Neue Anläufe bei der Vermögensteuer

Initiativen in Europa, aber auch die G20-Präsidentschaft werben für gerechtere Abgaben von Superreichen

Pause bei einer Fahrraddemonstration nach Brüssel
Pause bei einer Fahrraddemonstration nach Brüssel

Die Vermögensteuer wird in der Bundesrepublik seit 1996 nicht mehr erhoben – mit massiven fiskalischen Folgen: »Der Verzicht hat Deutschland bislang über 380 Milliarden Euro gekostet. Das entspricht 80 Prozent des Bundeshaushalts 2024.« So ist es in einer Untersuchung des Netzwerks Steuergerechtigkeit und der deutschen Sparte der Hilfsorganisation Oxfam zu lesen, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Die beiden Initiativen versuchen darin aber vor allem, die zentralen Argumente gegen die Vermögensteuer zu widerlegen. Dazu gehört, dass die Erhebung unvermeidbar zur Abwanderung von Hochvermögenden und Superreichen führen würde. »Die Angst vor der Steuerflucht ist in der Bevölkerung genauso wie in der Politik weitverbreitet, aber die Angst ist irrational«, sagte Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bei der Vorstellung. Deutschland habe nämlich in den letzten Jahrzehnten bereits sehr wirksame und weitreichende Gegenmaßnahmen etabliert. »Und anders, als einzelne Skandale das nahelegen, sind die meisten großen deutschen Vermögen nicht im Ausland, und sie sind über ihr soziales und politisches Kapital mit Deutschland verbunden. Zeit also für eine rationale Debatte über die Besteuerung großer Vermögen.«

Mit einer Kombination aus Wegzugsteuer und der Besteuerung von Unternehmensverlagerungen ins Ausland steht hierzulande ein umfassender Werkzeugkasten gegen Steuerflucht zur Verfügung. Kein Wunder, dass sich laut der Studie »Keine Angst vor Steuerflucht!« unter den aktuell 226 deutschen Milliardären nur 29 Personen finden, die sich ihrer Steuerpflicht durch Wegzug entziehen wollten. Dies sei nämlich teuer: Wollte etwa BMW-Erbin Susanne Klatten mit ihren Anteilen und ihrem aus den Dividenden gewachsenen Vermögen heute ins Ausland ziehen, müsste sie knapp 6,5 Milliarden Euro Steuern zahlen, rund 30 Prozent ihres geschätzten Vermögens.

Die Studie von Oxfam und dem Netzwerk Steuergerechtigkeit ist aber nur ein Vorstoß, wieder Bewegung in das Thema Vermögensteuer zu bringen. Bei einer Tagung im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte an diesem Donnerstag möchte die Initiative Gemeingut in BürgerInnenhand »die Debatte um öffentliche Investitionen in Daseinsvorsorge und Klimatransformation mit der Forderung nach einer gerechten Besteuerung großer Vermögen zusammenbringen«, wie es in der Einladung heißt. »Wir wollen wir über die Rolle der Vermögensteuer als Instrument zur Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge diskutieren und Forderungen für die Bundestagswahl 2025 entwickeln.«

Organisationen wie Attac trommeln zudem für die europäische Bürgerinitiative »Tax the Rich«, die unter anderem vom französischen Ökonomen Thomas Piketty, dem ehemaligen EU-Sozialkommissar László Andor oder der Millionärserbin Marlene Engelhorn ins Leben gerufen wurde. Darin wird die EU-Kommission aufgerufen, einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Einführung einer europäischen Steuer auf große Vermögen vorzulegen – ergänzend zu nationalen Steuern. Die Einnahmen sollen dazu beitragen, den sozialen und ökologischen Wandel zu finanzieren und vom Klimawandel betroffene Länder zu unterstützen.

Geht es mit all diesen Initiativen mehr darum, das Thema überhaupt wieder zu setzen, ist auf höchster internationaler Ebene bereits etwas in Bewegung geraten. Brasilien hat im Rahmen seiner derzeitigen G20-Präsidentschaft von Gabriel Zucman, Direktor des Forschungsinstituts EU Tax Observatory an der Paris School of Economics, einen Vorschlag für eine globale Mindestbesteuerung ausarbeiten lassen, die mehr Geld für Klimaschutz und den Kampf gegen Armut mobilisieren soll. Milliardäre sollen demnach mindestens zwei Prozent ihres Vermögens abdrücken, aktuell sind es null bis 0,5 Prozent. Die G20 hatte bereits vor Jahren eine Art Mindestbesteuerung für multinationale Konzerne auf den Weg gebracht.

Ende Juli werden die Finanzminister der 20 großen Industrie- und Schwellenländer die Zucman-Vorlage erstmals diskutieren. Frankreich, Spanien und Südafrika haben bereits Zustimmung signalisiert. Umfragen deuten zudem auf eine breite Zustimmung der Bürger hin. Positiv äußerte sich jetzt auch die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD). Sie sprach von einem »konkreten Plan, der mehr Gerechtigkeit schafft und gleichzeitig Milliardeninvestitionen in Bildung, Gesundheit und Klimaschutz ermöglicht«. Dass die Bundesregierung den Vorstoß unterstützt, sagt Schulze indes nicht – vermutlich, da dies mit der FDP und einem Finanzminister Christian Lindner nicht möglich sein wird.

Wichtig ist der Vorstoß auch deshalb, weil unter den G20-Staaten insbesondere bei der Vermögensbesteuerung Wildwuchs herrscht. Wie Vergleichsstudien zeigen, wird in anderen Industriestaaten zumindest Immobilienbesitz höher besteuert, während Deutschland besonders zurückhaltend ist. Das ist auch finanziell mehr als unklug: Seit 2001 sind die Vermögen der 100 reichsten Deutschen um etwa 460 Milliarden Euro gewachsen und haben sich damit fast verdreifacht, heißt es in der Untersuchung des Netzwerks Steuergerechtigkeit und von Oxfam. Bei einer Vermögensteuer von einem Prozent und hohen Freibeträgen, wie sie früher in Deutschland erhoben wurde, kämen aktuell 30 Milliarden Euro in die Staatskasse – pro Jahr.

»Anstatt im Bundeshaushalt zum Kahlschlag unter anderem bei der Entwicklungszusammenarbeit und bei Sozialausgaben anzusetzen, sollte die Bundesregierung die Besteuerung sehr hoher Vermögen endlich auf die Tagesordnung setzen«, meint daher Manuel Schmitt, Oxfam-Referent für soziale Ungleichheit. »So könnten die demokratiegefährdende Vermögenskonzentration verringert und dringend benötigte finanzielle Mittel für den sozialen Zusammenhalt und den Klimaschutz generiert werden.«

»Zeit für eine rationale Debatte über die Besteuerung großer Vermögen.«

Christoph Trautvetter
Netzwerk Steuergerechtigkeit
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