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Kritik an Boni für Arbeitsmigranten

Gegen die von den Ampel-Spitzen geplanten Anreize für ausländische Fachkräfte gibt es viele Vorbehalte

Eine tunesische Pflegerin und ihre Praxisanleiterin in einer deutschen Klinik. Gerade in diesem Bereich fehlen Zehntausende Fachkräfte.
Eine tunesische Pflegerin und ihre Praxisanleiterin in einer deutschen Klinik. Gerade in diesem Bereich fehlen Zehntausende Fachkräfte.

Eine Passage in der von Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) Finanzminister Christian Lindner (FDP) vorgelegten sogenannten Wachstumsinitiative für »neue wirtschaftliche Dynamik« sorgt für Empörung auf den Oppositionsbänken. Selbst innerhalb der Ampel-Koalition werden kritische Stimmen zu geplanten Steuererleichterungen für Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten laut.

Besonders schrille Töne kommen von Sahra Wagenknecht, die im Onlinedienst X von »Politik gegen die eigene Bevölkerung« sprach, aber auch aus CDU, CSU und AfD. CSU-Landesgruppenschef Alexander Dobrindt wetterte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: »Das ist ein echtes Inländer-Benachteiligungsprogramm, das sich die Ampel da ausgedacht hat.«

»Es liegt nicht am Steuerrecht, dass Deutschland für ausländische Fachkräfte unattraktiv ist, sondern an langen Anerkennungsverfahren für Abschlüsse, ausufernder Bürokratie und Sprachbarrieren.«

Christian Görke Die Linke im Bundestag

Aber was genau haben die Koalitionsspitzen vor? Zusammen mit ihrem Kompromiss zum Bundeshaushalt 2025 legten Scholz, Habeck und Lindner vergangenen Freitag ein Eckpunktepapier für ein weiteres Entlastungs- und Förderprogramm für die Wirtschaft vor. Darin spielen Maßnahmen zur Reduzierung des Fachkräftemangels eine wesentliche Rolle, aber auch die Rückkehr zum Sanktionsregime gegenüber Erwerbslosen.

Ein Absatz im Papier ist der Schaffung weiterer Anreize für die Einwanderung qualifizierter Arbeitskräfte gewidmet. Dort heißt es: »Um Deutschland attraktiver für ausländische Fachkräfte zu machen, wird die Bundesregierung zudem steuerliche Anreize für die Arbeitsaufnahme in Deutschland einführen. Dazu können neu zugewanderte Fachkräfte in den ersten drei Jahren 30, 20 und 10 Prozent vom Bruttolohn steuerfrei stellen.« Für diese Freistellung werde man eine Unter- und Obergrenze für den Bruttolohn definieren.

Letzteres soll sicherstellen, dass einerseits nur Menschen mit einer gewissen Qualifikation profitieren und andererseits keine zusätzlichen Vorteile für Führungskräfte in der Wirtschaft entstehen. In der kommenden Woche sollen das Papier und der Haushaltsentwurf im Bundeskabinett beschlossen werden.

Dieses Vorhaben sorgt indes auch bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für Stirnrunzeln. »Das gehört zur Abteilung: Das müssen wir uns noch mal genauer angucken«, sagte er im Deutschlandfunk. »Ich gebe zu, dass ich an diesem Punkt über die Einigung nicht furchtbar glücklich bin, weil es zu Missverständnissen führen kann.«

Wirtschaftsminister Robert Habeck wies darauf hin, dass schon jetzt eine gut zweistellige Zahl europäischer Länder versuche, ausländische Fachkräfte mit einer Steuervergünstigung in den ersten Jahren ins Land zu holen. »Diesen Versuch werden wir auch unternehmen«, sagte er während seiner Sommerreise in Bonn. FDP-Fraktionschef Christian Dürr verwies darauf, dass die Steuervorteile nur für Fachkräfte gelten sollen und nicht für Geflüchtete. Trotz des von der Ampel vereinfachten Einwanderungsrechts bleibe die Bundesrepublik »ein Land mit bürokratischen Hürden und hohen Steuern. Deshalb ist es völlig richtig, steuerliche Anreize als Anwerbeprämie für gut ausgebildete Fachkräfte anzubieten«, sagte Dürr der dpa.

Dagegen sagte Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) dem »Tagesspiegel«, sie verstehe »vollkommen, wenn das die Leute irritiert«. Und die Grünen-Arbeitsmarktpolitikerin Beate Müller-Gemmeke verwies darauf, dass es »aus gutem Grund einen Gleichbehandlungsgrundsatz in unserem Arbeitsrecht« gebe. Dieser werde außer Kraft gesetzt, wenn bestimmte Gruppen bei gleicher Arbeit mehr Geld im Portemonnaie hätten als andere.

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Dieses Problem hatte auch Wagenknecht angesprochen, und Die Linke benannte es ebenso. Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Gruppe Die Linke im Bundestag, erklärte zudem, der geplante Rabatt sei »der falsche Weg«. Nicht das Steuerrecht mache Deutschland für ausländische Fachkräfte unattraktiv, sondern »ellenlange Anerkennungsverfahren für Abschlüsse, die ausufernde Bürokratie und Sprachbarrieren«. Mit dem Steuerbonus spiele die Ampel »mal wieder die Menschen gegeneinander aus«, moniert Görke. Er fordert stattdessen »Steuerentlastungen für die große Mehrheit und Steuererhöhungen für Superreiche«.

Grundsätzlich könnte der deutsche Staat durch den Steuerbonus eher mit mehr Einnahmen als bisher rechnen, da bislang viele Stellen unbesetzt sind, für die eben keine Steuern gezahlt werden. Bei einem Jahresverdienst von 45 000 Euro brutto würde sich die Steuererleichterung, verteilt auf drei Jahre, auf gut 3500 Euro summieren, der Nettoverdienst wäre in diesem Zeitraum um vier Prozent höher als bei den einheimischen oder aus EU-Staaten kommenden Kollegen. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsfeldforschung bräuchte Deutschland jährlich eine Nettozuwanderung von 400 000 Personen, um die aktuelle Zahl an Erwerbstätigen halten zu können.

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