Das T-Shirt ist die Message

Man kann’s auch schriftlich kriegen: Dumme Sprüche auf T-Shirts (5)

  • Vincent Sauer
  • Lesedauer: 4 Min.
Ob die Mama dem kecken Jungen das Shirt zum Anziehen gebügelt und bereitgelegt hat?
Ob die Mama dem kecken Jungen das Shirt zum Anziehen gebügelt und bereitgelegt hat?

Edle Stoffe, grelle Farben, freche Muster, schrille Schnitte. Okay, schrille Schnitte gibt es nicht. Worauf ich hinaus will: Die Umgangssprache der Mode wird beherrscht von nervtötenden Adjektiven. Unbeholfen und umständlich versuchen die Werbeleutchen uns zu ködern mit einer abstrakten Qualität, die ihre Produkte beanspruchen sollen und sie irgendwie abhebt vom ominösen, unbestimmten Einheitsbrei der Otto-Normal-Bekleidung. Sei anders, trag die pfiffige Bluse mit dem super besonderen Rüschen-Element. Okay, das waren zu viele Adjektive.

Worauf ich hinauswill: Texte auf Textilien sind ein Problem. Allzu oft prangt der Markenname als Nachweis der Kaufkraft auf der Brust des Trägers eines Oberteils und signalisiert: Ich hab’s. Ich kann’s mir leisten. Mangelnde Güte in der Gestaltung eines Kleidungsstücks wird kompensiert durch sozialpsychologisches Kalkül: Die kollektive Erinnerung daran, dass solche Statussymbole aus Baumwolle, Polyester, Viskose uns zum Mitglied einer besseren Warenwelt machen – endlich kein No-Name mehr sein! Kauf doch deine Unterhosen bei Aldi, aber verschon’ mich mit T-Shirts, auf denen »Authentic Sportswear« behauptet wird.

Textile Texte

Mode und Verzweiflung: In diesem Sommer beschäftigt sich das nd-Feuilleton mit Hosen, Hemden, Hüten und allem, was sonst noch zum Style gehört.

Wobei, stimmt das überhaupt noch? Sitze ich hier nicht den Allgemeinplätzen der Konsumkritik längst vergangener Zeiten auf? Vermutlich ist dieser Marken-Vorzeig-Moralismus nur eine Spekulation von Boomer-Eltern aus dem Mittelstand. Denn in Wahrheit degradiert man sich zum Werbegehilfen des Herstellers, springt das Logo sofort ins Auge. Wenn es um die wirklich teuren Sachen der wahrlich vornehmen Herrschaften geht, verzichten Firmen auf das prollige Branding.

Worauf ich wirklich hinauswill: T-Shirts mit dummen Sprüchen. Die mit Abstand abstoßendsten Kleidungsstücke jeder Saison. Sie werden nicht nur im Sommer getragen, aber wenn es heiß wird, verstecken sich die schlechten Witze nicht mehr unter Jäckchen oder werden durch sie zumindest teilzensiert. Dabei ist die Beschaffenheit des T-Shirts selbst total egal, wichtig ist die Message. Und die ist so geistreich wie der Satz »I’m with stupid«, ergänzt durch einen Pfeil, der auf einen Menschen links oder rechts neben dem T-Shirt-Träger zeigt. Dumm sind immer die anderen, und ich bedeute diese tiefe Wahrheit den lieben langen Tag mit meinem Oberteil, weltmännisch, aber allgemeinverständlich auf Englisch.

Der Spruch ist aber noch harmlos im Vergleich zu der unter ausnahmslos unattraktiven Männern weitverbreiteten Aufschrift »Dort/Mund«, Pfeil nach unten. Diese saueklige Aufforderung zur Fellatio verweist nicht nur auf ein gestörtes Verhältnis zur eigenen Sexualität, sondern ist auch die langweiligste, nicht justiziable Erregung öffentlichen Ärgernisses, die man sich vorstellen kann. Vielleicht wollen sich gewitzte BVB-Fans mal was Lustiges einfallen lassen, wie man diese DortMündler im öffentlichen Raum effektiv bloßstellt, denn selbstverständlich ist der super kecke Spruch ausschließlich an die »Damenwelt« gerichtet, und dann ja auch nur »lustig« gemeint und sowieso …

Netter, hilflos selbstironisch ist der Klassiker »Bier formte diesen schönen Körper«. Ich selbst trinke sehr gerne und sehr regelmäßig Bier, Bierbauchstolz finde ich aber gelinde gesagt daneben, denn eine latent autoritäre, kraft- und vereinsmeierische Selbstgenügsamkeit der Träger steckt in dieser Aussage: Ich sauf so viel ich will, beweg mich nicht vom Platz, mir kann keiner was. Na ja. Nicht schlimm, aber eben peinlich. Beliebt ist auch die Layout-Entscheidung, eine Aussage groß und fett zu drucken und die Erklärung klein und dünn zu platzieren. Beispiel: »Ich bin Chef. Weil ich es kann.« So wird man länger angeguckt.

Die Liste lustiger Sprüche ist ewig. Angestellte in Vollzeit wissen zum Beispiel: »Die ersten 5 Tage nach dem Wochenende sind die schlimmsten«. Bisschen defätistisch. Ganz ähnlich ist die aus medizinischer Sicht sehr unwahre Behauptung: »Coffee saved my life«. Beides bedeutet uns: »Akzeptier mich so garstig, wie ich bin, denn ich arbeite sehr viel und habe keine Zeit, mich auf andere einzulassen.« Abstand halten sollte man auch zu Leuten, die uns auf ihrem Oberkörper wissen lassen: »Niveau ist keine Creme«. Antidot: Nivea schenken und wegrennen.

Synonym für fast alle dieser Sprüchlein ist das kindische: »Ich hasse Menschen«, oftmals verziert mit einer Illustration, laut Google etwa einem kotzenden Einhorn. Die hier aufgezählten Sätzlinge würde ich zudem als genderübergreifend erachten. Die allermeisten lustigen Sprüche auf T-Shirts unterstellen irgendwelche Erwartungen oder Ansichten des T-Shirt-Inhabers gegenüber dem anonymen Passanten, der aufgefordert ist zu lesen. Ein stiller Wunsch nach Kommunikation.

Sommer-Tipp: Verwickeln Sie einen Mitmenschen, dessen Oberteil etwas nicht allzu Arschiges behauptet, doch freundlich und fordernd in ein Gespräch, was die gute Person der Welt denn wirklich sagen will. Adorno behauptete schließlich mal irgendwo, die Menschen seien immer noch besser als ihre Fashion … oder so ähnlich.

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