CSD in Pirna: »Wir finden Schutz in der Gruppe«

Die Berliner Gruppe »Pride Soli Ride« organisiert Fahrten zu Pride-Paraden in Ostdeutschland. Am Samstag geht es nach Pirna

Sechs Farbstreifen, die die AfD zur Weißglut treiben: Nachdem die evangelische Kirche angekündigt hatte, eine Regenbogenflagge zu hissen, verglich der Pirnaer AfD-Oberbürgermeister Tim Lochner sie mit der Hakenkreuzfahne.
Sechs Farbstreifen, die die AfD zur Weißglut treiben: Nachdem die evangelische Kirche angekündigt hatte, eine Regenbogenflagge zu hissen, verglich der Pirnaer AfD-Oberbürgermeister Tim Lochner sie mit der Hakenkreuzfahne.

Lenard Pfeuffer, Sie sind Teil der Berliner Initiative Pride Soli Ride. Ihr organisiert solidarische Fahrten zu Pride-Paraden, die auch als Christopher Street Day (CSD) bekannt sind. Was kann man sich darunter vorstellen?

Wir sind eine antifaschistische Gruppe, die das Ziel hat, Leute aus Berlin zu Christopher Street Days (CSDs) im ländlichen Raum zu mobilisieren. Vor allem nach Ostdeutschland und in die Bundesländer, wo bald auch gewählt wird. Konkret bedeutet das, dass wir für die CSDs eine gemeinsame Anreise aus Berlin organisieren. Im Juni waren wir unter anderem in Rheinsberg, Eberswalde und Neuruppin.

Was für eine Idee steckt dahinter?

In ländlichen Gegenden sind die CSDs teilweise sehr klein und in manchen Städten finden sie dieses Jahr auch zum ersten Mal statt. All das findet in einer gesellschaftlichen Stimmung statt, in der rechts außen Parteien auf dem Vormarsch sind und rechtsextreme Meinungen immer salonfähiger werden. Dadurch entsteht eine Drohkulisse für die offene Gesellschaft – im Besonderen aber auch für queere Menschen, die immer häufiger angegriffen werden.

Interview

Lenard Pfeuffer ist Teil der Initiative Pride Soli Ride, die im Mai von Caro Mothes gegründet wurde.

Und was kann der Pride Soli Ride dagegen ausrichten?

Ganz klar: Queere Menschen sind auch in Berlin nicht komplett geschützt, das zeigt etwa der queerfeindliche Angriff auf ein Pärchen in Friedrichshain im Juni. Aber Berlin ist schon ein verhältnismäßig sicherer Ort, gerade im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland. Wenn wir es schaffen, dass mehr Leute zu den CSDs im ländlichen Raum kommen, dann werden auch sie sicherer. Wir möchten aber gar nicht so große Aufmerksamkeit auf unsere Organisation richten. Wir wollen die örtlichen CSDs feiern und ihnen Respekt zollen, weil es sehr herausfordernd ist, so etwas auf die Beine zu stellen.

Euch gibt es jetzt seit Mai dieses Jahres. Wie läuft es bisher?

Auf der einen Seite sind die CSDs immer sehr toll. Es sind ja Feste der Vielfalt und Toleranz – es ist einfach sehr schön, so etwas zu unterstützen. Außerdem haben kleinere CSDs oft noch einen stärkeren kämpferischen und politischen Anspruch; anders als etwa Großveranstaltungen in Berlin, wo zum Teil selbst die Bundeswehr Werbung machen kann, die damit von rechtsextremen Umtrieben in den eigenen Reihen ablenken kann.

Und die andere Seite?

Bisher kam es jedes Mal zu irgendwelchen Vorfällen. Das fängt bei gehässigen Sprüchen an und geht bis zu körperlicher Gewalt: Nach dem CSD in Eberswalde wurden wir im Bus von einer Gruppe Jugendlicher bedroht, in Marzahn wurden Teilnehmende geschlagen und auf dem Rückweg vom CSD in Brandenburg an der Havel haben zwei Männer eine teilnehmende Person transfeindlich beleidigt.

Was bedeuten solche Übergriffe für eure Arbeit?

Sie zeigen, wie wichtig gemeinsame An- und Abreisen sind. Wir finden Schutz in der Gruppe und versuchen, nicht klein beizugeben, sondern unsere Meinung zu vertreten und stark zu bleiben. Bei dem Vorfall nach der Veranstaltung in Brandenburg ist uns das auch gelungen: Menschen aus unserer Gruppe sind eingeschritten und haben die Aggresseure deeskalierend konfrontiert. Erst als diese merkten, wie viele Menschen sich gerade gegen sie richten, haben sie von ihrem hasserfüllten Mist abgelassen.

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Am Samstag ist der CSD in Pirna. Die 40 000-Einwohner*innen-Stadt erwartet 20 000 Teilnehmende. Was macht den CSD in Pirna so besonders?

Offiziell ist der Oberbürgermeister Tim Lochner zwar parteilos, aber er kandidierte für die AfD und errang im Februar als Erster für die AfD ein Oberbürgermeisteramt. Er verbreitet ganz offen rechtsextreme Verschwörungstheorien und ist seit 13 Jahren der erste Oberbürgermeister, der den CSD nicht unterstützt. Nachdem die evangelische Kirche angekündigt hatte, eine Regenbogenflagge zu hissen, verglich Lochner sie mit der Hakenkreuzfahne. Vor diesem Hintergrund ist es dieses Jahr besonders wichtig, in Pirna Flagge zu zeigen.

Und ihr organisiert eine Anreise aus Berlin.

Die Gruppe #noFundis und das Bündnis gegen Rechts haben einen Solibus organisiert, der am Samstag von Berlin nach Pirna fährt. Wir helfen bei der Werbung. Stand jetzt gibt es noch ein paar freie Plätze.

Was ist nach dem CSD in Pirna geplant?

Auf Instagram posten wir monatlich eine Liste mit den CSDs, zu denen wir Soli Rides veranstalten. Am 20. Juli steht noch der CSD in Altenburg in Thüringen an, das liegt zwischen Leipzig und Zwickau. Dort gab es 2020 einen queerfeindlichen Mord, über den viel zu wenig berichtet wurde. Umso wichtiger ist es, dorthin zu fahren. Gerade auch, weil viele andere CSDs nicht annähernd die Aufmerksamkeit bekommen wie der in Pirna.

Tickets für die Anreise mit dem Bus nach Pirna können in der Buchhandlung Schwarze Risse und im Café Cralle erworben werden. Es gibt aber auch die Möglichkeit einer gemeinsamen Anreise im Zug. Wer sich darüber informieren will, kann @pride.soli.ride.psr auf Instagram folgen, dort findet sich auch der Link zu einer Telegram-Gruppe.

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