiker*innen Niklas Schenker und Katalin Gennburg. Grundrissänderungen hingegen, die die Änderung der Zimmerzahl zur Folge haben, sind nicht genehmigungsfähig.
Wenn das aber einfach trotzdem gemacht wird, ist es schwierig, dagegen vorzugehen. Aus der Antwort des Senats geht hervor, dass, selbst wenn die für solche Genehmigungsverfahren verantwortlichen Bezirke Hinweise aus Wohnungsportalen ermitteln können, diese oft nicht weiterverfolgt werden können. Der Bezirk Neukölln schreibt etwa, dass eine Zuordnung zu Objekten oft schwierig sei. »Welche Eigentümer oder Zwischengesellschaften hinter einem Inserat stehen, lässt sich nicht immer zweifelsfrei herausfinden.«
Auch »nd« steht bei der Recherche vor ähnlichen Schwierigkeiten. Auf Internetportalen für möblierte Wohnungen treten Vermieter*innen teilweise nur mit Vornamen auf, vermieten aber Dutzende Wohnungen und Zimmer. Auf der Plattform »Housing Anywhere« etwa bietet eine »Jana« mehr als 60 möblierte WG-Zimmer in Berlin an, eine »Stefanie« 50, Zimmergröße zwischen acht und zwölf Quadratmetern, Miete zwischen 615 und 769 Euro. »Ella« hat mehr als 30 möblierte WG-Zimmer in Berlin im Angebot, 20 davon in Milieuschutzgebieten. Unter diesen findet sich auch das skandalöse Fünf-Quadratmeter-Zimmer für 650 Euro, das im Milieuschutzgebiet Körnerpark liegt.
Den Angeboten von »Ella« sind neben Fotos der Wohnungen auch Grundrisse beigefügt. Es ist offensichtlich, dass die Wohnungen umgebaut worden sind zu dem Zweck, möglichst viele Zimmer zu haben. Die möblierte Dreier-WG, in der sich das Fünf-Quadratmeter-Zimmer befindet, war ursprünglich wahrscheinlich eine Ein-Zimmer-Wohnung. Das Mikro-Zimmer wurde der Küche abgezwackt, die zurzeit ohne Fenster auskommt. Der eigentliche Wohnbereich wurde in zwei Schlauchzimmer zu den Fenstern geteilt.
Eine Quelle behauptet gegenüber »nd«, dass hinter »Ella« die Flat-Mate GmbH stehe. Verfizieren ließ sich das nicht und auf eine nd-Anfrage, ob es sich bei »Ella« um die Flat-Mate GmbH handelt, reagierte das Unternehmen nicht. Genausowenig auf die Frage, ob die Flat-Mate GmbH Grundrissänderungen vornimmt und für diese die entsprechenden Genehmigungen einholt.
Machtlose Bezirke
Bei der Recherche über Zimmerinserate stößt man schnell an Grenzen. Deswegen sind für die Umsetzung der Milieuschutzverordnungen und die Ahndung illegaler Grundrissänderunegn die Bezirke auf Hinweise von Mieter*innen angewiesen. »In einigen Fällen ist es dem Bezirk gelungen, einen Rückbau der kleinen Zimmer in ihren Ursprungszustand zu veranlassen. Dies gelang jedoch nur,
weil Mieter die Bauarbeiten beim Milieuschutz meldeten«, teilt etwa der Bezirk Neukölln mit. Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg wurde ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen die Flat-Mate GmbH eingeleitet. Es hatte Hinweise aus der Nachbarschaft gegeben, dass in einer Wohnung im Graefekiez Trockenbauarbeiten durchgeführt werden. Eigenständige aufwändige Recherchen seien aber wegen der Personalsituation oft nicht möglich, heißt es.
»Den Bezirken scheint wie so oft das Personal zu fehlen, dementsprechend nachzugehen, und der Senat unternimmt wie so oft nichts«, sagt dazu der Abgeordnete Niklas Schenker. Besonders ärgerlich sei, dass vorhandene Instrumente nicht genutzt werden. »Es ist ein Skandal, dass die Bezirke geltendes Recht und eigene Verordnungen nicht durchsetzen können. Der Senat muss die Bezirke besser unterstützen, statt sie wie beim Schneller-Bauen-Gesetz zu entmachten«, sagt Schenker.
»Das sind Modelle, die gerade aus dem Boden schießen.«
Wibke Werner
Geschäftsführerin Berliner Mieterverein
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