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Venezuela: Maduro warnt vor rechter Übernahme

Bei den Präsidentschaftswahlen in Venezuela wird enges Rennen erwartet

  • Tobias Lambert
  • Lesedauer: 4 Min.
Bolivar, Chávez, Maduro: In dieser Reihe sieht ein Anhänger den amtierenden venezolanischen Präsidenten, der sich am Sonntag bei Neuwahlen behaupten muss.
Bolivar, Chávez, Maduro: In dieser Reihe sieht ein Anhänger den amtierenden venezolanischen Präsidenten, der sich am Sonntag bei Neuwahlen behaupten muss.

Der Ton wird rauer. Vor der Präsidentschaftswahl in Venezuela am kommenden Sonntag warnt Präsident Nicolás Maduro eindringlich vor einer »Rückkehr der Faschisten«. Sollte die Opposition gewinnen, drohe eine Gewalteskalation. Laut Oppositionsführerin María Corina Machado sei hingegen »die größte bisher gesehene Migrationswelle« zu erwarten, sollte sich Maduro gewaltsam an der Macht halten. Internationale Akteure hoffen auf einen friedlichen Urnengang. Auch Verbündete der venezolanischen Regierung wie Präsident Luiz Inácio »Lula« da Silva aus Brasilien und Gustavo Petro aus Kolumbien rufen eindringlich dazu auf, das Wahlergebnis anzuerkennen. Dies sei »die einzige Möglichkeit, dass Venezuela zur Normalität zurückkehrt«, so Lula.

Rechte Opposition mit Chancen

Tatsächlich rechnet sich die rechte Opposition realistische Siegchancen aus. Zwar darf María Corina Machado nicht antreten. Doch stellte das größte Oppositionsbündnis Plataforma Unitaria Democrática (PUD) mit dem 74-jährigen Ex- Diplomaten Edmundo González einen gemeinsamen Ersatzkandidaten auf. Daneben treten acht weitere moderate Regierungsgegner (ausschließlich Männer) an. Linke Gegenkandidaturen wurden nicht zugelassen. Den Wahlkampf bestritt überwiegend Machado. Die Herausforderung besteht darin, ihre hohen Umfragewerte auf den wenig charismatischen González zu übertragen. Es wirkt tatsächlich so, als habe Maduro diese Möglichkeit unterschätzt. Denn der Wunsch nach politischem Wandel ist groß.

Die Unzufriedenheit mit der Regierung reicht längst bis in ursprünglich chavistische Kreise hinein. Und der – teilweise durch die Sanktionen aufgezwungene – wirtschaftspolitische Kurs der vergangenen Jahre hat die Angst vor einer rechten Machtübernahme in vielen Bereichen der Gesellschaft verblassen lassen. Zwar hat sich die wirtschaftliche Lage etwas entspannt. Die Löhne sind jedoch extrem niedrig und die soziale Ungleichheit hat infolge einer intransparenten Liberalisierungspolitik deutlich zugenommen. Trotz eines teils weiterhin chavistischen Diskurses steht Maduro heute kaum mehr für ein linkes politisches Projekt, sondern warnt in erster Linie vor einer Machtübernahme der rechten Opposition. Machado und González stehen für einen offen neoliberalen Kurs. Zudem wollen sie die Institutionen neu besetzen und die von ihnen als politische Gefangene angesehenen Personen freilassen.

Opposition wie Regierung verweisen auf Umfragen von ihnen nahe stehenden Instituten, die das eigene Lager meist mit 20 bis 30 Prozentpunkten vorne sehen. Die meisten unabhängigen Beobachter*innen sehen indes Vorteile für die Opposition. Wenn die Oppositionsanhänger*innen trotz fortlaufender Repressalien gegen Machado und ihre Unterstützer*innen zur Wahl gehen, scheint alles möglich. Allerdings verfügt die regierende Vereinte Sozialistische Partei Venezuelas (PSUV) als einzige politische Kraft über eine eingespielte Wahlkampfmaschinerie und flächendeckende Präsenz im Land. Hinzu kommt, dass von den über sieben Millionen Venezolaner*innen, die während der Krise emigriert sind, im Ausland nur ein Bruchteil wählen darf. Eine wichtige Rolle für die Legitimierung des Wahlergebnisses wird die flächendeckende Präsenz oppositioneller Zeug*innen in den Wahllokalen spielen, um die elektronisch übermittelten Ergebnisse mit den Papierausdrucken der Wahlmaschinen abzugleichen. Nach kurzzeitigen Problemen konnte die Opposition etwa 90 000 Zeug*innen für die gut 30 000 Wahltische registrieren. Offizielle Wahlbeobachtermissionen des Carter Centers und der Uno sind auch im Land, allerdings nur mit stark eingeschränkten Ressourcen.

15 Millionen Dollar Kopfgeld auf Maduro

Wichtiger als der Wahltag selbst dürfte der Umgang mit dem Ergebnis werden. Die Opposition verströmt eine derartige Siegesgewissheit, dass sie eine mögliche Niederlage kaum anerkennen kann. Sollte González tatsächlich gewinnen, würde es innerhalb des Chavismus unweigerlich zu Spannungen kommen. Verhandlungen zwischen Regierung und Opposition wären unerlässlich. Zum einen würde die Amtsübergabe laut Verfassung erst am 10. Januar 2025 stattfinden. Zum anderen kontrollieren die Chavist*innen alle staatlichen Institutionen. Maduro und andere Spitzenfunktionär*innen haben allerdings derart viel zu verlieren, dass eine geordnete Machtübergabe kaum vorstellbar erscheint. Dabei geht es nicht nur um Privilegien, sondern auch um juristische Verfolgung. Innerhalb der Opposition gibt es revanchistische Strömungen, die eher auf Rache als auf Versöhnung setzen. Die US-Behörden haben ihrerseits immer noch ein Kopfgeld von 15 Millionen US-Dollar für die Ergreifung Maduros ausgesetzt.

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