Nicht unsittlich viel Geld fürs Nichtstun

Gekündigte RBB-Direktorin bekommt gute Rente, aber bis dahin kein sattes Übergangsgeld

Susann Lange im Sommer 2022 bei einer Sitzung des RBB-Rundfunkrats
Susann Lange im Sommer 2022 bei einer Sitzung des RBB-Rundfunkrats

Punkt für Punkt, Monat für Monat wird am Dienstag in Saal 334 des Landesarbeitsgerichts verlesen, welche Summen Susann Lange vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) für die Zeit seit ihrer fristlosen Kündigung am 2. Dezember 2022 bekommen will. Es sind jeweils über 17 000 Euro, mal abzüglich 2656 Euro Arbeitslosengeld, mal 3386 Euro Krankengeld und für die letzten Monate abzüglich rund 5500 Euro, die sie mit einer neuen Tätigkeit verdiente.

Der Fall gehört zum RBB-Skandal – ausgelöst im Sommer 2022 von Berichten darüber, wie gut es sich die damalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger gehen lasse. Unter anderem hatte sie eine Gehaltserhöhung um 16 Prozent auf 303 000 Euro im Jahr bekommen und nutzte einen teuren Dienstwagen mit Massagesitzen, der normalerweise 145 000 Euro kostet. Dazu kamen noch neun Einladungen an drei bis elf Gäste zum Essen in ihre Privatwohnung, abgerechnet als Spesen beim Sender. Außerdem sorgten fragwürdige Beraterverträge und ein laxer Umgang mit den Regeln zur Kollision privater und beruflicher Interessen für Kritik und letztendlich zum Rauswurf von Schlesinger. Die hatte den festen und freien Mitarbeitern des Senders jahrelang gepredigt, dass gespart werden müsse.

Susann Lange war bereits seit 2001 beim RBB beschäftigt. Mit einem zunächst unbefristeten Arbeitsvertrag übte sie verschiedene Funktionen aus, unter anderem war sie Leiterin der Intendanz. Am 1. Januar 2017 wurde sie zur Justiziarin befördert und rückte in die Geschäftsleitung des Senders auf. Zusätzlich wurde sie 2018 Geschäftsführerin der Tochterfirma RBB media GmbH mit extra Vergütung.

2021 stieg Lange zur Juristischen Direktorin auf. Intendantin Schlesinger bescheinigte ihr seinerzeit »sehr ausgeprägtes diplomatisches Geschick und Führungsstärke«. Lange sei »wie keine andere in der Lage, komplexe juristische Sachverhalte verständlich zu machen«. Ihr unbefristeter Vertrag wurde durch einen bis Ende 2025 befristeten ersetzt. Wenn sie dann den RBB verlassen hätte, hätte sie noch gut 14 Jahre lang Anspruch auf ein sattes Übergangsgeld gehabt, bis sie das Rentenalter erreicht.

Die Journalisten, die beim RBB die Tagesarbeit verrichten, können angesichts solcher Summen nur verständnislos den Kopf schütteln. Bereits im September 2023 wies das Arbeitsgericht Berlin eine Kündigungsschutzklage von Lange ab. Ihre vertraglich zugesicherten Bezüge wurden als sittenwidrig und damit nichtig eingestuft. Das ist selten. Normalerweise befassen sich Arbeitsgerichte nicht mit sittenwidrig hohen Löhnen, sondern mit sittenwidrig niedrigen – also mit Ausbeutung.

Hier aber – wie auch in anderen Fällen aus der RBB-Chefetage – dreht es sich darum, dass gewissermaßen die Rundfunkbeitragszahler gebeutelt worden sind. Denn für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gilt der Grundsatz der Sparsamkeit. Lange wird vorgeworfen, dagegen verstoßen zu haben, zum Beispiel auch durch ihr Mitwirken an einer mehrjährigen bezahlten Freistellung eines Managers (Kostenpunkt: 880 000 Euro).

Susann Lange selbst erscheint am Dienstag nicht vor Gericht. Das muss sie auch nicht. Lange war schon einem Gütetermin im Januar 2023 ferngeblieben. Für sie spricht ihre Rechtsanwältin Jutta Glock. Die sagt am Dienstag: »Das hat mit Sittenwidrigkeit überhaupt nichts zu tun.« Der Vertrag sei ein Mustervertrag gewesen, den der RBB seit mehr als 20 Jahren verwende und nicht etwa für ihre Mandantin entworfen habe. »Das ist gängige Praxis beim RBB, es tut mir leid!«

Vor anderthalb Jahren hatte Glock vor Gericht zusätzlich darauf hingewiesen, dass Männer in vergleichbaren Positionen in den Rundfunkanstalten sogar noch mehr Geld einstreichen. Auch sei es nie beabsichtigt gewesen, dass Susann Lange Ende 2025 aussteigt und das Übergangsgeld kassiert. Die RBB-Direktoren seien üblicherweise jahrzehntelang in ihren Positionen, argumentiert Glock.

Das Arbeitsgericht Berlin hatte die fristlose Kündigung bestätigt. Dagegen hat Susann Lange Berufung eingelegt. Doch sie gewinnt damit nicht viel. Auch das Landesarbeitsgericht als nächste Instanz beurteilt die Kündigung als wirksam. Lange habe mehrfach ihre Pflichten verletzt, unter anderem die Intendantin nicht vor rechtlichen Risiken bei der Vertragsgestaltung gewarnt. Die Verfehlungen wiegen nach Einschätzung des Landesarbeitsgerichts so schwer, dass eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen sei. Der RBB habe gleich fristlos kündigen dürfen.

Deswegen verwirkt Lange auch ihren Anspruch auf das Übergangsgeld von 8500 Euro monatlich fürs Nichtstun. Ihren normalen Anspruch auf eine Altersrente behält sie allerdings. Nur in Extremfällen, wenn etwa die Existenz der Firma aufs Spiel gesetzt wurde, könnten verdiente Rentenansprüche verfallen, erläutert die Richterin. So ein Extremfall liege hier aber nicht vor.

Auch erhaltene Familienzuschläge, die sich Lange nach Auffassung des RBB durch Täuschung erschlichen haben soll, muss sie nicht zurückzahlen. Eigentlich sollten die Familienzuschläge für die Chefetage wegfallen, als für diese eine variable Vergütung mit besserer Bezahlung für Erfolge eingeführt wurde. Auch dieses Bonussystem ist umstritten. Aber das tut hier nichts zur Sache. Entscheidend ist für das Gericht, dass aus den verfügbaren Dokumenten lediglich ersichtlich ist, dass der Familienzuschlag bei neuen Verträgen wegfallen sollte. Lange hatte aber bei der Umstellung auf die variable Vergütung einen bestehenden Altvertrag und somit weiterhin Anspruch auf ihren Familienzuschlag.

»Das ist gängige Praxis beim RBB, es tut mir leid!«

Jutta Glock Rechtsanwältin
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