Anschlag auf Donald Trump: Kleine Verletzung, große Wirkung

Peter Steiniger zu den Folgen des Anschlags auf Trump für den US-Wahlkampf

Auch auf den Titelseiten britischer Zeitungen ist der Angriff auf den republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump das beherrschende Thema.
Auch auf den Titelseiten britischer Zeitungen ist der Angriff auf den republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump das beherrschende Thema.

Kleine Verletzung, große Wirkung: Der Anschlag auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump während einer Kundgebung in Pennsylvania kann die kommende Wahl bereits entschieden haben. Mit seiner gereckten Faust, nur Sekunden nach den Schüssen des Attentäters, hat Trump das ikonische Bild eines politischen Kämpfers geschaffen, der sich durch nichts und niemanden unterkriegen lässt. Für seine Anhänger ist Trump nun erst recht ein Märtyrer. Darauf wird die Show auf dem Nominierungsparteitag der Republikaner aufbauen und der Mitleidseffekt könnte ihm viele Stimmen bisher unentschiedener Wähler einbringen.

Wie üblich bei solchen Anlässen äußert nun alle Welt ihre Empörung über den feigen Akt und politisch motivierte Gewalt überhaupt. Die Rede ist von einem Anschlag »auf die Demokratie« und bestürzt zeigt sich auch die liberale Elite des Westens, die vor dem Supergau einer Wiederwahl Trumps zum »Anführer der freien Welt« eifrig warnte. Als hätte sich mit der Wahl von Biden vor vier Jahren etwas an der Herrschaft einer Oligarchie von Wallstreet und Großkonzernen in Washington geändert oder daran, dass die USA bei der Durchsetzung ihrer Führungsrolle im Zweifel keine Freunde kennen. Die Kultur der Gewalt in ihrem Inneren ist ein Spiegelbild des Interventionismus, der seit der Ausrufung des »Kriegs gegen den Terror« über ganze Weltregionen Leid gebracht hat.

Die Motive des 20-jährigen Täters, der nicht mehr reden kann, weil er von Sicherheitsbeamten erschossen wurde, liegen noch im Dunkeln. Der Schutz des US-Spitzenpolitikers war weniger perfekt, als es zu erwarten gewesen wäre. In den sozialen Medien blühen die Spekulationen. Hier ersetzen starke Meinungen Beweise, wird über Verschwörungen spekuliert. Der Angriff auf Trump erinnert an die dubiose Messerattacke auf seinen brasilianischen Zwilling Jair Bolsonaro während des Wahlkampfes im September 2018. Der hatte mit Unterstützung der mächtigen evangelikalen Sekten aus seiner Verletzung ein politisches Kapital geschlagen, das den ultrarechten Hinterbänkler in den Präsidentenpalast katapultierte.

Bei Trump 2024 ist die Ausgangslage aber eine ganz andere. Seine Chancen auf eine erneute Wahl waren bereits vor dem Attentat, das zwei Verletzte forderte und einen Unbeteiligten das Leben kostete, völlig intakt. Die rechte Mehrheit am Obersten Gericht hatte ihm gerade Carte Blanche für frühere und künftige Vergehen im Amt erteilt und damit aller Sorgen entledigt, vor der Wahl doch noch juristisch zur Strecke gebracht zu werden. Und schließlich arbeitete ihm auch noch der von Trump als »krummer Joe« verspottete Amtsinhaber Biden mit zunehmenden kognitiven Aussetzern zu, was berechtigte Zweifel weckte, ob der 81-Jährige seiner Aufgabe und einem weiteren Wahlkampf überhaupt noch gewachsen ist.

Trumps Ohr wird verheilen, der tiefe Riss in der US-amerikanischen Gesellschaft aber bleibt. Ihre Polarisierung hat der Republikaner mit betrieben, die Geister selbst gerufen, die sich auch gewalttätig entladen. Aus Fake News und verrohter Sprache in den unsozialen Medien wurde in der realen Welt die Erstürmung des Kapitols im Januar 2021. Der Umsturzversuch seiner radikalisierten Anhänger forderte mehrere Opfer. Als Fürsprecher der Waffenlobby ist Trump mitverantwortlich dafür, dass in den USA Jahr für Jahr Tausende durch Kugeln sterben. Wenn Biden nun aus Anlass der Schüsse auf Trump proklamiert, dass es in den USA »keinen Platz für diese Art von Gewalt« gebe, ist das fern der Realität. Sie ist ein Risiko mit Ansage.

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