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Olympia-Comeback nach 16 Jahren: DHB-Frauen mit zwei Zielen
Die deutschen Handballerinnen suchen den olympischen Geist und wollen mindestens ins Viertelfinale
Die Olympischen Spiele von Paris werden am Freitag eröffnet, doch für die deutschen Handballerinnen geht es schon früher los. An diesem Donnerstag werden sie gegen Südkorea erstmals seit 2008 wieder Tore in einem Olympiaturnier werfen. Da die aktuellen Nationalspielerinnen damals noch nicht dabei waren, ist es kein Wunder, dass sie sich im Vorfeld der Spiele viel weniger Gedanken über ihre ersten Gegnerinnen machten, sondern über das, was einen Tag später ansteht: »Die Eröffnungsfeier war ein großes Thema im Team. Die Teilnahme muss man abwägen, weil man doch viel herumstehen wird. Die Zeit fehlt dann für die Regeneration und die Vorbereitung aufs nächste Spiel«, berichtete Rückraum-Ass Emily Bölk von Diskussionen im Team. Am Ende soll wohl jede Spielerin selbst entscheiden, was am besten für sie ist.
Bölk hat gegenüber ihren Kolleginnen zumindest einen kleinen Erfahrungsvorsprung: Ihre Mutter Andrea war in den 90er Jahren zweimal bei Olympia dabei. »Sie hat beide Male teilgenommen und mir gesagt: ›Wenn es irgendwie möglich ist, muss man das mal erlebt haben.‹ Für sie war es ein einmaliges Gefühl, mit den anderen Sportlern einzulaufen. So etwas kann ja dann auch beflügeln«, sagte Emily Bölk. »Ich glaube also, ich werde dabei sein und alles aufsaugen.«
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Die Mutter habe ihr aber auch mitgegeben, dass man dennoch versuchen müsse, die Konzentration auf den Wettkampf zu behalten, denn die olympische Erfahrung könne einen übermannen. »Einige haben es damals wohl nicht gepackt, immer rechtzeitig ins Bett zu gehen«, berichtete die 26-Jährige. »Sie hat da interessante Storys erzählt, und ich bin jetzt gespannt, ob sich das mit meinen Erfahrungen decken wird, oder ob sich in den vergangenen Jahren doch viel verändert hat.«
Auch Bölks Kolleginnen haben in den Wochen der Vorbereitung von einigen erfahrenen Olympiateilnehmern gehört, »dass sie bei ihrer Premiere erst mal lernen mussten, wie man mit dem Dorf, den vielen anderen Sportlern und allem anderen umgeht«, berichtete Torhüterin Katharina Filter. Sie wolle sich dennoch nicht abkapseln, sondern den Geist der Spiele genießen: »Ich will auch mal andere Wettkämpfe besuchen und dort die deutschen Sportler anfeuern.«
Kapitänin Alina Grijseels und Bölk werden darauf achten, dass es dabei niemand übertreibt, denn »die Erinnerung, die man von Olympia mitnimmt, wird hauptsächlich mit der sportlichen Leistung verbunden sein«, so Bölk. Der eigene Sport soll also im Vordergrund stehen. »Wir fahren ja nicht als Tourist mit dem Selbstverständnis zu Olympia, da auf jeden Fall noch mal hinzukommen«, erinnerte Grijseels an die lange deutsche Pause bei den Spielen. »Wir wollen erfolgreich sein. Es reicht uns nicht, bei Olympia nur dabei zu sein.«
Diese Einstellung hatte Bundestrainer Markus Gaugisch schon früh vorgelebt, seitdem Mitte April die Qualifikation gelungen war. »Damals hat es bei mir nur drei Minuten gedauert, bis ich schon wieder gesagt habe, dass ich jetzt auch bei Olympia was schaffen will«, sagte Gaugisch dem »nd«. »Du sehnst dich einfach nach den Duellen, in denen du etwas gewinnen kannst.« Jenen Kampf um Medaillen zu erreichen, wird jedoch schwer. Bei den jüngsten Welt- und Europameisterschaften waren vier Teams konstant ganz oben mit dabei: Norwegen, Dänemark, Schweden und Frankreich. Gaugischs Team wird bereits in der Vorrunde auf alle drei skandinavischen Medaillenanwärter treffen.
Da es die besten Vier ins Viertelfinale schaffen, hängt viel vom Auftakt gegen Südkorea ab. »Das ist ein unangenehmer Gegner. Die Spielerinnen sind besonders am Anfang eines Turniers immer sehr spritzig unterwegs, da müssen wir also athletisch topfit und in jedem Moment hellwach sein«, so Bölk. Auch die Sloweninnen werden um einen Platz in der K.o.-Runde mitkämpfen, die hatte das deutsche Team in der Olympiaqualifikation aber gut im Griff. »Wir wissen, dass wir zwei Teams hinter uns lassen müssen, um unser Ziel zu erreichen. Das ist eine harte Aufgabe, aber ich bin davon überzeugt, dass wir das schaffen können«, so Bölk.
Immerhin die Generalprobe am vergangenen Sonntag glückte: Gegen Brasilien gewannen die deutschen Frauen mit 27:20 (14:8) und revanchierten sich damit für eine Niederlage aus der Vorwoche. Zwischendurch wurde auch Ungarn knapp mit 30:29 bezwungen. Beide Teams könnten bei Olympia Viertelfinalgegner Deutschlands sein.
Gelingt der Einzug in die Runde der letzten Acht, müssten die Handballerinnen von Paris nach Lille umziehen. Von dort wird die Strecke zur Medaille aber plötzlich sehr kurz. »Ein Viertelfinale ist nur 60 Minuten lang, da kann dann alles passieren«, so Bundestrainer Gaugisch. Er weiß das aus bisher meist negativer Erfahrung. Bei Weltmeisterschaften scheiterten die deutschen Handballerinnen zuletzt gleich zweimal nach gutem Auftakt genau in dieser Runde – meist an den eigenen Nerven. »Wir haben das analysiert und bei der Olympiaquali schon gezeigt, dass wir sehr abgeklärt sein können. Das gibt uns Selbstbewusstsein«, erkannte Kapitänin Grijseels zuletzt Verbesserungen auf diesem Gebiet.
Wie viele ihrer Mitspielerinnen hätte auch sie zuletzt in internationalen Spitzenklubs wertvolle Erfahrungen gesammelt. »Ich konnte mich in Metz täglich im Training und auch oft in der Champions League mit den besten Spielerinnen der Welt messen. Das hilft mir, an die eigene Stärke zu glauben«, so Grijseels, die vor einem Jahr nach Frankreich gewechselt war und dort sofort Meisterschaft und Pokal gewann. Auch wenn sie zur neuen Saison nach Bukarest weiterziehen wird, »ist Frankreich bisher nicht das schlechteste Pflaster für mich. Ich hätte nichts dagegen, wenn es so weitergeht«. Noch ein dritter Titel also? Der Olympiasieg würde dann doch ein ganz besonderes Triple perfekt machen.
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