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Deutsche Bahn auf Talfahrt
DB-Unternehmen stellt bei Halbjahresbilanz erneuten Verlust von 1,2 Milliarden Euro fest
Die Deutsche Bahn AG (DB) befindet sich weiterhin auf ungebremster Talfahrt. Und das sowohl ökonomisch als auch infrastrukturell. Noch im vergangenen Jahr hatte die DB einen EBIT von über einer Milliarde Euro prognostiziert. EBIT ist der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Stattdessen verkündete das Unternehmen bei der Halbjahresbilanz am Donnerstag einen erneuten Verlust von 1,2 Milliarden Euro in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres, der sich auf fast alle Sparten der Bahn verteilt. Nur die Logistiktochter DB Schenker erwirtschaftete einen Gewinn von 500 Millionen Euro. Das ist deutlich weniger als in den vergangenen Jahren, wo Sondereffekte auf dem internationalen Logistikmarkt die Gewinne sprudeln ließen.
Der DB-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz führte die Verluste vor allem auf Vorleistungen für vom Bund zu erstattende Sanierungsaufwendungen, gehäufte Extremwetterereignisse und Streiks zurück. Alleine die Belastungen durch die Streiks der Lokführer-Gewerkschaft GDL im ersten Halbjahr 2024 bezifferte DB-Finanzvorstand Levin Holle auf rund 300 Millionen Euro. Die GDL streikte fünf Monate lang für die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich, die sie am Ende auch erhielten. Allerdings mit einer längeren Streckung der Absenkungsschritte.
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Für den Personenverkehr gibt es mittlerweile Planspiele, das Angebot im Fernverkehr zu reduzieren. Das betrifft vor allem wenig frequentierte ICE- und IC-Verbindungen, die durch die »Konkurrenz« des Deutschland-Tickets Fahrgäste im Regionalverkehr eingebüßt haben. Zu konkreten Plänen für mögliche Ausdünnungen wollte sich der DB-Vorstand am Donnerstag nicht äußern.
Man setze strategisch weiterhin auf den qualitativen und quantitativen Ausbau des Fernverkehrs, müsse allerdings auch auf »eigenwirtschaftliche Kennziffern« der Sparte blicken, hieß es nebulös. Auch Preiserhöhungen im Fernverkehr seien nicht ausgeschlossen, das werde man sich »im Herbst genauer anschauen«.
Insgesamt plane die Bahn in den kommenden fünf Jahren den Abbau von rund 30 000 Stellen im Konzern, ohne dass es zu Entlassungen kommen werde.
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Der Verkehrswissenschaftler Christian Böttger wies am Donnerstag im RBB darauf hin, dass sich die Frage der Ausdünnung wesentlich grundsätzlicher stelle. Das marode Netz sei auf vielen stark frequentierten Strecken schlicht »zu voll« für die vielen Verkehre, was zwangsläufig zu Staus und entsprechenden Verspätungen führe. An Streichungen von eigentlich gut ausgelasteten Verbindungen werde man also nicht vorbeikommen. Jetzt räche sich, dass das Netz über einen langen Zeitraum auf Verschleiß gefahren wurde und Investitionen, etwa in zusätzliche Ausweichgleise, unterblieben.
Auch die chronisch defizitäre Gütersparte DB blickt in den Abgrund. Aus Brüssel droht ein Verfahren wegen unzulässiger Beihilfen, die gegen das EU-Wettbewerbsrecht verstoßen. Das sieht Böttger ebenfalls als Folge gravierender Versäumnisse. DB Cargo sei trotz hoher Verluste nicht saniert worden und habe »eine unglaublich aufgeblähte Verwaltung, die schlecht und langsam Entscheidungen fällt«. Insgesamt plane die Bahn in den kommenden fünf Jahren den Abbau von rund 30 000 Stellen im Konzern, ohne dass es zu Entlassungen kommen werde. Das Unternehmen müsse »mehr Bahn mit weniger Beschäftigten« schaffen, vor allem in der Verwaltung, so Finanzvorstand Holle.
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Erneut drastisch gesunken ist die Pünktlichkeitsquote im Fernverkehr um sechs Prozentpunkte auf 62,7 Prozent. Kurzfristig werde sich daran wohl nichts ändern, aber die jetzt begonnene Generalsanierung werde ein »entscheidender Wendepunkt«, versprach Lutz. Bis 2031 werde es 41 Hochleistungskorridore geben, was Verspätungen im gesamten Netz signifikant reduzieren werde. Derzeit laufen die Arbeiten auf der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim, im kommenden Jahr wird unter anderem die Strecke Berlin-Hamburg saniert. Für Fahrgäste ist das jeweils mit monatelangen, erheblichen Einschränkungen verbunden.
Trotz der insgesamt eher deprimierenden Bestandsaufnahme bemühte sich der DB-Vorstand um einen optimistischen Ausblick. Ab sofort werde man Bauvorhaben auch über die großen Hauptkorridore hinaus anders planen und durchführen. »In festgelegten Zeitfenstern wird das Bauen gebündelt und das Bauvolumen erhöht.« Das schaffe »mehr baufreie Zeiten und steigert die Verlässlichkeit für Verkehrsunternehmen und Fahrgäste«, so Lutz.
Für das Gesamtjahr 2024 will der DB-Konzern trotz des schlechten Halbjahresergebnisses einen operativen Gewinn von etwa einer Milliarde Euro erwirtschaften. Allerdings seien »alle Prognosen unter anderem abhängig von der Entwicklung der betrieblichen Lage sowie vom weiteren Zufluss erwarteter Bundesmittel«, hieß es einschränkend. Nahezu pathetisch lautet dagegen das große Ziel: »Eine neue, bessere Bahn für unsere Kunden, unser Land und auch unsere Mitarbeiter«.
Auch diesmal also eine Halbjahresbilanz mit der seit vielen Jahren »bewährten« Mischung aus deprimierender Bestandsaufnahme und der Beschwörung einer rosigen Zukunft. Die wird es für den maroden Konzern mit seiner jetzigen Struktur und seiner jetzigen Führung wohl nicht geben können.
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