Kunst- und Wissenschaftsfreiheit adé!

Kommt die geplante Bundestagsresolution gegen Antisemitismus, entscheidet demnächst womöglich der Verfassungsschutz, wer Förderungen bekommt

Künftig könnte der Verfassungsschutz darüber entscheiden, wer in Kunst und Wissenschaft staatliche Förderungen erhält. Das sieht zumindest ein Entwurf für eine neue Bundestagsresolution von Ampel und CDU vor.
Künftig könnte der Verfassungsschutz darüber entscheiden, wer in Kunst und Wissenschaft staatliche Förderungen erhält. Das sieht zumindest ein Entwurf für eine neue Bundestagsresolution von Ampel und CDU vor.

Schon wieder soll der vermeintliche Kampf gegen Antisemitismus herhalten, um Kunst- und Wissenschaftsfreiheit einzuschränken – am Rechtsweg vorbei. Eine geplante Bundestagsresolution von Ampel und CDU will Fördermittelvergabe an eine Antisemitimus-Prüfung nach der umstrittenen IHRA-Arbeitsdefinition von Antisemitismus koppeln. Prüfen soll womöglich der Verfassungsschutz.

Zunächst mag das richtig klingen: Wer antisemitisches Gedankengut verbreitet, sollte dafür nicht auch noch Geld vom Staat bekommen. Hier gibt es aber zwei Probleme: Erstens sind präventive Gesinnungsprüfungen dieser Art grundsätzlich nicht verfassungskonform. Und zweitens ist die IHRA-Definition so vage formuliert, dass damit die Tore für Machtmissbrauch geöffnet würden – indem etwa Kritik an der israelischen Regierung durch politisch unliebsamer Gruppen als antisemitisch gewertet wird. Genau deshalb heißt es in der Definition explizit, sie sei nicht rechtlich bindend. Daran ist schon die geplante Antisemitismus-Klausel des Berliner Kultursenators Joe Chialo gescheitert – die juristischen Bedenken waren zu groß.

Was per Gesetz nicht geht, versucht man auf anderem Wege: Eine Resolution ist nämlich nur eine Meinungsäußerung des Parlaments und nicht rechtsbindend. Wie aber schon die BDS-Resolution gezeigt hat: De facto setzen deutsche Institutionen diese Empfehlungen trotzdem um – meist aus vorauseilendem Gehorsam. Wenn jetzt auch noch der Verfassungsschutz in Spiel gebracht wird, heißt es in Deutschland bald: Kunst- und Wissenschaftsfreiheit adé!

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.