Ausbildungsnot in Berlin: Die Betriebe sind nur halbvoll

48 Prozent aller Ausbildungsplätze in Berlin bleiben laut einer IHK-Umfrage unbesetzt

Trotz großem Bewerber*innenaufkommen, wie hier auf der Jobmesse »FuTog Berlin« (FutureTogether Berlin) für Geflüchtete, bleiben immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt.
Trotz großem Bewerber*innenaufkommen, wie hier auf der Jobmesse »FuTog Berlin« (FutureTogether Berlin) für Geflüchtete, bleiben immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt.

In Berlin bleiben immer mehr Ausbildungsplätze unbesetzt. Das geht aus einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) hervor. 48 Prozent der Plätze seien demnach frei geblieben. Damit setze sich ein seit 2017 anhaltender Trend fort, wie Claudia Engfeld, Pressesprecherin der IHK Berlin, am Donnerstag während der Präsentation der Ergebnisse der »Aus- und Weiterbildungsumfrage 2024« erklärt.

»Das ist krass wenig«, beurteilt IHK-Berlin-Vizepräsident Stefan Spieker die Entwicklung. Im vergangenen Jahr hatte der Wert noch bei 43 Prozent gelegen. Als Gründe, warum nicht ausgebildet werde, gaben 68 Prozent der befragten Unternehmen an, dass keine geeigneten Bewerbungen vorgelegen haben. 32 Prozent der Unternehmen gaben an, gar keine Bewerbungen erhalten zu haben.

Der negative Trend spiegelt sich laut Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung auch in der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in der Hauptstadt wider. Diese ist von 2013 bis 2023 von 16 800 auf 14 600 gesunken.

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IHK-Berlin-Vize Spieker erklärt das Phänomen mit einem Matching-Problem: Zueinanderpassende Bewerber*innen und Unternehmen würden nicht zueinanderfinden. Im Zuge der Corona-Pandemie habe sich ein Sockel von bundesweit etwa 600 000 jungen Menschen herausgebildet, die sich weder in der Schule noch in einer Ausbildung, in einem Studium oder einer Beschäftigung befänden. Ungefähr fünf Prozent davon würden auf Berlin entfallen.

Spieker spricht zudem von einem zunehmenden Teil der Bevölkerung, dem das System Ausbildung kulturell fremd sei. Dies seien Menschen, die selten aus ihren Stadtvierteln herauskämen. Hier müssten Barrieren ab- und die Möglichkeiten zum Einblick in die Ausbildungswelt ausgebaut werden.

Die fehlenden Matches sind jedoch nur eine Perspektive auf dem Ausbildungsmarkt, dessen Ausbau als Mittel gegen den Fachkräftemangel auch von der Politik hochgehalten wird. In Berlin dominieren kleine und mittelgroße Betriebe, die in der Tendenz weniger ausbilden als große Unternehmen. Daten der Bundesagentur für Arbeit zufolge verstetigt sich in Berlin eine Unterdeckung mit Ausbildungsplätzen, sprich die Anzahl der leer ausgegangenen Bewerber*innen übertrifft die Anzahl der frei gebliebenen Ausbildungsplätze. Pro Bewerber*in gab es zuletzt 0,7 bis 0,8 offene Ausbildungsstellen. In Zahlen: 9760 unversorgte Bewerber*innen und 7940 unbesetzte Ausbildungsstellen.

Das vom Berliner Senat geführte Bündnis für Ausbildung kündigte an, bis April 2025 2000 neue Ausbildungsplätze schaffen zu wollen, ansonsten werde eine Ausbildungsplatzumlage eingeführt: eine finanzielle Abgabe für nichtausbildende Unternehmen, die ausbildenden Betrieben zugute kommen soll.

Die IHK Berlin hält das nicht für förderlich. Unternehmen sollten nicht für Verfehlungen der Politik aufkommen müssen. Stattdessen müssten insbesondere in der schulischen Bildung Elemente der betrieblichen Praxis mehr Raum bekommen. Die Einführung des elften Pflichtschuljahres findet hingegen Zustimmung. Um die Ausbildung im Vergleich zum Studium zu stärken, plädiert die IHK darüber hinaus für die Einrichtung eines Landesinstituts zur Steuerung der betrieblichen Bildung und für mehr Wohnraum für Auszubildende zum Beispiel in Form eines Azubiwerks.

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