- Berlin
- Klimagerechtigkeit
Mehr Bäume, mehr Schwammstadt
Die Initiative Baumentscheid will Berlin per Gesetz klimafest umbauenund schaut sich bereits existierende Projekte an
An einem heißen Sommermorgen starren etwa 15 Menschen in ein riesiges Loch im Boden. Kreisrund, die Wände aus Beton, könnte es eine überdimensionierte Zisterne sein. Zwar handelt es sich tatsächlich um einen Auffangbehälter für Wasser, der bei Starkregenereignissen zum Einsatz kommen soll. Allerdings wird hier, auf dem Gelände des Abwasserpumpwerks in der Chausseestraße, nicht nur Regenwasser hineinfließen, sondern auch Abwasser. Der Behälter soll künftig dafür sorgen, dass bei einer Überlastung der Mischwasserkanalisation weniger überschüssiges Wasser in Spree, Landwehrkanal und Panke eingeleitet wird. »Das ist hier explizit kein Projekt der Schwammstadt, sondern des Gewässerschutzes«, sagt Stephan Natz, Pressesprecher der Berliner Wasserbetriebe. Er stellt den Staubehälter den Interessierten der Initiative Baumentscheid vor, die den Ausflug nach Mitte organisiert hat.
»Wir sind hier, um über die blau-grünen Maßnahmen in der Stadt zu lernen«, sagt Heinrich Strößenreuther, einer der Initiator*innen des Baumentscheids. Die Initiative strebt einen Volksentscheid an, um Berlin zu einem Klimaanpassungs-Gesetz, genannt Bäume-Plus-Gesetz, zu verhelfen. Dazu gehören etwa Vorschriften zu Anzahl und Dichte von Bäumen und Grünflächen in der Stadt und zur Regenwassernutzung. »Einiges, was wir im Gesetz vorschreiben, wird an vielen Stellen in der Stadt bereits umgesetzt«, so Strößenreuther.
Durch das Gesetz soll Berlin abgekühlt werden. Dabei helfen Bäume und Grünflächen, die aber eine ausreichende Wasserversorgung brauchen. Weil es in Berlin so trocken ist, muss es zur Schwammstadt umgebaut werden. So sieht das Gesetz vor, knapp 60 Prozent der versiegelten Flächen, bei denen es das Potenzial dazu gibt, von der Kanalisation abzukoppeln, »soweit sie sich in öffentlicher Hand des Landes Berlins befinden«. So soll mehr Regenwasser versickern oder anderweitig genutzt werden.
Auch die Wasserbetriebe wollen die Schwammstadt und die Regenwassernutzung vorantreiben. »Jeder Regentropfen, der gar nicht erst in der Kanalisation landet, ist ein guter Regentropfen«, sagt Wasserbetriebe-Sprecher Natz.
»Ziel ist, die Menge an Überläufen in die Gewässer zu halbieren.«
Stephan Natz Berliner Wasserbetriebe
Solange aber noch ein großer Teil des Regenwassers, das auf versiegelte Flächen fällt, in die Kanalisation abgeleitet wird, ist diese bei Starkregenereignissen überlastet. Die Stauräume können die negativen Folgen für die Stadtgewässer mildern. »Ziel ist, die Menge an Überläufen in die Gewässer zu halbieren«, sagt Natz. Insgesamt 300 000 Kubikmeter Wasser sollen in Berlin durch die Stauräume aufgefangen werden; dann werden sie zu den Klärwerken geleitet, sobald diese wieder aufnahmefähig sind. Die große Betontonne in Mitte wird 16 750 Kubikmeter Wasser aufnehmen können. »Sie läuft innerhalb von 30 Minuten voll, braucht dann aber 20 Stunden, um geleert zu werden«, sagt Natz.
Der zwischen Bundesnachrichtendienst und Abwasserpumpwerk gelegene Stauraum sei der letzte in Berlin, der noch fertiggestellt werden müsse. Danach komme dort Rasen darauf, sodass die Fläche öffentlich genutzt werden kann. Alles, was man dann noch sehe, seien »riesengroße Schornsteine«, durch die die Luft im Behälter beim Volllaufen entweichen könne.
An einem anderen Ort in Mitte wurde bereits ein kleiner Beitrag zur Schwammstadt geleistet. Der Hegelplatz war einst an die Mischwasserkanalisation angeschlossen, ein großer Teil der Fläche war versiegelt. Durch die platt getrampelte Rasenfläche konnte kaum Regenwasser in den Boden versickern, und den Bäumen ging es schlecht. Vor fünf Jahren beschloss der Bezirk, den Platz neu zu gestalten, im Juni wurde er fertiggestellt. Nun fließt gar kein Regenwasser mehr in die Kanalisation ab, wie es auch der aktuellen Gesetzeslage für Neubauvorhaben in Berlin entspricht, sagt Jan Siewert vom Bezirk Mitte, der den Platz greplant hat. Auch er hat sich mit der Initiative Baumentscheid getroffen, um ihnen den neuen Platz zu zeigen.
Einfach war es nicht, die Auflagen zu erfüllen, um das Regenwasser den Pflanzen und dem Boden zuzuführen, sagt Siewert. Die Rasenfläche habe sich ziemlich unkompliziert absenken lassen, sodass das gesamte Wasser von den angrenzenden steinernen Flächen dort hineinläuft. Schwieriger sind Mulden, in denen sich das Regenwasser sammelt und dann versickert. »Rigolen und Mulden sind genehmigungspflichtige Versickerungsanlagen«, erklärt Siewert.
Ein solches Beet mit Mulde wurde am Rand des Platzes angelegt. Weil es so nah an der Spree liegt, waren die Auflagen noch strenger. Der Boden musste bis zu einer Tiefe von drei Metern komplett ausgetauscht werden, weil er zu sehr mit Altlasten wie Schwermetallen belastet war. »Das war hier alles Bauschutt, Steine und Schotter. Hier gibt es keinen natürlichen Boden bis zum Grundwasser«, sagt Siewert. Damit das versickernde Regenwasser nicht das Grundwasser verschmutzt, durfte der alte Boden nicht bleiben – im Gegensatz zur Rasenfläche, wo es keine solchen strengen Auflagen gibt. »Die gesetzlichen Vorgaben sind wichtig, aber es ist auch wichtig, die Schwammstadt umzusetzen«, meint Siewert.
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Strößenreuther verweist darauf, dass im Entwurf des Bäume-Plus-Gesetzes vorgeschrieben ist, dass alle Berliner*innen in einer Entfernung von 500 Metern Zugang zu öffentlichen Grünflächen von mindestens 0,3 Hektar und in einem Gesamtumfang von einem Hektar haben sollen. Dieses Kriterium erfülle zwar der 0,4 Hektar große Hegelplatz, allerdings dürfte laut Einschätzung Strößenreuthers die Lärmbelastung zu hoch sein, weil der Platz direkt an der S-Bahn liegt.
Zudem sollen alle Berliner*innen innerhalb von 150 Metern deutlich kleinere sogenannte Kühlinseln erreichen können, um sich auf den Grünflächen mit mindestens zwei Bäumen abkühlen und ausruhen zu können, statt der prallen Sonne und Hitze der Stadt ungeschützt ausgesetzt zu sein.
Der Gesetzesentwurf zum Baumentscheid liegt aktuell bei der Innenverwaltung zur Kostenschätzung, sagt Strößenreuther. Diese muss bis Ende des Monats abgeschlossen sein. Danach will die Initiative die weiteren Schritte für ein Volksbegehren einleiten, damit die Berliner*innen zur Abgeordnetenhauswahl 2026 über das Gesetz abstimmen können.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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