Tunnelbau am Roma-Denkmal: Ein Versagen der Erinnerungskultur

S-Bahnbau im Tiergarten: Roma-Community befürchtet massive Schäden am Denkmal

Der Bundestag wehrte sich einst erfolgreich gegen einen S-Bahntunnel in unmittelbarer Nähe. Kommt die S21 nun wie geplant, könnte das Roma-Denkmal Schaden nehmen.
Der Bundestag wehrte sich einst erfolgreich gegen einen S-Bahntunnel in unmittelbarer Nähe. Kommt die S21 nun wie geplant, könnte das Roma-Denkmal Schaden nehmen.

Die Kritik an der geplanten Streckenführung der neuen S-Bahnlinie S 21 wird nicht leiser. Die Roma-Community befürchtetet Schäden am Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma in Europa. In einem Einwendungsschreiben vom 23. Juli fordern Vertreter*innen unmissverständlich »eine alternative Trassenführung für den Bau der S 21, die den Gedenkort unbeschadet lässt«. Die vorliegenden Pläne seien angesichts eingepreister massiver Beschädigungen am Denkmal »ein politisch skandalöses Versagen der Gedenkkultur in Deutschland«.

Konkret geht es um Bäume am Rande des Gedenkortes. Für die Bauausführungen müssten einige von ihnen gefällt werden. Die Beschwerdeführer*innen weisen darauf hin, dass der Künstler Dani Karavan, der das Denkmal entworfen hatte, den Baumbestand als Teil des Denkmals verstanden hatte: Der alte Baumring würde das »Wasserbecken optisch und akustisch einhegen«. Die geplante Tunnelführung am Denkmal vorbei, würde nur einen Meter unterhalb der Erde keine ähnlich großen Bäume mehr zulassen. »Zudem wären die Erschütterungen durch jede durchfahrende S-Bahn deutlich spürbar«, von einem Ort des stillen Gedenkens könne dann keine Rede mehr sein.

Im laufenden Planfeststellungsverfahren für die Linie, die die Berliner Nord-Süd-Bahn entlasten soll, läuft die Beschwerdefrist am 26. Juli aus. Eine ursprünglich geplante Trasse in Bundestagsnähe war am Widerstand von dessen Geschäftsführung aufgegeben worden. Die nun geplante Variante unterhalb des Denkmals wollen die Roma-Community und ihre Unterstützer*innen noch verhindern. Dass sie damit, wie der Bundestag, beim federführenden Verkehrssenat und bei den Planer*innen der Deutschen Bahn, Erfolg haben könnten, ließ sich bisher nicht erkennen. Die Hoffnungen ruhen nun auf den Prüfer*innen des Eisenbahnbundesamtes.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Unter den 138 Unterzeichnenden des Schreibens sind neben Vertreter*innen von Romaverbänden wie Romatrial und der Bundesvereinigung der Sinti und Roma, auch Verantwortliche der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas sowie die Hinterbliebenen des 2021 verstorbenen Urhebers des Denkmals Dani Karavan. Auch internationale Prominenz aus Politik, Kultur und Wissenschaft hat ihre Unterschriften unter das Beschwerdeschreiben gesetzt.

Ihre Einwände beziehen sich auf die seit Ende Mai öffentlich einsehbaren Planungsunterlagen. Diese offenbarten einen noch verheerenderen, irreversibleren Eingriff in das Denkmal als zuvor angenommen, heißt es. Dementgegen hatten sowohl der Berliner Senat, die Bundesregierung und die Deutsche Bahn betont, die Kritik in den letzten Planungsständen berücksichtigt zu haben, das Denkmal werde baulich nicht mehr beeinträchtigt.

Äußerungen des Antiziganismusbeauftragten der Bundesregierung, Mehmet Daimagüler, hatten zuletzt schon darauf hingedeutet, dass die gegenwärtigen Pläne einen Großteil der Roma-Community nicht mit den S-Bahnplänen versöhnen würden. Bei der damaligen Verkehrsenatorin Manja Schreiner (CDU) hatte Daimagüler auf einen Mediationsprozess gedrängt und eine Sensibilität angemahnt, wie sie bei einem Mahnmal für im Nationalsozialismus ermordeten Jüd*innen gewöhnlich der Fall sei.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.