Modi in Moskau: Unter vier Augen mit »Freund Wladimir«

Indiens Premier Narendra Modi nimmt sich zwei Tage Zeit für einen Staatsbesuch in Russland

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Gemeinsam Pferde füttern statt stehlen: Wladimir Putin (r) und Narendra Modi in der Staatsresidenz Nowo-Ogarjowo
Gemeinsam Pferde füttern statt stehlen: Wladimir Putin (r) und Narendra Modi in der Staatsresidenz Nowo-Ogarjowo

Das erste Zusammentreffen der beiden, jeder ein echtes Alphatier, fand schon kurz nach der Landung am Montagnachmittag in der russischen Hauptstadt statt. Abends war der Gast aus Neu-Delhi zu einem Dinner in die Staatsresidenz Nowo-Ogarjowo am Stadtrand geladen – eine gute Gelegenheit, um unter vier Augen zu erörtern, was eher nicht für die größere Bühne des offiziellen russisch-indischen Gipfeltreffens am Folgetag bestimmt sein sollte.

Es handelt sich um den inzwischen 22. bilateralen Austausch dieser Art – der vorherige liegt schon drei Jahre zurück. Auch wenn es »regelmäßigen telefonischen Kontakt« gebe, wie Indiens Außenstaatssekretär Vinay Kwatra vom Fernsehsender NDTV zitiert wurde, hat es dennoch für beide Seiten große Bedeutung, wieder an dieses Format anzuknüpfen. Zumal sich die Welt stark verändert hat seit Putins vorigem Besuch in Delhi im Dezember 2021: Nur drei Monate später fand der russische Überfall auf die Ukraine statt. Auch die Spannungen zwischen den USA und China haben gravierend zugenommen. Dazu tobt ein neuer Krieg im Nahen Osten, der zum regionalen Flächenbrand zu eskalieren droht.

Modi lässt sich nicht vereinnahmen

Putin und Modi gehören zu den dienstältesten Top-Politikern der Welt, der erste 71, der zweite 73 Jahre alt. Seit dem ersten Amtsantritt des indischen Premiers sind sie sich 16 Mal direkt begegnet. Modis letzter Besuch in Russland liegt fünf Jahre zurück. Das letzte Zusammentreffen war 2022 am Rande des Gipfels der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Usbekistan.

Indien gehörte zu den Initiatoren der Blockfreien-Bewegung. Sich nicht vereinnahmen zu lassen und gute Beziehungen zu allen zu pflegen, ist somit traditioneller Markenkern in Delhis Außenpolitik. Modi, der seit 2014 in dritter Amtszeit regiert, hat dieses System perfektioniert: Als in den USA Donald Trump regierte, schienen sich die Männer aus Washington und aus Neu-Delhi besonders gut zu verstehen. So ließ sich Indien auch 2017 von den USA mit Australien und Japan in das Quad-Bündnis einbinden: eine militärische Allianz, die gegen Chinas wachsenden Einfluss im indopazifischen Raum gerichtet ist.

Inder werden von der Front geholt

Doch seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist Modi immer wieder Ziel von Kritik aus dem politischen Westen, weil er sich konsequent der Sanktionsfront verweigert. Bei den Gesprächen in Moskau spielte der Ukraine-Krieg erwartungsgemäß eine wesentliche Rolle. Schon vorab war bekannt geworden, dass Modi sich für die indischen Staatsangehörigen einsetzen wolle, die für die russischen Streitkräfte in der Ukraine eingesetzt seien. So sollen mindestens zwei indische Soldaten getötet worden sein. Schätzungen zufolge sitzen etwa 30 bis 45 weitere indische Staatsbürger im Kriegsgebiet fest und behaupten, dass sie getäuscht worden seien: »Agenten« hätten ihnen hoch bezahlte Jobs versprochen.

Modis Besuch für Putin Zeichen gegen die Isolierung

Nach Modis privatem Abendessen mit Putin am Montagabend die gute Nachricht: Russland »erklärte sich bereit, alle in seiner Armee dienenden Inder zu entlassen und ihnen die Rückkehr zu erleichtern«, zitierte NDTV eine anonyme Quelle.

Russland sei ein »Allwetterfreund«, wie Modi nun in Moskau betonte, wo er vor dem Termin im Kreml noch mit der indischen Diaspora zusammentraf. Für Gastgeber Putin, der wenige Tage zuvor erst den ungarischen Regierungschef Viktor Orbán zu einer Visite empfangen hatte, ist Modis Besuch ein weiteres wichtiges Signal, dass er eben keineswegs isoliert ist.

Handel zwischen Russland und Indien massiv gewachsen

Der indische Premier wiederum kann sich als bedeutsamer eigenständiger Akteur in Szene setzen, zumal sein Land seit einem Jahr das bevölkerungsreichste der Welt ist. Indien und Russland verbinde eine »privilegierte strategische Partnerschaft«, sagte Putin bei dem Treffen im Kreml. Das Handelsvolumen zwischen beiden Nationen sei im vergangenen Jahr um 60 Prozent gestiegen. Nach Angaben des indischen Handelsministeriums erreichte es umgerechnet 60,5 Milliarden Euro, wobei die indischen Importe von Öl und Dünger aus Russland den größten Teil ausmachten. Allerdings ist die bilaterale Handelsbilanz deutlich zulasten Indiens in Schieflage.

Bei den Gesprächen mit »Freund Wladimir Putin« ging es auch um Terrorismusgefahr und verstärkte Kooperation im Energiesektor. Leicht kritisch nahm Modi gegenüber Putin Bezug auf den russischen Luftangriff auf ein Kiewer Kinderkrankenhaus am Vortag mit mindestens zwei Toten und etlichen Verletzten. Als »Freund« habe er Putin vermittelt, dass »Frieden von äußerster Bedeutung« sei, sagte Modi am Dienstag in einer auf Hindi gehaltenen Rede, während er an Putins Seite saß. »Krieg kann keine Probleme lösen«, betonte Modi. »Wir müssen einen Weg zum Frieden durch Dialog finden.«

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